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# taz.de -- Die Wahrheit: Der Teufel zu Besuch
> Ein mysteriöser Anruf von einem Freund, der in einem einsamen Landhaus
> ist. Steht das Böse schlechthin vor der Tür und scharrt mit den Hufen?
Ich hatte Raimund davon abgeraten. Das Landleben sei nichts für ihn. Zu
wenig Trubel, zu wenig Häuser, um die man ziehen könnte. „Du wirst dich
langweilen wie eine Auster bei Ebbe“, hatte ich gesagt. „Quatsch“,
erwiderte er: „Die Stille, die Weite – das ist genau das Richtige, wenn man
älter wird.“ Und dann hatte er Axel und Marion zugesagt, ihre hungrigen
Hühner zu füttern, während sie sich zwei Wochen lang die volle Dröhnung
London geben wollten.
Gleich am ersten Abend rief er an. Ich saß im Café Gum und langweilte mich
mindestens wie ein Seestern, weil’s an der Theke des Gum nur halb so
spannend ist, wenn Raimund woanders Hühner füttert. Allerdings ließ ich mir
das nicht anmerken.
„Na, schon Heimweh?“, fragte ich. Er flüsterte: „Irgendwas schleicht hier
ums Haus.“ – „Klar“, sagte ich: „Fuchs und Hase auf dem Weg zum
Gute-Nacht-Sagen.“ – „Blödsinn!“, zischte er: „Es schnauft und stink…
man hört Hufgeklapper!“ – „Hm“, sagte ich: „Hast du den Pferdestall …
zugemacht?“ Erstaunlich, dass Raimund bloß anzurufen brauchte, damit der
Abend lustiger wurde.
Er fand das allerdings nicht lustig. „Mann!“, motzte er: „Es hat Hörner …
glühende Augen!“ – „Ein Pferd mit Hörnern?“ – „Hör endlich auf! …
Teufel sein, verstehst du?!“ Dann klopfte es bei ihm.
„Das war an der Tür!“, hauchte er. Ich verzichtete auf die nächste
sarkastische Bemerkung. „Raimund“, sagte ich im väterlichen Tonfall des
erfahrenen Raimund-Therapeuten: „Der Teufel ist sicher viel zu sehr damit
beschäftigt, irgendwo verlorene Seelen einzusammeln, als dass er Zeit
hätte, bei dir vorbeizuschauen.“ Es klopfte wieder.
„O Gott, was soll ich bloß machen?!“ – „Geh hin und mach auf! Bestimmt
sind’s die Nachbarn, die zur Begrüßung mit dir ums Feuerwehrhäuschen ziehen
wollen.“ – „Aber dieses Schnaufen und Kratzen!“ – „Jetzt geh schon!…
Es klopfte noch einmal. Ich hörte, wie er zur Tür ging – dann folgte ein
gewaltiger Lärm, ein Gerumpel, Geklirr … und die Verbindung brach ab.
„Oha“, murmelte ich. Ich überlegte, ob ich die Polizei rufen sollte,
fürchtete aber, mich lächerlich zu machen, und weil im Gum niemand mehr
fahren konnte, rief ich mir ein Taxi und ließ mich für ein Vermögen zum
Rand der Erdscheibe kutschieren.
Raimund blutete am Kopf und saß in einem verwüsteten und infernalisch
stinkenden Wohnzimmer. Den Schlammspuren nach zu urteilen, war etwas zur
Vordertür hereingerannt, durchs Wohnzimmer gekreiselt und zur Terrassentür
wieder hinausgaloppiert. Das Etwas lag, von einem Nachbarn mit einer Flinte
niedergestreckt, mausetot im Kräuterbeet. Es war ein Wildschwein.
Ein paar Dorfbewohner zerlegten es bereits in Bratenstücke, andere
schenkten Raimund einen Korn ein, und als er sich beruhigt hatte, sagte er
zu mir: „‚Geh hin und mach auf …‘ – Super-Ratschlag! Zur Belohnung da…
du hier aufräumen, bis Axel und Marion wieder da sind. Du hast zwei Wochen
Zeit.“
30 Oct 2018
## AUTOREN
Joachim Schulz
## TAGS
Teufel
Gefahr
Freundschaft
Yoga
Hafenstraße
Wohngemeinschaft
Stricken
Helikoptereltern
Geister
Reiseland Spanien
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