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# taz.de -- Weltkriegsgedenken in London: Erinnerung an Soldaten aus Kolonien
> Eine eigene Zeremonie im multikulturellen Brixton im Süden Londons
> erinnert an die afrikanischen und karibischen Toten.
Bild: Der 11. November 2018 am neuen Kriegerdenkmal in Brixton
London taz | Die Zeremonie beginnt mit Trommeln. Professor Gus John aus
Grenada nimmt kein Blatt vor den Mund. „Die Soldaten aus der Karibik und
Afrika in den beiden Weltkriegen lebten in von Großbritannien besetzten
Gebieten und hatten vorher die Sklaverei erfahren“, deklamiert er.
„Trotzdem verschrieben sich diese Menschen, um freiwillig für
Großbritannien zu kämpfen“.
Am Windrush Square in Brixton, dem am stärksten afrokaribisch geprägten
Stadtteil Londons, stehen an diesem Sonntag mehrere hundert Personen und
gedenken der über zwei Millionen Soldaten aus Afrika und der Karibik, die
im Ersten Weltkrieg dem britischen Empire dienten.
Überall in Großbritannien gibt es an diesem 11. November
Erinnerungszeremonien bis in den Abend, 100 Jahre nach dem Ende des Ersten
Weltkrieges. Diese hier ist den anderen ähnlich – und irgendwie ganz
anders.
Am Zenotaph, dem Mahnmal für die toten Soldaten in der zentralen Straße
Whitehall im Londoner Regierungsviertel, nehmen sämtliche wichtigen
britischen Politiker und sogar der deutsche Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier an der traditionellen Kranzniederlegung unter Führung der
Königsfamilie teil – der traditionelle „Remembrance Sunday“. Im
multikulturellen Brixton ist es erst das zweite Mal, dass dieser Tag
begangen wird.
## „Solche Denkmäler müssten überall stehen“
Das Denkmal für die schwarzen Soldaten wurde erst nach langer Kampagne der
Black-History-Gruppe Nubian Jak im Juni 2017 enthüllt und ist das erste
dieser Art in ganz Europa.
„Solche Denkmale müssten eigentlich überall stehen, in Birmingham,
Manchester und in Whitehall, und nicht nur in Brixton, denn wir sind
überall Teil Großbritanniens“, sagt Grundschullehrerin Jenny Nembhard, die
hierher zum öffentlichen Miterinnern gekommen ist. Ihr fehlt in dem
dreieckigen Kunstwerk mit einem schwarzen Vulkanitobelisken jedoch eine
größere Dimension.
Der in Trinidad geborene Alwin Chayquene, 92 Jahre alt und Veteran des
Zweiten Weltkrieges, legt einen Kranz nieder und erklärt sich in fließendem
Deutsch – er war jahrelang in Hamburg stationiert.
Das Denkmal stehe seiner Meinung nach genau am richtigen Ort, hier am
Windrush Square, denn viele der Nachfahren der karibischen und
afrikanischen Soldaten der Weltkriege leben hier. „Das Denkmal bedeutet für
mich aber auch, dass unsere Leistungen endlich anerkannt werden“, sagt er.
Jugendsozialarbeiter Criss Jones, 56, stimmt zu. Der Armeeveteran, dessen
Vater aus Jamaika nach Großbritannien kam und ebenfalls in der britischen
Armee diente, versteht die Gedenkfeier als Zeichen der Zugehörigkeit.
„Gerade für meine jungen Leute ist das wichtig“, erklärt er. „Denn sie
glauben irrtümlich, dass schwarze Menschen nichts geleistet hätten.“ Das
Denkmal und die Geschichten bewiesen nun das Gegenteil.
## Die Frage der Zugehörigkeit
Man habe ihnen ihre Ebenbürtigkeit verweigert, sagt Professor Gus John, ja
es habe 99 Jahre gedauert bis dieses Denkmal zu ihrem Andenken aufgestellt
wurde. Die Frage der Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit zu Großbritannien
ist für die afrikanischen und karibischen Gemeinschaften des Landes immer
noch zentrales Thema, sagt er.
Das betrifft die Fragen, die sich durch den Brexit stellen, ebenso wie den
„Windrush-Skandal“, bei dem sich manche langjährigen Einwanderer aus der
karibischen Kolonialzeit mangels Papiere plötzlich ohne Aufenthaltstitel
wiederfanden.
Mit einer nigerianischen Yoruba-Zeremonie wird jener gedacht, die im Kampf
um Befreiung von den Briten starben. Dieser Kampf und der Kampf um die
Befreiung Europas hängen zusammen. Zum Abschluss wird in den Beeten vor dem
Denkmal Erde aus den französischen Schlachtfeldern an der Somme gelegt.
11 Nov 2018
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Schwerpunkt Erster Weltkrieg
Kolonialismus
Großbritannien
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UN
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