# taz.de -- Hamburger Debatte ums Feierabendparlament: Grüne fordern Vollzeit | |
> Beruf und Abgeordnetenmandat – das lässt sich schwer miteinander | |
> vereinbaren. Deshalb verlässt die grüne Schulpolitikerin Stefanie von | |
> Berg die Bürgerschaft. | |
Bild: Heizt mit ihrem Ausscheiden aus dem Parlament eine alte Debatte neu an: S… | |
Hamburg taz | Ihr Abschied war gut inszeniert: Via Hamburger Abendblatt | |
verkündete Stefanie von Berg, bildungspolitische Sprecherin der | |
Grünen-Fraktion, am Dienstag ihr baldiges Ausscheiden aus der Hamburger | |
Bürgerschaft. Schon in der kommenden Woche soll Schluss sein. | |
Der Grund: Von Berg, die das Studienseminar Stade für das Lehramt an | |
berufsbildenden Schulen leitet, kann die Doppelbelastung von Beruf und | |
Bürgerschaft nicht mehr schultern. Aufgrund der Erhöhung der | |
Ausbildungskapazitäten in Stade muss sie zum 1. November von 30 Stunden auf | |
eine Vollzeitstelle aufstocken. „Ich hatte mit Politik und Beruf schon | |
bislang eine 60- bis 80-Stunden-Woche“, so von Berg gegenüber der taz. | |
Für sie rückt jetzt der grüne Eimsbütteler Bezirksabgeordnete Dominik | |
Lorenzen nach, den Bildungsbereich übernimmt der Abgeordnete Olaf Duge. Von | |
Berg nutzt ihren Abgang, um die Debatte um das Teilzeitparlament in Hamburg | |
neu zu entfachen. Das sei „einfach Mist. Aus. Ende“, postete sie auf ihrer | |
Facebook-Seite und löste damit einen von den Grünen erwünschten Diskurs | |
aus. | |
Vor vier Jahren hatte zuletzt der heutige Grüne Umweltsenator Jens Kerstan | |
die Diskussion entfacht, ob Hamburg ein Berufsparlament brauche mit | |
entsprechend höheren Bezügen für die Abgeordneten. Die Argumente dafür sind | |
bekannt: Während bestimmte Berufsgruppen – vor allem Beamte und | |
Selbstständige – Job und Parlament miteinander vereinbaren oder auf | |
Teilzeit gehen können, bleibt anderen Berufstätigen der Weg in die | |
Bürgerschaft verschlossen. „Die anspruchsvolle Arbeit in einem | |
vermeintlichen Teilzeitparlament ist auf Dauer kaum mit einem | |
anspruchsvollen Führungsjob zu vereinbaren“, sagt auch Grünen-Fraktionschef | |
Anjes Tjarks. | |
Bislang beißen die Grünen mit ihrer Vollzeit-Forderung noch auf Granit. | |
Dirk Kienscherf, Chef der SPD-Fraktion, konstatiert allerdings, dass „die | |
Arbeitsbelastung im Parlament kontinuierlich zugenommen“ habe und es | |
„schade“ sei, „wenn Abgeordnete ihr Mandat niederlegen müssen“. Für d… | |
„Debatte über ein Vollzeitparlament“ werde „die Bürgerschaft Zeit | |
benötigen“. Dass dies irgendwann kommen werde, schließt Kienscherf immerhin | |
nicht aus. | |
## Aus der Praxis in die Politik | |
Denn auch die Mitglieder seiner Fraktion wissen, wie schwer der Spagat | |
zwischen Mandat, Familie und Job ist. Dass von Bergs „Beweggründe wohl die | |
allermeisten Kolleginnen und Kollegen gut nachvollziehen können“, glaubt | |
etwa der SPDler Uwe Giffei. Seine Parteifreundin Dorothee Martin schreibt | |
auf Facebook: „Ich kann sie verstehen.“ Gleichzeitig verteidigt sie die | |
Berufstätigkeit der Abgeordneten, weil „nur so Blickwinkel und praktische | |
Erkenntnisse aus vielen Richtungen möglich sind, um gute Politik zu | |
gestalten“. | |
Selbst der ehemalige Kieler Innenminister Andreas Breitner (SPD) mischte | |
sich in die Diskussion ein: Ein Berufsparlament neige dazu, „eine | |
Ansammlung von auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr Vermittelbaren“ zu werden, | |
die sich „an ihr Mandat klammern“. | |
Dem schließt sich die CDU an: Fraktionschef André Trepoll sagt gegenüber | |
der taz: „Wir wollen nicht die rote Linie hin zu einem Berufsparlament | |
überschreiten. Die Hamburger Abgeordneten stehen mit beiden Beinen mitten | |
im Leben und sind finanziell unabhängig von ihrem Mandat.“ | |
24 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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