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# taz.de -- Gesetz zur Dopingopferhilfe: Betrüger oder nur Betrogene?
> Anti-Doping-Aktivisten kämpfen gegen das Dopingopferhilfegesetz. Ein
> früherer DDR-Zehnkämpfer will sich entschädigen lassen.
Bild: Ex-Olympiasieger, Autor und plötzlich auch Doping-“Opfer“: Christian…
„Ja. Ich habe auch vor, den Antrag zu stellen.“ Christian Schenk hat das
gesagt. Der ehemalige Zehnkämpfer, der 1988 für die DDR Olympisches Gold
gewonnen hatte, war vom Nordkurier gefragt worden, ob er vorhabe, einen
Antrag auf Entschädigung als Dopingopfer zu stellen. [1][Christian Schenk?]
Der Mann, der in seiner just erschienenen Autobiografie geschrieben hat,
dass er wusste, gedopt worden zu sein? Genau der Schenk, dessen extremes
Nachwendeleben in schwere Depressionen führte, der an einer bipolaren
Störung leidet und deshalb harte Medikamente nimmt, hat angekündigt,
überprüfen zu lassen, ob seine Krankheit Folge des DDR-Dopingsystems ist.
Ist Schenk ein Dopingopfer?
Claudia Lepping war zunächst „sprachlos“, als sie davon hörte, dass Schenk
sich überlegt einen Antrag auf Entschädigung nach dem
Dopingopferhilfegesetz zu stellen. Die ehemalige Leichtathletin engagiert
sich [2][im Anti-Dopingkampf,] seit sie sich geweigert hat, die
Dopingmittel einzunehmen, die ihr ein Trainer in Hamm verabreichen wollte.
Mit der Fixierung auf den Opferbegriff beim Thema Doping hat sie schon
länger ihre Schwierigkeiten. „Es ist immer noch die eigene Hand, mit denen
der Sportler die Mittel zum Einnehmen in den Mund führt“, sagt sie. Doch es
ist nicht allein das Thema Eigenverantwortung von Sportlern, das sie
bewogen hat, mit drei anderen renommierten Streitern im Anti-Doping-Kampf
einen Brief an die Mitglieder des Sportausschusses im Deutschen Bundestag
zu schicken.
Lepping, der Molekularbiologe Werner Franke, Henner Misersky, der sich als
Trainer in der DDR gegen das Doping stemmte, und Gerhard Treutlein, der
Leiter des Zentrums für Dopingprävention in Heidelberg, versuchen mit dem
Brief, eine grundlegende [3][Veränderung des Dopingofer-Hilfegesetzes] zu
erreichen. Namhafte Anti-Doping-Aktivistinnen kämpfen gegen ein
Dopingopferhilfegesetz.
Im „Zweiten Gesetz über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer der DDR“ w…
eine Frist bis Dezember dieses Jahres gesetzt. Bis dahin konnten Betroffene
einen Antrag auf 10.500 Euro Entschädigung stellen. Der Bundestag hat
kürzlich beschlossen, die Frist um ein Jahr zu verlängern. Außerdem wurde
der Entschädigungsfonds von 10,5 Millionen auf 13,65 Millionen Euro
aufgestockt. Am 23. November soll der Bundesrat der neuen Regelung
zustimmen.
## Er hat gedopt und wusste das
Die Verfasser des Briefes fordern, die Gesetzesänderung zu stoppen, sie
sehen die Gefahr eines „Missbrauchs durch Betrüger“. Nach dem Gesetz, so
legt das Schreiben nahe, ist es viel zu leicht für ehemalige Sportler und
deren Nachkommen, als Dopingopfer anerkannt zu werden. In der Tat sind die
Hürden, die das zuständige Bundesverwaltungsamt in einem „Hinweisblatt für
das fachärztliche Gutachten“ formuliert, nicht allzu hoch. Die
Wahrscheinlichkeit, dass Schädigungen von Dopingpräparaten herrühren, muss
nicht größer sein als 50 Prozent.
Zudem heißt es, dass „es ohne Relevanz ist, ob der Gesundheitsschaden
gegenwärtig noch vorliegt oder Folgen hinterlassen hat“. Auch deshalb wird
in dem Schreiben an die Abgeordneten festgehalten: „Das Gesetz war immer
schon eine Einladung zum fortwährenden Betrug durch damals dopende
Sportler, die heute behaupten, nichts gewusst zu haben.“ Nun erwägt sogar
der dopinggeständige Christian Schenk, sich vom Bund entschädigen zu
lassen.
Für Claudia Lepping ist das Grund genug, sich mit den Begrifflichkeiten
genau auseinanderzusetzen. Als Opfer könnten nur die bezeichnet werden, die
als Kinder und Jugendliche in das Leistungssportsystem der DDR
„hineingerasselt“ seien und denen man ohne ihr Wissen Dopingmittel
verabreicht habe. Einer wie Schenk, der gewiss zu leiden hat an seiner
Krankheit, kann in diesem Sinne kein Opfer sein. Er hat gedopt und wusste
das. Er kannte die Nebenwirkungen der Medikamente, die man ihm gab, nicht.
Als solcher ist er vielleicht ein Geschädigter im Sinne des
Strafgesetzbuches, und der Trainer, der ihm die Pillen gab, mag der
Körperverletzung schuldig sein. Ein Dopingopfer ist er für die vier
Briefschreiber aber nicht.
Der Verein Doping-Opfer-Hilfe e. V. sieht das anders. [4][Deren Vorsitzende
Ines Geipel] meint, dass „ohne Wissen“ gedopt eben auch bedeuten kann, dass
der Sportler nicht über die möglichen Folgen seines Medikamentenkonsums
aufgeklärt war. „So schnell kann man also vom Dopingtäter zum Opfer
werden“, meint Claudia Lepping dazu.
17 Nov 2018
## LINKS
[1] /Olympiasieger-Christian-Schenk/!5532508
[2] /Doping-im-Leistungssport/!5056837
[3] /Kolumne-Pressschlag/!5546843
[4] /Streit-im-Doping-Opfer-Hilfeverein/!5542572
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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