# taz.de -- Göttinger Physiker zur Urknall-Hypothese: „Das ist auch eine Ver… | |
> Physik-Professor Christian Jooß hinterfragt die Vorstellung des leeren | |
> Raums der Urknall-Hypothese. Er bezieht sich auf die materialistische | |
> Erkenntnistheorie. | |
Bild: Aufwändige Forschung: Techniker in einem Tunnel für den Teilchenbeschle… | |
taz: Herr Jooß, Sie halten am Samstag einen Vortrag über Ihr Buch | |
,Selbstorganisation der Materie’. Wovon handelt das? | |
Christian Jooß: Ich forsche hauptsächlich an Materialien für erneuerbare | |
Energien. Dort findet man das Prinzip der Selbstorganisation an vielen | |
Systemen. In meinem Buch habe ich dieses Konzept in verschiedenen Bereichen | |
der Physik bis hin zur Astrophysik dargestellt und eine Kontroverse, die es | |
in der Physik gibt zur Urknallhypothese. | |
Die was noch mal besagt? | |
Die These, dass das Universum vor 14 Milliarden Jahren durch einen Urknall | |
entstand, ist Mainstream in der Forschung und nahe einer | |
Schöpfungsgeschichte. Die Welt sei aus dem Nichts entstanden. Mit hohem | |
Aufwand wird in teuren Hochenergie-Teilchenbeschleunigungsanlagen wie dem | |
CERN versucht, die Einheit aller Teilchen nachzuweisen, um ihre Entstehung | |
im Urknall zu belegen. Das ist auch eine Verkaufsstrategie, um die teuren | |
Anlagen zu rechtfertigen. Im Zusammenhang mit dem Urknall suchen seither | |
nach einer ,Weltformel“, die alles beschreibt.Selbstorganisation bedeutet | |
aber dass sowohl die Materie und mit ihr auch die Naturgesetze einer | |
Entwicklung unterliegen. | |
Wie kommen Sie denn zu Ihren Erkenntnissen? | |
Wir können suprafluide Materialen im Labor beobachten und davon viel lernen | |
für die Entstehung von Teilchen. Und wir können im Weltall beobachten, wie | |
leichte Atome in aktiven Galaxien entstehen. Damit gibt es neben den | |
Entwicklungsprozessen von Sternen, in denen schwere Elemente wie Metalle | |
gebildet werden, auch eine Art „Recycling“ zu leichten Atomen in der | |
Entwicklung von Galaxien. Aus der Beobachtung des Werdens und Vergehens | |
ergibt sich die Kritik an der Urknall-These. Ich habe in meinem Buch die | |
Erkenntnisse über Teilchenbildung und Umwandlung in der Kritik an der | |
idealistischen Vorstellung eines „leeren Raums“ zur Theorie des | |
Quantenäthers zusammengefasst. | |
Und wie kommt die Materialistische Erkenntnistheorie von Marx und Engels | |
hier ins Spiel? | |
Mein Buch ist eine Streitschrift. Ich möchte darüber diskutieren, wie man | |
Wissenschaft betreibt. Die Urknall-These kam als erstes in den 1920ern | |
Jahren auf, und wurde immer weiter entwickelt. Es steht hier die Idee der | |
„Weltformel“ über der Materie. Es werden mathematische Formeln entwickelt, | |
um ihn zu beweisen. Das ist philosophischer Idealismus. Er dient der | |
Rechtfertigung bestehender Verhältnisse. Ich persönlich finde es notwendig, | |
von der Wirklichkeit auszugehen. Damit beziehe ich mich auf die | |
materialistische Erkenntnistheorie. Ich möchte nicht eine Philosophie | |
vorgeben, sondern ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Wissenschaft nicht | |
ideologiefrei ist. Die verbreitete idealistische Erkenntnistheorie hat zu | |
einer Krise der Physik geführt. | |
Stehen Sie mir Ihrer These allein? | |
Nein. Es gab unlängst einen offenen Brief von 287 Wissenschaftlern, die | |
beklagten, dass nur jene einen Lehrstuhl erhalten, die an der Urknall-These | |
festhalten. Eine ganze Gruppe von Physikern arbeitet in der „Alternative | |
Cosmology Group“ zusammen. Ich möchte eine Kontroverse entfachten, den | |
Blick öffnen, damit nicht nur eine Sichtweise erlaubt ist. Wir wollen die | |
Studierenden zum Denken bringen, damit sie ihren eignen Kopf benutzen. | |
16 Nov 2018 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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