# taz.de -- Kommentar Weltkriegsgedenken: Internationalismus ist nötiger denn … | |
> Das Ende des Ersten Weltkiegs war der Beginn einer regelbasierten | |
> Weltordnung. Das Erinnern daran ist auch noch heute wichtig. | |
Bild: Rund 60 Staats- und Regierungschefs sind zu einer Gedenkfeier nach Paris … | |
[1][Das Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges] bleibt in Europa | |
geteilt. In Frankreich und Großbritannien prägt das Massenschlachten von | |
1914 bis 1918, das ein Viertel der Menschheit direkt betraf und fast 20 | |
Millionen militärische und zivile Opfer forderte, die nationale | |
Gedenkkultur. Im Geschichtsbewusstsein der Deutschen ist es hingegen zu | |
einer Randnotiz verkommen. | |
Dieses Vergessen verleitet in Deutschland zu einem Vergessen der Grundlagen | |
der regelbasierten internationalen Weltordnung, deren Verteidigung die | |
deutsche Außenpolitik sich eigentlich auf die Fahnen schreibt. Der Erste | |
Weltkrieg war der erste der Geschichte, dessen Beendigung nicht nur Sieg | |
und Niederlage festschrieb, [2][sondern auch eine Weltordnung zu gründen | |
versuchte, die solche Kriege unmöglich machen sollte]. | |
Nicht nur war der militärische Eintritt der USA in den Krieg ab 1917 an der | |
„Westfront“ kriegsentscheidend – der politische Vorstoß der USA, Frieden | |
mit Deutschland von politischen Bedingungen abhängig zu machen, läutete ein | |
neues Zeitalter ein. Nie zuvor waren Ideen wie die Selbstbestimmung der | |
Völker, nationale Abrüstung und eine auf Regeln statt auf Geheimdiplomatie | |
fußende internationale Sicherheitsarchitektur zu Fundamenten eines | |
Friedens erklärt worden. | |
## Die Sprengkraft von Wilsons Idee ist ungebrochen | |
[3][Die Idee des damaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson], an die Stelle | |
des ewigen Machtwettbewerbs der Nationen eine globale Rechtsordnung zu | |
setzen, ist das eigentliche revolutionäre Erbe des Jahres 1918. Sie wurde | |
danach von reaktionären Kräften bekämpft und schließlich zu Fall gebracht. | |
Hitler und Stalin stehen an der Spitze der Staatsführer, die weiterhin in | |
Kategorien von territorialer Ausdehnung, von unbeschränkter nationaler | |
Souveränität, von Einflusssphären und von Lebensräumen dachten und | |
handelten. | |
Doch die Sprengkraft von Wilsons Idee ist ungebrochen. Und es kennzeichnet | |
die tiefe intellektuelle und politische Konfusion der Gegenwart, dass die | |
Grundsätze von 1918 heute sogar von manchen Kräften, die sich als | |
progressiv definieren, abgelehnt werden – weil sie nicht nur eine | |
Weltordnung begründen, sondern auch ein internationalistisches | |
Selbstverständnis der USA als Weltpolizist. Humanitäre Interventionen oder | |
Schutzverantwortung sind in der deutschen außenpolitischen Debatte fast zu | |
Unworten verkommen, weil sich niemand mehr erinnern mag. | |
Diejenigen, die die alte Welt des Dauerkonflikts schätzen, wähnen sich | |
wieder einmal auf der Siegerseite der Geschichte: Putin und Trump, Xi und | |
Erdoğan, Assad und Kim, Bolsonaro und Duterte, Maduro und Bashir, Orbán und | |
Salvini, um nur einige zu nennen. Ihre Geisteshaltung führte vor 100 Jahren | |
in die Katastrophe. Damals war Internationalismus nötig, um die Welt wieder | |
aus dem Abgrund herauszuführen. Heute auch. | |
11 Nov 2018 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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