# taz.de -- Bayrische Provinzposse: Back ma's! | |
> Das OLG München ist zu keiner endgültigen Entscheidung in der Causa | |
> „nackte Breze“ gekommen. Bedauerlich – aber bald ist alles anders. | |
Bild: Breze, eindeutig zubereitet | |
Mit der Breze ist es so eine Sache. Manchmal hat sie ein „l“ hintendran und | |
manchmal wird sie statt mit langem „e“ so ausgesprochen, als hätte sie | |
etwas mit dem Hunnenkönig Etzel zu tun, der vielen unter dem Namen Attila | |
bekannt ist. | |
Wer die backfrische Rösche an einer Breze besonders schätzt, wird in Bayern | |
fündig werden. Und wer auf die schwäbische Variante steht, wird kein | |
Geräusch hören, wenn er in das weiche Gebäck beißt. Wer am Bahnhof bei der | |
Kette mit dem passenden Namen Ditsch eine Breze mit l gekauft hat, muss | |
glauben, dass Gummi im Teig mitverarbeitet wird und wer in einem | |
bayerischen Biergarten eine Riesenbreze ohne l zu seiner Mass Bier kauft, | |
wird sich fragen, ob im Freistaat eigentlich alles größer sein muss als | |
andernorts in Deutschland. Jetzt ist die schnörkelige Backware vor dem Kadi | |
gelandet und die ganze Republik [1][wartet] auf die Entscheidung des | |
Oberlandesgerichts München in der Causa „nackte Breze“. | |
Da ist am Donnerstag die Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren | |
Wettbewerbs gegen eine Bäckereikette verhandelt worden, die an einem | |
Sonntag und am Pfingstmontag im Jahre des Herrn 2016 verbotenerweise Brezen | |
und Semmeln verkauft hat. An einem Sonntag ist das nach den Regeln des | |
deutschen Ladenschlussgesetzes nur drei Stunden lang erlaubt. In Bayern | |
wird darauf so streng geachtet wie auf das Tanzverbot am Gedenktag für die | |
Hinrichtung Jesu. Weil in den Bundesländern, an deren Behördeneingängen | |
keine Kreuze zu hängen haben, großzügigere Regelungen herrschen, liegt die | |
Frage nahe, warum beim Thema Sonntagsbreze die Uhren in Bayern anders gehen | |
als andernorts. | |
Die Bäckereien, die einen Cafébetrieb unterhalten, der den ganzen heiligen | |
Sonntag läuft, dürfen nur zubereitete Speisen verkaufen, wenn die drei | |
Stunden abgelaufen sind. Eine Semmel ohne was drauf darf es dann nicht mehr | |
geben. Aber eine Breze? Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, | |
eine Selbstkontrollinstitution der deutschen Wirtschaft, will nun endlich | |
Rechtssicherheit. Es soll unter anderem geklärt werden, ob eine Breze mit | |
nichts drauf, eine nackte Breze also, als zubereitetes Lebensmittel gilt | |
oder nicht. | |
## Breze gegen Kinderjammern | |
Dass man das Laugengebäck als solches ohne weitere Zutaten wie zum Beispiel | |
Butter verzehren kann, wissen in Bayern schon die kleinsten Kinder, steckt | |
man ihnen statt Schnuller doch nicht selten einfach ein Stück Breze in den | |
Mund, um jedwede Jammerei frühzeitig mit abgebackenem Teig zu ersticken. | |
Auch die großen Biergarten- und Oktoberfestbrezen, für die pro Exemplar | |
mehr als ein halbes Kilo Teig verbacken wird, wandern meist ohne Aufstrich | |
in die Trinkermägen, um denen dabei zu helfen, große Mengen alkoholhaltiger | |
Flüssigkeiten zu verarbeiten. | |
Die Breze ist also ein vollendetes Produkt, das keiner weiteren | |
Verfeinerung bedarf. Demnach könnte man sie glatt als zubereitete Speise | |
bezeichnen und sie von der Dreistundenregel ausnehmen. Ob das Gericht das | |
ebenso sieht, wird demnächst verkündet. | |
Um die Dreistundenregel selbst wird übrigens nicht gerungen bei der | |
Auseinandersetzung. Es geht nicht um den heiligen Sonntag an sich. Eine | |
belegte Semmel darf im Bäckereicafé ja sowieso verkauft werden. Dafür muss | |
sie von jemandem gebacken und [2][belegt] werden. Das darf den ganzen | |
Sonntag gemacht werden. Um Arbeitnehmerschutz geht es also nicht beim Kampf | |
um die nackte Breze. | |
Das Problem löst sich in einer Stadt wie München vielleicht bald schon auf | |
ganz andere Weise. Wenn sich niemand mehr findet, der sonntags Semmeln | |
backt und verkauft, weil er sich von der Handvoll Euro, die man ihm dafür | |
zahlt, die Miete für den Schuhkarton im Vorort Puchheim Bahnhof, in dem er | |
mit seiner Familie lebt, nicht mehr leisten kann, dann wird es die meisten | |
Bäckereien eh bald nicht mehr geben. | |
13 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.bislang-keine-rechtsklarheit-geri… | |
[2] http://www.ringsgwandl.net/text68.htm | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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