# taz.de -- Altonaer Bezirkschefin über ihre Arbeit: „Ich bin ein politische… | |
> Vor einem Jahr wurde sie in Altona Hamburgs erste grüne | |
> Bezirksamtschefin: Stefanie von Berg über die Perspektiven des Bezirks. | |
Bild: Würde gern mehr durch Altona reisen: Stefanie von Berg | |
taz: Frau von Berg, sind Sie als Bezirksamtsleiterin mehr Politikerin oder | |
Verwaltungschefin? | |
Stefanie von Berg: Ich bin genau dazwischen. Ich bin zuvorderst Beamtin der | |
Stadt Hamburg. Aber ich bin auch ein zutiefst politischer Mensch, der zu | |
Themen Stellung nimmt, die nicht nur Altona betreffen. Da unterscheide ich | |
mich von vielen Bezirksamtsleitungen. | |
Was unterscheidet Sie noch von Ihren SPD-Kolleg*innen? | |
Klimaschutz und die damit verbundene Mobilitätswende haben für mich einen | |
deutlich größeren Stellenwert. Was nicht bedeutet, dass nicht auch unter | |
einer grünen Bezirkschefin mal Bäume gefällt werden müssen. | |
Gibt es auch eine andere Art, eine Behörde zu führen? | |
Ja, aber ich weiß nicht, ob das spezifisch grün ist. Ich bin ein sozialer | |
Mensch, gehe auf andere zu, lebe das Prinzip: „Führen durch Vorbild“ und | |
finde den Satz: „Wer führen will, muss fröhlich sein“ – auch wenn es | |
manchmal schwerfällt – richtig. | |
Was hat Sie in Ihrer Amtszeit am meisten beeindruckt? | |
Sehr viel dreht sich darum, die Pandemie zu wuppen. Mich beeindruckt, mit | |
wie viel Engagement die Mitarbeiter*innen durch die Coronakrise gehen. Fast | |
alle leisten nahezu klaglos erhebliche Mehrarbeit – auch an Wochenenden. | |
Und mit der Digitalisierung der Verwaltung sind wir – auch, aber nicht nur | |
durch Corona – weit gekommen. | |
Das heißt? | |
Es gab bei meinem Amtsantritt nur wenige Mitarbeiter*innen, die auch | |
Telearbeit gemacht haben und zu Hause voll ausgestattet waren. Inzwischen | |
sind wir bei etwa 70 Prozent angelangt, die gleich gut von ihrem Büro und | |
von Zuhause arbeiten können. Ziel ist es, hier auf annähernd 100 Prozent zu | |
kommen. Das wird nicht überall gehen: Eheschließungen kann man kaum digital | |
machen. | |
Sie haben den größten Teil ihrer bisherigen Amtszeit in der Pandemie | |
zugebracht. | |
Ich wollte viel mehr durch den Bezirk reisen, Bürgertreffs und Vereine | |
besuchen. Dass ich das nicht tun kann, ist schade. Und vieles andere wird | |
in Zukunft aufgrund der Finanzlage auch nicht mehr möglich sein. | |
Was erwartet die Bezirke? | |
Wenn es nicht einen wahnsinnigen Wirtschaftsaufschwung gibt, wird ab 2023 | |
das Geld knapp werden. Das trifft uns hart. Vieles abseits der | |
Grunddienstleistungen wird man im Bezirk kaum noch finanzieren können. Da | |
könnte ein wichtiger Klebstoff der Gesellschaft wegfallen. | |
In Altona wird mit wechselnden Mehrheiten regiert. Das macht es für Sie | |
nicht leicht. | |
Ich finde es richtig gut, dass ich durch diese Herausforderung gezwungen | |
bin, mit allen Fraktionen in engem Kontakt zu bleiben und einen intensiven, | |
vertraulichen Austausch zu pflegen. Das ist charmant, weil es sehr | |
sachorientiert ist. | |
Altona ist ein Bezirk extremer sozialer Unterschiede – mit den Elbvororten, | |
aber auch Lurup und dem Osdorfer Born. Ist diese soziale Schere Belastung | |
oder Herausforderung? | |
Das macht den Reiz dieses Bezirks aus. Es ist die Aufgabe, Lurup und Osdorf | |
so zu durchmischen und die soziale Infrastruktur zu stärken, dass wir keine | |
Brennpunkte mehr haben. Die soziale Durchmischung in Nienstedten und | |
Blankenese ist da schon schwieriger. Da habe ich für die | |
[1][Flüchtlingsunterkunft am Björnsonweg] gekämpft und mich auch dafür | |
beschimpfen lassen. | |
Dort sind die Fronten verhärtet. Einige Annwohner*innen werfen der Politik | |
Wortbruch vor. Kann es da noch ein Miteinander bei einer Lösung um die | |
zukünftige Verwendung der Flächen geben? | |
Es wird schwierig sein, diejenigen zu überzeugen, die ganz gegen die | |
Flüchtlingsunterkunft an dieser Stelle sind. Ich werde ihnen nur erläutern | |
