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# taz.de -- Asylrecht in Deutschland und der EU: Grundrecht faktisch abgeschafft
> Die Diskussion in der Union ist fern jeder Rechtskenntnis. Maßgeblich ist
> heute das EU-Asylrecht. EU-Richtlinien sind im deutschen Asylgesetz
> realisiert.
Bild: Sie wollten keine Verschärfung des Grundrechts auf Asyl: Demonstrierende…
Die Diskussion in der CDU/CSU ist fern von jeder Rechtskenntnis. Friedrich
Merz will das individuelle Grundrecht auf Asyl [1][zur Disposition
stellen], um eine europäische Lösung bei der Migration zu ermöglichen.
Annegret Kramp-Karrenbauer entgegnet, eine Einschränkung des Grundrechts
sei mit dem Wesenskern der CDU nicht vereinbar. Haben sie keine Ahnung oder
führen sie aus taktischen Gründen eine Scheindebatte?
Fakt ist: Das deutsche Grundrecht auf Asyl wurde 1993 weitgehend
abgeschafft. Zwar steht das Grundrecht immer noch als Artikel 16a im
Grundgesetz. Doch nach dem bekannten Satz „Politisch Verfolgte genießen
Asylrecht“ folgen vier Absätze voller Einschränkungen, die dem Grundrecht
praktisch jede Wirkung nehmen.
Wer über einen EU-Staat oder einen anderen sicheren Drittstaat nach
Deutschland einreist, kann sich seither nicht mehr auf das Asyl-Grundrecht
berufen. Faktisch führt dies dazu, dass sich nur noch Flüchtlinge, die mit
dem Flugzeug nach Deutschland einreisen, auf das deutsche Grundrecht
stützen können.
2017 wurden von 600.000 entschiedenen Asylanträgen deshalb nur 0,7 Prozent
wegen Artikel 16a Grundgesetz anerkannt. Das Grundrecht spielt in der
Praxis also fast keine Rolle mehr. Deshalb ist es völlig abwegig, in der
aktuellen Diskussion seine Einschränkung oder Beibehaltung zu fordern. Das
Grundrecht ist seit Jahrzehnten schlichtweg irrelevant.
In den Jahren nach 1993 konnten sich Flüchtlinge zunächst auf die Genfer
Flüchtlingskonvention (GFK) berufen, die Deutschland unterzeichnet hat.
Doch das war nur eine Zeit des Übergangs. Inzwischen ist auch die GFK nicht
mehr maßgeblich, sondern das EU-Asylrecht.
## Drei Richtlinien auf EU-Ebene
1999 beschlossen die EU-Staaten, das Asylrecht europäisch zu harmonisieren.
In einer ersten Phase wurden bis 2005 Mindeststandards beschlossen, die in
einer zweiten Phase bis 2013 – nun per Mehrheitsentscheid – deutlich
verbessert wurden. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem besteht nun aus
drei Richtlinien zum Asylverfahren, zur Anerkennung/Qualifikation und zu
den Aufnahmebedingungen. Auf diesen EU-Richtlinien beruht inzwischen auch
das deutsche Asylgesetz. Hinzu kommt die direkt anwendbare
Dublin-III-Verordnung, die regelt, welcher EU-Staat für das Asylverfahren
zuständig ist (meist der Staat der Einreise).
Dieses EU-Asylrecht geht über das deutsche Grundrecht und auch über die GFK
hinaus. Denn es gewährt nicht nur Flüchtlingen Schutz, die individuell oder
als Gruppe „verfolgt“ werden. Es hat mit dem „subsidiären Schutz“ auch…
Schutz von Bürgerkriegsflüchtlingen stark verbessert.
Einschränkend wirkt das EU-Asylrecht aber insofern, als der Anspruch in der
Regel nicht mehr gegenüber Deutschland besteht, sondern gegenüber dem
jeweils zuständigen Mitgliedsstaat der EU. Und nach den Dublin-Regeln sind
das in der Regel Staaten an der EU-Außengrenze. Dass dennoch viele
Flüchtlinge, die es nach Deutschland schaffen, ihr Asylverfahren hier
bekommen, hat mit Problemen im Dublin-System zu tun. Deutschland
kontaktiert oft den zuständigen Staat zu spät und dieser kooperiert oft
nicht. Dann geht die Zuständigkeit auf Deutschland über.
Unter dem Strich führt Deutschland so etwa ein Drittel der Asylverfahren in
der EU durch. Viel weniger wären es sicher nicht, wenn die EU das
Dublin-System durch ein Quoten-System ersetzen würde. Alle Diskussionen mit
diesem Ziel scheitern in der EU seit Jahren. Grund dafür ist ganz sicher
nicht das irrelevante deutsche Grundrecht auf Asyl, sondern dass
[2][Staaten wie Ungarn] jede verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen
ablehnen. So kann kein Kompromiss gelingen.
22 Nov 2018
## LINKS
[1] /Diskussion-um-Merkels-Nachfolge/!5549995
[2] /Kommentar-Asylrecht-in-der-EU/!5550003
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Asylrecht
Asyl
EU
Dublin-System
Asyl
Friedrich Merz
CDU
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