# taz.de -- Türkischer Staatspräsident in Berlin: Proteste für und gegen Erd… | |
> Es ist seine erste Visite – seit seiner Wahl im Juni zum Präsidenten. | |
> Recep Tayyip Erdoğan ist auf Staatsbesuch in der deutschen Hauptstadt. | |
Bild: Protestveranstaltung der Berliner CHP-Vertretung vor der Gedächtniskirche | |
Die Straße zum Brandenburger Tor und zum Bundestag, sowie die Allee Unter | |
den Linden sind an diesem Donnerstag komplett abgesperrt. Kein Fahrzeug | |
kommt durch, nur Fußgänger dürfen an den Absperrgittern vorbei. | |
Hubschrauber kreisen am Himmel. Auf dem Dach des Hotel Adlon sind | |
Scharfschützen positioniert. Erwartet wird türkische [1][Staatspräsident | |
Recep Tayyip Erdoğan. Es ist sein erste Staatsbesuch in Deutschland] seit | |
seiner Wahl im Juni. | |
Ein bärtiger junger Mann, mit einem von Halbmond und Stern verzierten | |
Stirnband, eilt vorüber und späht neugierig zur Straße, wo gleich die | |
Wagenkolonne von Erdoğan vorbeifahren wird. Aus seinem Musikplayer tönt ein | |
beliebter Song von türkischen Nationalisten*innen: Für dich würde ich | |
sterben, meine Türkei. Tourist*innen vor dem Hotel staunen, in ihrem | |
Tagesablauf gestörte Berliner*innen nörgeln. Die AKP’ler*innen aber | |
erwarten Erdoğan in freudiger Aufregung. Es sind nicht mehr als ein paar | |
Hundert Leute, aber die Menge ist euphorisch. | |
Hülya Akyildirim ist eine von Ihnen. Sie trägt eine türkische Fahne, einen | |
rot-weißen Pullover und regt sich über die Erdoğan-Gegner*innen auf. Es | |
gelte nicht gegen Erdoğan, sondern gegen die USA oder Israel zu | |
protestieren. „Auf diese schmutzige Inszenierung dürfen wir nicht | |
hereinfallen. Nur die Türkei und Erdoğan werden so angegriffen. Wir müssen | |
endlich aufwachen!“, regt sich Akyildirim auf. | |
Die [2][diplomatische Krise zwischen der deutschen und türkischen | |
Regierung] hat sich stark auf das Leben von türkeistämmigen Menschen in | |
Deutschland ausgewirkt. Einge der Erdoğan-Anhänger tragen neben der | |
türkischen auch die deutsche Fahne. Auffällig ist ein Mann mittleren | |
Alters, der ein Tablett aus Bronze mit Erdoğans Konterfei trägt. Auf Fragen | |
reagiert er patzig: „Sieht man nicht, für wen wir hier sind?“ Hin und | |
wieder wird Allah-u Ekber (Gott ist groß) gerufen. Als die Polizei bei der | |
Ankunft Erdoğans die Menge abdrängt schimpfen einige: „Bei der PKK | |
verschließen sie die Augen, aber uns erlauben sie nicht unseren 'Führer’ zu | |
begrüßen!“ | |
Die meisten erhaschen auf diesen nur einen kurzen Blick. Als sein Wagen vor | |
dem Hotel vorfährt, zeigt Erdoğan der entfernten Menge den Rabia-Gruß: vier | |
Finger einer Hand. Den Rest des Tages verbringt er im Hotel bei einem | |
Treffen mit Vertretern hiesiger türkischer Vereine und Organisationen. | |
Pressevertreter*innen sind nicht zugelassen. | |
## Gegenproteste, auch spontan ohne Anmeldung | |
In Berlin finden neben Sympathiekundgebung auch Proteste gegen den | |
türkischen Staatspräsidenten statt. Am Donnerstag Abend, Erdoğan befindet | |
sich zu dieser Zeit im Hotel, gibt versammeln sich rund 100 Menschen auf | |
dem Breitscheidplatz vor der Gedächtniskirche. Die Veranstaltung ist von | |
der Berliner CHP-Vertretung organisiert, sie lassen schwarze Luftballons | |
aufsteigen. | |
Nuray Erdem ist eine von ihnen. Ihr Mann Eren Erdem, ein ehemaliger | |
CHP-Abgeordete, ist seit ist mehr als dre Monaten in der Türkei inhaftiert. | |
Sie habe es satt ihren 4-jährigen Sohn anzulügen, wenn er nach seinem Vater | |
fragt. Die Teilnehmenden dieser Veranstaltung wollen auf die | |
Rechtsverletzungen in der Türkei aufmerksam machen, und skandieren: „Recht, | |
Gesetz, Gerechtigkeit!“ | |
Kenan Kolat, Berliner Repräsentant der CHP, sagt, es sei normal, dass für | |
Erdoğans Besuch der rote Teppich ausgerollt wird. Allerdings dürften | |
Wirtschaftsthemen nicht wichtiger als Menschenrechte sein. Dabei geht es | |
ihm vor allem um die Lage der in der Türkei inhaftierten Abgeordneten, | |
Journalist*innen und Akademiker*innen. Am selben Abend findet in Kreuzberg | |
eine Spontanaktion ohne Genehmigung statt. Barrikaden werden errichtet, | |
Fackeln entzündet. Die Polizei nimmt ein paar Leute in fest. | |
## Wirtschaftsinteressen überwiegen Menschenrechte | |
Der offizielle Statsbesuch beginnt erst am Freitag. Während Erdoğan zu | |
Gesprächen bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und anschließend bei | |
Kanzlerin Angela Merkel ist, protestieren Reporter ohne Grenzen und Amnesty | |
International vor dem Hauptbahnhof in unmittelbarer Nähe zum | |
Regierungsviertel. Die Menge auf dem Washingtonplatz zeigt Plakate mit | |
Portraits von inhaftierten Journalist*innen und verweist so auf die Zensur | |
in der Türkei. | |
So auch Yücel Özdemir, Deutschland-Korrespondent [3][der Evrensel.] Für die | |
geplante Pressekonferenz mit Erdoğan wurde er nicht akkreditiert. | |
Journalist*innen, die für Medien in der Türkei arbeiten, mussten sich in | |
diesem Jahr über die türkische Botschaft akkreditieren. Auf diese Weise | |
wurden oppositionelle Medienschaffende ausgeschlossen. Dies geschehe zum | |
ersten Mal. | |
Für den seit 1993 in Deutschland lebenden Journalisten ist dieser | |
Staatsbesuch der umstrittenste der vergangenen Jahre. Für hiesige Medien | |
und Oppositionsparteien sei Erdoğan Persona non grata, aber die Politik sei | |
auf Entspannung. Grund für die Annäherung seien Wirtschaftsinteressen. | |
„Nicht nur mit der Türkei, sondern mit autoritären Regimen allgemein“, sa… | |
Özdemir. | |
Aus dem Türkischen von Sabine Adatepe | |
Mehr zum Thema Türkei gibt es auf dem deutsch-türkischen Nachrichtenportal | |
der taz unter [4][gazete.de] | |
28 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Erdoan-auf-Deutschland-Besuch/!5538980 | |
[2] /Heiko-Maas-zu-Besuch-in-der-Tuerkei/!5533765 | |
[3] /Erdoans-Staatsbesuch-in-Berlin/!5539181 | |
[4] https://gazete.taz.de/ | |
## AUTOREN | |
Erk Acarer | |
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