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# taz.de -- Kolumne Psycho: Toiletten und Bedürfnisse anderer Art
> Wie man sich Menschen mit psychischen Problemen gegenüber am besten
> verhalten soll, fragen Sie sich? Ein Blick auf's Klo erklärt es.
Bild: Wie frauenfeindlich ist diese Toilette?
Wieder und wieder werde ich gefragt, wie man sich Menschen mit psychischen
Problemen gegenüber am besten verhalten soll. Einfache Antwort: Seien Sie
kein Arsch. Und jetzt die Langversion.
Waren Sie in letzter Zeit mal auf einer öffentlichen Toilette? Es muss gar
nicht unbedingt ein Dixi-Klo sein, das im Restaurant zählt auch. Oder im
Büro. Die meisten dieser Toiletten haben – abgesehen von der Besiedelung
mit Bakterien – etwas gemeinsam: Sie sind frauenfeindlich.
Wenn Sie sich jetzt fragen, was der Scheiß soll, sind Sie vermutlich ein
Mann. Oder eine Frau, die keine Handtasche besitzt und nicht menstruiert.
(Letztere haben auch [1][ihre Probleme mit öffentlichen Toiletten], aber
das ist eine andere Geschichte. Und ja, es gibt auch Männer mit Taschen
oder Rucksäcken, aber die sind in der Minderheit und werden deshalb
ausnahmsweise knallhart ignoriert.)
Abgesehen vom Konsens, dass sich auf dem Klo ein Klo zu befinden hat,
scheint nämlich alles andere unter „Kann, aber muss nicht“ zu laufen. Zum
einen die Möglichkeit, die Handtasche so zu deponieren, dass sie nicht mit
dem Boden in Berührung kommt. Zum anderen Tampons entsorgen zu können, ohne
dass die Klärwerke verstopfen oder die Toilette überläuft. Kurz: Auf jedes
Klo gehören ein Wandhaken und ein Mülleimer.
## Aus Scham schweigen
Ich bin mir ziemlich sicher, dass all diese Toiletten von Männern
konzipiert wurden. Stichproben in Badezimmern aus meinem männlichen
Bekanntenkreis bestätigen diese These. In 95 Prozent der Fälle: kein
Mülleimer weit und breit. Raten Sie mal, was jedes Mal die Antwort auf
meine Nachfrage war: „Da habe ich noch nie drüber nachgedacht.“ Und das,
obwohl diese Männer Mütter, Schwestern und Freundinnen haben.
Selbst wenn man das Glück hat, auf eine Toilette mit Mülleimer zu stoßen,
befindet sich darin mit großer Sicherheit keine Mülltüte. Ernsthaft, wie
stellen sich die Leute das vor? Werfen die ihre Essensreste in der Küche
auch einfach direkt in den Eimer, flatsch? Und dann leeren sie ihn aus,
stellen ihn hin und benutzen ihn weiter. Bäh.
Sie merken, ich schreibe mich in Rage. Vor ein paar Monaten noch war ich
beim Besuch von diesen schlecht ausgestatteten Toiletten nur kurz genervt.
Aber mittlerweile bin ich richtig sauer – weil dahinter ein System zu
erkennen ist, in dem sich Menschen nicht für die Bedürfnisse von anderen
interessieren. Beziehungsweise nicht mal darüber nachdenken. Und die
Betroffenen ganz oft schweigen, aus Scham.
Um den Bogen zu Menschen mit psychischen Problemen zu schlagen: Behandelt
sie nicht wie Frauen auf öffentlichen Toiletten. [2][Seid empathisch und
hört zu], auch wenn eure Welt eine ganz andere ist.
Und, bitte: Stellt endlich Mülleimer auf.
24 Oct 2018
## LINKS
[1] /Unisextoiletten-in-Berliner-Verwaltung/!5255316
[2] /Hashtag-MeTwo/!5520297
## AUTOREN
Franziska Seyboldt
## TAGS
Psycho
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