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# taz.de -- Kolumne Minority Report: „Unteilbar“, überall, jeden Tag
> Mit den chronischen Brandstiftern zu sprechen, hat keinen Sinn. Lasst uns
> lieber nach der großartigen Demo die Energie in unseren Alltag tragen!
Bild: Wir sind viele, wir sind mehr: Unteilbar in Berlin
Okay, krass. 242.000 Menschen haben am Wochenende in Berlin [1][gegen
rechte Hetze demonstriert]. 242.000. Das sind drei ausverkaufte Berliner
Olympiastadien, 1.600 volle Ryanair-Flieger oder – ziemlich genau die
Einwohnerzahl von Chemnitz.
Während einige Politiker*innen und Journalist*innen aus einer Art
AfD-Versteher-Geste heraus (Ulf Poschardt, Sahra Wagenknecht, Berliner CDU)
sich vor allem darum bemühten, den Unteilbar-Demoaufruf als linksradikal
(oh nein, unsere Autos!!) und antirassistisch (was?? pfui, ekelhaft!!) zu
‚diskreditieren‘, haben sich die Leute in Berlin nicht beirren lassen und
sind auf die Straße gegangen. Tür auf, zack, raus. Einfach so. Und kein
einziges Auto hat gebrannt. Interessant, oder?
Und so geben manche noch am Tag der größten Demo, die Berlin seit Jahren
erlebt hat, alles, um das Gegenteil des Unteilbar-Slogans „Solidarität
statt Ausgrenzung“ zu leben. Bild-Chef Julian Reichelt etwa [2][fragt über
Twitter] mit Verweis auf das Video, das eine Rede des Blocks der
Interventionistischen Linken zeigt, (die mit einem Mini-Block ebenfalls
Teil der Massendemonstration war) was denn nun der Unterschied zwischen
Pegida und Unteilbar sei. An sich soll es ja keine dummen Fragen geben.
Doch die Noch-Nachbarn aus dem Springer-Haus schaffen es selbst an diesem
Kindergarten-Konsens erfolgreich zu rütteln.
Hm. Wie erklärt man denn nun einem Brandstifter den Zweck eines
Feuerlöschers – ohne dass er aus purem Trotz versucht zehn weitere Feuer zu
legen? Und vor allem: Ist es das überhaupt wert? Ich glaube ja nicht. Wenn
die Führung der auflagenstärksten deutschen Tageszeitung keinen Unterschied
erkennt zwischen einer Gruppe, die weiße Menschen als überlegen erachtend
mit NS-Rhetorik spielt, und einer anderen Gruppe, die sich für die
Einhaltung von Menschenrechten ausspricht, dann hat nicht dieser Typ ein
Problem. Sondern Deutschland hat ein Problem.
## Direkt auf der Straße
Deshalb ist die Unteilbar-Demo ein großer und wichtiger Erfolg – aber nur,
wenn jetzt etwas folgt. Und zwar nicht noch eine Feelgood-Massendemo,
sondern richtige Maßnahmen. Nicht mit Blick in den Bundestag, sondern
direkt auf der Straße. Wir müssen die Energie nutzen, die diese Riesendemo
aus vielen kleinen, teilweise untereinander nicht immer einverstandenen und
solidarischen Gruppierungen verbreitet hat: Migrant*innen,
Gewerkschafter*innen, Queerfeminist*innen, Jüd*innen, Muslim*innen, Grüne,
Sozialdemokrat*innen, Marxist*innen, Liberale, Wendy-Leser*innen,
Flugbegleiter*innen und hedonistische Feier-Druffis.
Wir müssen der rechts-nationalen Angstmache-Politik etwas entgegensetzen.
Und das sollten wir uns nicht für bunte Veranstaltungen an sonnigen Tagen
aufheben, sondern zu unserem Alltag machen. Jedes Mal, wenn in der U-Bahn
eine Hijabträgerin angepöbelt wird, jedes Mal wenn wir im Supermarkt einem
Typ mit Nazi-Tatoos begegnen, jedes Mal wenn beim Weihnachtsessen ein Onkel
rassistische Parolen zum Besten gibt, müssen wir widersprechen. Sonst
passiert dasselbe wie nach der „Willkommenskultur“ im Sommer 2015: Die
Stimmung ebbt ab, es wird Winter, und das Feld wird wieder den Hetzern
überlassen.
15 Oct 2018
## LINKS
[1] /Ueber-200000-bei-Unteilbar-Demo/!5542697
[2] https://twitter.com/jreichelt/status/1051155522714562560
## AUTOREN
Fatma Aydemir
## TAGS
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