| # taz.de -- Das Konzept von Freundschaft: Schön, wenn du absagst | |
| > Zeit mit den FreundInnen zu verbringen, ist meistens schön. Allerdings | |
| > können geplatzte Verabredungen noch schöner sein. | |
| Bild: Ein Feierabendbier mit FreundInnen kann richtig schön sein – wenn es k… | |
| Um das direkt mal klarzustellen: Ich liebe meine FreundInnen. Es ist | |
| wichtig, dass Sie sich diesen Satz merken und in Ihrem Herzen bewegen, denn | |
| die folgenden Zeilen könnten sonst leicht falsch verstanden werden. Also: | |
| Ich liebe [1][meine FreundInnen, und ich liebe es, sie zu treffen] – aber | |
| ich habe sie noch lieber, wenn sie absagen. | |
| Ja, ja, ich höre schon die empörten Ausatmer. Da hat wohl jemand das | |
| Konzept Freundschaft nicht verstanden, hm? Schließlich liegt es in der | |
| Natur der Sache, dass Freunde so viel Zeit wie möglich miteinander | |
| verbringen, und außerdem ist es ja kein Zufall, dass das Wort „Freude“ nur | |
| einen Buchstaben von „Freunde“ entfernt ist, also warum, zum Teufel, freut | |
| sich die Kolumnistin denn nicht auf Verabredungen? | |
| Tu ich ja, jedenfalls am Anfang. Meistens beginnt es mit einer SMS: „Huhu, | |
| lange nicht gesehen! Wollen wir nächste Woche einen Wein trinken?“ | |
| Unbedingt!, denke ich, und das schreibe ich dann auch zurück und meine das | |
| ganz ehrlich, es ist ja auch wirklich viel zu lange her, wir haben uns | |
| ganze Leben zu erzählen! Also notiere ich freudig Name, Zeit und Ort, und | |
| das Unglück nimmt seinen Lauf. | |
| Denn sobald etwas im [2][Kalender steht, wird es zur Pflicht]. Und Pflicht | |
| ist das Gegenteil von Spaß. Die geheime Zauberkraft des Kalenders besteht | |
| darin, Tierarztbesuche, Deadlines, Arbeitstreffen und Verabredungen mit | |
| FreundInnen noch während des Niederschreibens direkt in Termine zu | |
| verwandeln. Und die Definition von Glück, das wusste schon Harald Juhnke, | |
| ist: keine Termine und leicht einen sitzen. | |
| Je mehr Einträge in eine bis dahin noch leere Woche wandern, desto mehr | |
| steigt der Druck. Und spätestens am Montagmorgen bekomme ich beim Öffnen | |
| des Kalenders akute Schnappatmung. So viele Termine, und keinen sitzen! | |
| ## Unverhoffte Freiheit | |
| Dann denke ich daran, was ich stattdessen alles machen könnte. Nichts, zum | |
| Beispiel. Einfach mal in Ruhe nichts tun und abends denken: Huch, schon | |
| wieder ein Tag vorbei, was habe ich heute eigentlich gemacht? Ach, egal, | |
| war schön. Oder irgendwas Spontanes, wie Mittagsschlaf oder nach Rügen | |
| fahren. Gut, ich mache nie Mittagsschlaf und war schon sehr lange nicht | |
| mehr auf Rügen, aber es geht ja nur um die Möglichkeit haben, um mehr | |
| nicht. | |
| Die besten Momente sind deshalb die, wenn zwei Stunden vor dem Treffen eine | |
| SMS kommt: „Ich schaffe es heute Abend leider nicht, hab noch so viel zu | |
| tun … :( Können wir um eine Woche verschieben?“ Dann liebe ich meine | |
| FreundInnen noch mehr als sonst. Obwohl ich mich ja darauf gefreut habe, | |
| sie zu sehen, und danach wie jedes Mal gedacht hätte: Das war ein sehr | |
| schöner Abend, müssen wir bald wiederholen. | |
| Aber ein Termin, der platzt, ist sogar noch ein bisschen besser, als gar | |
| keine Termine zu haben. Denn er schenkt einem ein paar Stunden unverhoffte | |
| Freiheit. Und eigentlich gibt es kein besseres Geschenk, das einem | |
| FreundInnen machen können. | |
| 24 Jul 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Franziska Seyboldt | |
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