| # taz.de -- Faschist Jair Bolsonaro gewinnt Stichwahl: Brasiliens menschenverac… | |
| > Der Rechtsextremist Bolsonaro wird neuer Präsident Brasiliens. Der linke | |
| > Kandidat spricht Mut zu und fordert die Verteidigung des Rechtsstaats. | |
| Bild: Gewinnt die Wahl in Brasilien: der Rechte Jair Bolsonaro | |
| Rio de Janeiro taz | Fassungslos verfolgt eine Gruppe junger Leute den | |
| Wahlausgang in einer Kneipe im Zentrum von Rio de Janeiro. Das Ergebnis | |
| [1][ist wie vorhergesagt]: 55 Prozent, fast 58 Millionen Brasilianer und | |
| Brasilianerinnen, haben für den rechtsextremen Ex-Militär Jair Bolsonaro | |
| gestimmt. Das [2][bisschen Hoffnung] auf eine Trendwende, die in den | |
| letzten Tagen eines hektischen, verzweifelten Wahlkampfes plötzlich möglich | |
| schien, zerbricht. Viele umarmen sich, Tränen fließen. Aufmunternde Worte | |
| werden gemurmelt, doch sie kommen nicht an gegen die Frage, die die Gegner | |
| Bolsonaros sich in diesem Moment stellen: [3][Wie kann es sein], dass mein | |
| Land einen Faschisten, einen Rassisten, einen Frauenfeind, wählt? Jemanden, | |
| der Brasilien wieder in die 70-er Jahre der Militärdiktatur zurückbeamen | |
| will. | |
| Einige Tische weiter bricht zur gleichen Zeit Jubel aus. „Mito, Mito, | |
| Mito,“ – zu deutsch der Mythos, wie Bolsonaro von vielen Anhängern genannt | |
| wird – wird in Sprechchören gerufen. Hupende Autos, darunter viele Taxis | |
| und Polizeiwagen, werden bejubelt. „Jetzt ist endlich Schluss!“ sagt ein | |
| Mann eher zu sich selbst und meint damit wohl ein Brasilien, das ihm schon | |
| lange nicht mehr gefällt. Fast kommt es zu ersten Wortgefechten. Wenige | |
| Ecken weiter – so ist später im Internet zu lesen – gab es Verletzte, | |
| nachdem offenbar rechte Männer gegen Menschen mit Aufklebern von | |
| [4][Fernando Haddad] und seiner Arbeiterpartei vorgingen. | |
| Haddad verlor die Wahl deutlich. Die Niederlage wäre ohne die Stimmen | |
| derer, die nur auf keinen Fall für Bolsonaro stimmen wollten, noch viel | |
| deutlicher ausgefallen. Er gestand seine Niederlage ein, gratulierte dem | |
| Sieger aber nicht. Zur Begründung sagte Haddad, Bolsonaro habe gedroht, ihn | |
| ins Gefängnis zu werfen. Seinen Anhängern sprach er im Fernsehen Mut zu: | |
| „Habt keine Angst, wir werden gemeinsam widerstehen.“ Die große Minderheit, | |
| die nicht für den Weg des Hasses auf Andersdenkende, Frauen und | |
| Homosexuelle gestimmt habe, verdiene Respekt. „Es steht viel auf dem Spiel. | |
| Deswegen müssen wir die demokratischen Institutionen verteidigen und dürfen | |
| uns nicht provozieren lassen“, erklärte der ehemalige Bürgermeister von São | |
| Paulo. | |
| In vielen Städten feierten Tausende den Wahlsieg Bolsonaros. In Rio de | |
| Janeiro versammelte sich eine Menge in grüngelben Nationalfarben vor seinem | |
| Haus am Strand des schicken Stadtteils Barra da Tijuca. Bolsonaro erschien | |
| nicht, doch verlas er vor seiner Haustür eine Presseerklärung. Anders als | |
| gewohnt gab er sich als Staatsmann, der seine Worte abwägt: „Meine | |
| Regierung wird die Verfassung, die Demokratie und die Freiheit verteidigen. | |
| Dies schwöre ich vor Gott.“ Er werde aus Brasilien eine große, wohlhabende | |
| und freie Nation machen. Er kündigte eine Entbürokratisierung des Staates | |
| an, und dass er „alles Ideologische“ aus den Schulen und dem | |
| Bildungsministerium verbannen werde. Als einziger Wert gelte die Familie. | |
| Und ohne zu merken, das das eigentlich völlig selbstverständlich sein | |
| müsste, versprach er „Respekt vor unterschiedlichen politischen und | |
| religiösen Haltungen“. | |
| ## Trump gratulierte als einer der Ersten | |
| Kurz zuvor schlug er auf Facebook, wo er sich medial viel eher zuhause | |
| fühlt als bei Presseerklärungen, einen weniger versöhnlichen Ton an. Er | |
| habe jetzt das Mandat, „unser Brasilien zu retten“ und dafür zu sorgen, | |
| dass die Zeit des Sozialismus nicht wiederkehre, sagte Bolsonaro mit Blick | |
| auf die Arbeiterpartei, die von 2003 bis 2016 regierte. Die Drohung, seine | |
| politischen Gegner nach einem Wahlsieg zu verfolgen, erneuerte er nicht. | |
| US-Präsident Donald Trump war laut Bolsonaro einer der ersten Gratulanten. | |
| Auch die konservativen Präsidenten aus Chile und Argentinien meldeten sich | |
| umgehend. Ein weiterer Staat, und diesmal eine wichtige Regionalmacht, ist | |
| nun fest in rechter Hand. Und [5][der Präsident setzt neue Maßstäbe], denn | |
| zumindest im menschenverachtenden Diskurs ist er Trump, Orbán oder Erdogan | |
| um einiges voraus. | |
| Der Rechtsruck im größten Land Lateinamerikas ist umfassend. Auch die | |
| Gouverneure von 13 Bundesstaaten und des Hauptstadtdistrikts Brasilia | |
| wurden im zweiten Wahlgang neu bestimmt. In den drei bevölkerungsreichsten | |
| Staaten São Paulo, Minas Gerais und Rio de Janeiro gewannen jeweils | |
| konservative Kandidaten, die dem neuen Präsidenten politisch nahe stehen. | |
| Im kleinen Bundesstaat Rio Grande do Norte gewann Fátima Bezerra von der | |
| Arbeiterpartei PT als einzige Frau einen von 27 Gouverneursposten. | |
| Abgesehen vom verarmten Nordosten, wo die PT oder ihre Bündnispartner alle | |
| Gouverneure stellen, rückte der Rest Brasiliens wie auch das Parlament und | |
| der Senat in Folge dieser Wahl deutlich nach rechts. | |
| 29 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Behn | |
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