# taz.de -- Kommentar Politikverbot der TU Hamburg: Unpolitisch ist sehr politi… | |
> Politischen Disput von der Hochschule fernzuhalten ist Quatsch. Die | |
> Uni-Verwaltung hat nicht kapiert, was Demokratie ist und wie Wissenschaft | |
> funktioniert. | |
Bild: Ort der politischen Sozialisation: Studierende bei einer Vollversammlung … | |
Es ist ein Politikum, dass der Kanzler der Technischen Universität (TU) | |
Hamburg [1][ein Plakat hat abhängen lassen], weil es für eine Veranstaltung | |
angeblich politischen Inhalts warb. Das zeigt: Die Uni-Verwaltung hat nicht | |
kapiert, was Demokratie ist und auch nicht, wie Wissenschaft funktioniert. | |
Das Gericht, das dem Eilantrag statt gab, übrigens auch nicht. | |
Wenn es einen Ort gibt, an dem junge Leute politisch sozialisiert werden, | |
dann ist das die Universität. Hier ist ihr Idealismus noch nicht | |
abgeschliffen, hier diskutieren sie über das große Ganze und | |
Grundsätzliche. An einer technischen Universität ist das vielleicht weniger | |
ausgeprägt, aber das ist eher ein Problem als ein Pluspunkt. | |
Politischen Disput von der Hochschule fernzuhalten ist Quatsch – gerade, | |
wenn man mit Betriebsunfällen wie dem 9/11-Piloten Mohammed Atta | |
argumentiert. Der hat seine Ideen nicht im offenen Diskurs, sondern im | |
Kämmerlein ausgebrütet. | |
Viele Fächer an der Universität sind per se politisch. Das gilt für | |
Gender-Studies, Ethnologie und Kolonialstudien, aber auch für die Ökonomie, | |
deren Krise gerade darin besteht, dass sie für unpolitisch erklärt wurde. | |
Bei der Physik mag das vielleicht nicht gerade naheliegen, auch hier gilt | |
jedoch, dass keine Wissenschaft losgelöst von politischen Rahmenbedingungen | |
existiert, allein schon weil sie finanziert werden muss. | |
Mag der Ruf des dialektischen Materialismus auch gelitten haben, weil er im | |
Ostblock herrschende Ideologie war – solange es die Chance gibt, dass er | |
zum Fortschritt beiträgt, darf er vom Diskurs nicht ausgeschlossen werden. | |
Wissenschaftlicher Fortschritt lebt vom Querdenken. Wissenschaft, die nicht | |
bereit ist, ihre Voraussetzungen zu hinterfragen, ist keine. Und eine Uni, | |
die dazu nicht bereit ist, verdient diesen Titel nicht. | |
13 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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