können, wie sich das juristisch verhält. Es gibt aber viele Menschen, die | |
es gutheißen, dass da eine Flüchtlingsunterkunft ist und erst mal so | |
bleiben soll. Darauf will ich unser Handeln aufbauen. | |
Zeigt dieser Konflikt nicht, dass es in den Bezirken andere Formen der | |
Kooperation zwischen Bürger*innen, Politik und Verwaltung geben muss? | |
Es ist gut, wenn es einen Mix von Bürger*innen in einem Quartier gibt, die | |
sich mit ihrem Stadtteil und seinen Perspektiven beschäftigen und mit der | |
Politik in Kontakt treten, was man verändern kann. Das muss sich vor Ort | |
entwickeln und wir können den Prozess dann begleiten. Es gibt Beispiele wie | |
den Stadtteilbeirat in der Schanze, die Borner Runde oder das Luruper | |
Forum. Aber so etwas existiert nicht regelhaft, weder in Altona noch in | |
Hamburg. | |
Auch beim Projekt „[2][Autoarmes Ottensen]“ hat sich gezeigt, wie schwierig | |
das Thema Bürgerbeteiligung ist – Sie fanden eine sehr zerstrittene | |
Initiativenlandschaft vor. | |
Leider stehen sich einzelne Initiativen immer noch unversöhnlich gegenüber. | |
Um das Projekt ist es still geworden. Ein Update bitte! | |
Wir haben den Beschluss der Bezirksversammlung, Ottensen autoarm zu | |
gestalten. Es geht also nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie. | |
Wir wollen zusammen mit der Politik im Frühjahr konkrete | |
Umsetzungsvorschläge machen und natürlich die Anwohner*innen und | |
Gewerbetreibenden an unseren Planungen beteiligen. | |
Bleiben wir beim Verkehr. Wie konkret sind Ihre Pläne, das Schulterblatt am | |
Wochenende für Autos zu sperren? | |
Mit der Idee wollten wir der Situation auf dem Schulterblatt während der | |
Pandemie begegnen. Das Schulterblatt nur am Wochenende zu sperren, hätte | |
wohl eine Befeuerung der Ballermannisierung bewirkt. Wenn, dann muss man | |
das Schulterblatt dauerhaft autoarm machen und sich genau überlegen, wie | |
man den bisherigen Straßen- und Parkraum neu gestaltet. Ich möchte den | |
Menschen die Schanze als Wohnquartier, dessen Qualität zuletzt stark | |
gelitten hat, zurückgeben und den Weg dahin Schritt für Schritt mit den | |
Bewohner*innen entwickeln. | |
Beim Thema Sternbrücke haben Sie sich viel Unmut zugezogen, weil Sie | |
bereits im Mai die Entscheidung für die Mammut-Brücke als faktisch | |
unkorrigierbar bezeichnet haben. War das Ihr Job? | |
Mein Job war das nicht und ich hätte auch den Mund halten können. Ich habe | |
eine Planung vorgefunden, bei der die Weichen gestellt waren und eine | |
Umplanung mindestens 35 Millionen Euro zusätzlich verschlungen hätte. Das | |
habe ich ganz sachlich festgestellt. | |
Dabei waren Sie nie ein Fan der geplanten Konstruktion. | |
Diese Brücke ist überdimensioniert. Als ich das erste Mal eine Animation | |
von ihr gesehen habe, dachte ich an einen misslungenen Aprilscherz. | |
Die Magistralen, die großen Verkehrsadern, sollen für den Wohnungsbau | |
entwickelt werden. Wie wollen Sie dort eine annehmbare Wohnqualität | |
schaffen? | |
Das Thema „Leben entlang der Hauptstraßen“ wurde vor Jahren in Altona | |
geboren und ist eng verknüpft mit einer Mobilitätswende. | |
Magistralenentwicklung heißt nicht, eine Straße, durch die täglich 85.000 | |
Autos donnern, am Rand mit achtstöckigen Wohnblocks zu bebauen. Die | |
Voraussetzung ist ein neuer Mobilitätsmix mit deutlich weniger Autoverkehr, | |
Protected Bike-Lanes, separaten Busspuren und viel Platz für | |
Fußgänger*innen. | |
Und architektonisch? | |
Es muss eine Bebauung entstehen, die durch Orte der Entspannung wie Parks | |
aufgelockert wird, unterschiedliche Bauhöhen aufweist und durch eine | |
verbesserte Infrastruktur der Nahversorgung flankiert wird. Wir dürfen auch | |
mal höher bauen, aber dann ansprechende Quartiere, die wir mit grünen | |
Fassaden und Dachgärten gestalten, die das Stadtklima verbessern und | |
Aufenthaltsqualität schaffen. | |
29 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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