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# taz.de -- Twitter-Debatte über Krankenhaus-Essen: Leberwurst für alle
> Der Unterschied zwischen dem Essen von privat und gesetzlich Versicherten
> sorgt für Aufregung. Dabei ist es für alle gleich deprimierend.
Bild: Lecker ist anders
Es könnte das Symbol der Zweiklassenmedizin sein, ja, der
Zweiklassengesellschaft: Zwei Tabletts mit Abendessen im Krankenhaus. Das
eine, das obere im Bild, ist die „Regelversorgung“ für gesetzlich
Versicherte in der Asklepios-Klinik in Hamburg-Barmbek. Das zweite, das
untere, ist das Tablett für die privat Versicherten der Klinik. Das Bild
entfachte einen Sturm auf Twitter: Da ist sie, die Zweiklassengesellschaft!
Dabei ist hier einiges nicht so, wie es scheint.
Die Freundin eines Paares postete das Bild auf Twitter. Dieses Paar hatte
gerade ein Baby bekommen, sie übernachteten zusammen in der Klinik. Die
Mutter sei privat versichert und habe das reich bestückte Tablett erhalten,
der Vater hingegen, gesetzlich versichert, das karg belegte, hieß es in dem
Tweet. Ein Sprecher der Asklepios-Kliniken sagte auf Nachfrage, die
Sachlage sei nicht ganz klar, denn hätte der Vater mit der Mutter in einem
Familienzimmer eingecheckt, hätten beide die gleiche Verpflegung bekommen
müssen.
Allerdings, das bestätigte der Sprecher auch: das karg bestückte Tablett
entspreche in der Tat der Regelversorgung für die gesetzlich Versicherten,
während das andere, vollere Tablett mit der Chipstüte eine Belegung wie auf
der Privatstation aufweise. „Privita“ nennt sich diese Premiumklasse bei
Asklepios und wirbt im Faltblatt mit einer „erweiterten, exklusiven
Speiseauswahl“, darunter auch „Snacks rund um die Uhr“.
Snacks rund um die Uhr! Das erklärt die Chipstüte. Wobei, sind Chips
eigentlich nicht das Essen der RTL guckenden Unterschicht? Ach was. Die
Distinktionen zwischen den Klassen verblassen angesichts der Verpflegung
im Krankenhaus.
## Tomate vs. Mozzarella-Cherrytomaten
Nehmen wir zum Beispiel die Gurke. Gurke – eigentlich Armengemüse. Aber
jetzt: Eine frische halbe Gurke liegt auf dem Oberklassentablett. Und nur
da. Alles eine Frage der Bestellung, beruhigt der Asklepios-Sprecher. Auch
ein gesetzlich Versicherter würde eine halbe Gurke bekommen, wenn er diese
zum Abendessen ordere.
Und dann sind da die Tomaten. Eine einzelne, nackte Tomate liegt auf dem
Holzklassentablett. Auf dem der Oberklassen gibt es Cherrytomaten in einer
Plastikschale, garniert mit drei Mozzarellakügelchen. Da ist es, das
„erweiterte, exklusive Speisenangebot“. Und steht nicht auf der
eingeschweißten Meggle-Butter, die sorgfältig auf das Oberschicht-Tablett
drapiert wurde, sogar „Feine Butter“ drauf? Doch auch hier lohnt ein
scharfer Blick. Das Holzklassen-Tablett weist zwei Stücke eingeschweißte
Butter auf, darauf steht „Butter-fly“, das „fly“ ist kaum zu erkennen,
dabei ist es von Bedeutung: Es handelt sich nämlich um äußerst gesunde
Joghurt-Butter, „21 Prozent weniger Fett!“ und „79 Prozent
Magermilch-Yoghurt“. Während die Butter des Oberschicht-Patienten 82
Prozent Fett aufweist. Na, und dann noch die Chips dazu, nicht zu vergessen
die kleine eingeschweißte Leberwurst auf dem Tablett für die Reichen: Guten
Appetit! Wobei wahrscheinlich auch der oder die gesetzlich Versicherte eine
kleine eingeschweißte Leberwurst extra bekommen würde, wenn er denn danach
fragte.
Doch das ist dann schon fast wieder leberwurscht. Denn die Frage lautet:
Warum ist das Abendessen im Krankenhaus so eingeschweißt, so fett, so
deprimierend, für Reiche wie für Arme? Für gesetzlich Versicherte steht im
Schnitt nur ein Tagessatz von knapp 5 Euro für das Essen im Krankenhaus zur
Verfügung. Das entspricht den Verpflegungssätzen in Hartz IV. Warum so
wenig – das muss einem mal jemand vorrechnen.
1 Oct 2018
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
## TAGS
Ernährung
Gesundheitspolitik
Krankenhäuser
Kantinenessen
Die Linke
Pflegenotstand
Lesestück Recherche und Reportage
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