| # taz.de -- Kolumne Psycho: Vorhof der Kuscheltiere | |
| > Die eigene Wohnung soll die Persönlichkeit widerspiegeln. Warum teilen | |
| > sich erwachsene Menschen diese mit einem überdimensionalen Bär? | |
| Bild: Kostet 849 Euro: der schlafende Bär von Vitra | |
| Ende Januar fand in Köln die internationale Möbelmesse statt. Für | |
| diejenigen, die mit ihrer Wohnung mehr verbinden als die monatliche | |
| Überweisung der Miete, sind die Trends des Jahres nicht besonders | |
| überraschend: Das Material der Stunde ist Holz, Grünpflanzen sind | |
| unerlässlich und Vitrinen wichtig, um – Zitat imm cologne – „stolz unsere | |
| Schätze zu präsentieren“. | |
| Klingt nach Rollback in die 50er, hat aber vor allem damit zu tun, dass | |
| Wohnraum begrenzt ist und man es sich halt auch ohne Balkon so gemütlich | |
| wie möglich machen will. Und dass Städte anstrengend sind. Zahlreiche | |
| Studien zeigen, dass das Risiko einer psychischen Erkrankung dort deutlich | |
| höher ist als auf dem Land. Die Wohnung ist für diejenigen, die es sich | |
| leisten können, also viel mehr als nur ein Dach über dem Kopf; und zudem | |
| soll sie vom Klo bis zum Nachttisch die Persönlichkeit des Bewohners | |
| widerspiegeln. | |
| Ich nehme mich da gar nicht aus. Mein Interesse für Einrichtung grenzt an | |
| Besessenheit, ich habe sogar einen Plan mit dem Grundriss meiner Wohnung in | |
| der Schreibtischschublade, auf dem ich meine maßstabsgetreu | |
| ausgeschnittenen Papiermöbel hin- und herschieben kann. Dazu ein Abo einer | |
| Wohnzeitschrift und sämtliche Newsletter einschlägiger Blogs. Aber es gibt | |
| auch Grenzen. | |
| Die aktuelle kostet 849 Euro und ist ein strickstoffummantelter, | |
| schlafender Bär. Während der Möbelmesse bewohnte er ein Pop-up-Appartement | |
| der Wohncommunity SoLebIch.de und dient laut Hersteller Vitra wahlweise als | |
| Hocker, Fußablage „oder einfach zum Anlehnen“. Aber vor allem ist er eben: | |
| ein Möbelstück in Tierform. Für Erwachsene. Das wirft Fragen auf. | |
| ## In Leckerli umgerechnet | |
| Immerhin eine wird vom schwedischen Designduo Front, das für die Serie | |
| „Resting Animals“ verantwortlich ist (es gibt auch noch eine dösende Katze | |
| aus Porzellan und zwei schlafende Vögel), selbst beantwortet. Offenbar | |
| haben Anna Lindgren und Sofia Lagerkvist durch langjährige Beobachtung und | |
| Befragungen herausgefunden, dass der Anblick schlafender Tiere eine | |
| beruhigende Wirkung auf Menschen hat. | |
| Und alle Haustierbesitzer*innen so: Erzähl mir was Neues. | |
| Weitere Fragen bleiben ungeklärt. Erstens: Haben die Leute keine Eltern, | |
| Kinder, Freund*innen, Lebensgefährt*innen, Nachbar*innen, mit denen sie | |
| kuscheln können? Zweitens: Kann man nicht einfach ein Kind machen und | |
| abends, bei akutem Stress, ins Kinderzimmer schleichen und sich neben die | |
| Kuscheltiere legen? Drittens: 849 Euro?! Als ich meinem Hund davon erzählt | |
| habe, hat er das sofort in Leckerli umgerechnet. 47 Kilo, das reicht für | |
| zweieinhalb Jahre! | |
| Aber gut, ein echtes Tier hilft eben nicht nur gegen Depressionen – es | |
| hüpft im Zweifel auch auf das schicke Samtsofa. Anscheinend ist das nicht | |
| die Art von Persönlichkeit, die in der Wohnung gezeigt werden soll. Schade | |
| eigentlich. | |
| 6 Feb 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Franziska Seyboldt | |
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