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# taz.de -- Armin Laschet zu Hambach und Erdoğan: „Die Revolution ist abgesa…
> Angela Merkel sollte Parteichefin bleiben, sagt der
> NRW-Ministerpräsident. Armin Laschet über Erneuerung der CDU, den Forst
> und den Umgang mit Erdoğan.
Bild: Eine konservative Revolution werde es nicht geben, sagt Armin Laschet
taz am wochenende: Herr Laschet, was war Ihre erste wirkliche Begegnung mit
Angela Merkel?
Armin Laschet: Ich saß bis 1998 im Bundestag, und es gab eine Runde junger
Politiker, die Erneuerung wollten. Als Helmut Kohl abgewählt worden war,
kam Angela Merkel zu uns Jungen in die Runde.
Wie trat Merkel Ihnen gegenüber?
Sie wurde erst Generalsekretärin und nach der CDU-Spendenaffäre schnell
Vorsitzende. Die Granden sahen Merkel als Übergangslösung. Sie trauten ihr
nicht zu, Kanzlerin zu werden. Aber sie hatte den Willen, die CDU nach 16
Jahren Helmut Kohl neu aufzubauen und das tat sie auch.
Zwei Jahrzehnte später ist Merkel die, der Erneuerung abgetrotzt wird. Als
am Dienstagnachmittag die Union im Bundestag Ralph Brinkhaus und nicht
Merkels Vertrauten Volker Kauder zum Fraktionschef gewählt hat, dachten Sie
da: Das war ’s jetzt?
Nein, das wäre auch falsch. Ralph Brinkhaus hat ja klargemacht, dass er
keinen generellen Kurswechsel der Union will.
Merkel selbst sagte, es gebe an ihrer Niederlage nichts zu beschönigen.
Das ist doch ehrlich. Aber bei der Wahl ging es um die Aufstellung der
Fraktion. Ich vermute, Ralph Brinkhaus hätte es schwerer gehabt, wenn er
ein Kandidat gewesen wäre, der sich gegen die Kanzlerin gestellt hätte.
Schwer vorstellbar, dass der Abgeordnete Brinkhaus morgens aufwacht und
beschließt: Ich will Fraktionschef werden.
Es war seine Entscheidung. Alle Leute haben ihm gesagt: So macht man das
nicht, du musst Netzwerke bilden. Ralph Brinkhaus hat vor seiner
Entscheidung nicht mit den Gruppen und Landesverbänden gesprochen. Das war
ungewöhnlich, aber erfolgreich.
Sind Sie noch im Team Merkel?
Ich stehe für viele Inhalte, die ihr auch wichtig sind. Ich bin überzeugt:
Auch in einer Zeit nach Angela Merkel wird die Union nur mit einem Kurs der
Mitte gewinnen.
Hat diese Zeit nach Angela Merkel schon begonnen?
Nein. Sie ist Bundeskanzlerin. Das ist Gegenwart.
Noch zehn Wochen bis zum CDU-Bundesparteitag. Holt sich Merkel in Hamburg
die nächste Klatsche ab?
Es musste Erneuerung geben, das hat auch Angela Merkel klargemacht. Und die
hat es auf mehreren Ebenen gegeben: In der Regierung, in der die CDU einige
neue Minister stellt. In der Partei wurde Annegret Kramp-Karrenbauer
Generalsekretärin. Und die Fraktion hat sich jetzt selbst erneuert.
Eine Ebene haben Sie jetzt vergessen. Die oberste.
Gerade wenn der Fraktionschef in neuer Frische sagt: Wir wollen die
Kanzlerin behalten – dann bedeutet doch die Entscheidung dieser Woche nicht
logischerweise ein schnelleres Ende.
Sollte Merkel den Parteivorsitz abgeben?
Die CDU war in der Vergangenheit gut beraten, das Amt des Regierungschefs
und des Parteichefs zusammenzuhalten. Bei der SPD war das nicht immer so,
was oft zu Spannungen führte.
Wie stark sind die Spannungen zwischen Ihnen und Jens Spahn?
Wir haben unterschiedliche Schwerpunkte. Ich habe bei der Landtagswahl
meinen klaren Kurs für mehr Wachstum, bessere Bildung und eine Stärkung der
inneren Sicherheit zur Maßgabe gemacht und mich gegen einen Wahlkampf über
Flüchtlinge, Burka-Verbot und Islam-Gesetz entschieden. Ich wurde gewählt,
das ist für mich eine Bestätigung, dass der Kurs richtig ist. Jens Spahn
hat andere Akzente, dennoch habe ich ihn zum Beispiel dabei unterstützt,
Bundesminister für Gesundheit zu werden.
Warum soll man nicht über Migration und Integration sprechen?
Natürlich soll auch darüber gesprochen werden, aber das geschieht derzeit
zu viel und oft auf falscher Grundlage. Leute sprechen mich auf alles an,
aber recht selten auf das Thema Flüchtlinge: innere Sicherheit, bessere
Schulen, Arbeitsplätze bei Thyssenkrupp, Energiepolitik, Pflege. Und dann
behauptet der politisch-mediale Hype, Flüchtlinge seien das Hauptthema.
Diese Verzerrung, die Nichtwahrnehmung der zentralen Herausforderungen, das
ist das Lebenselixier der AfD.
Redet nicht vor allem die CSU das Thema immer wieder groß?
Die gesamte Politik in Berlin war vor der Sommerpause fünf Wochen lang
gelähmt wegen der Frage, ob ein paar Eurodac-1-registrierte Flüchtlinge an
drei bayerisch-österreichischen Grenzübergängen abgewiesen werden.
Es ging auch um die konservative Revolution des Alexander Dobrindt.
Die ist abgesagt. Eine sogenannte konservative Revolution wird es nicht
geben. Und dann ging es darum, ob Herr Maaßen Behördenleiter bleiben darf.
Das ist nun wirklich keine Frage, die den Politikbetrieb über Wochen
lahmlegen sollte.
Es war eine wichtige Demokratiefrage, ob ein Geheimdienstchef Politik
machen darf.
Die Frage ist einfach zu beantworten: Er darf es nicht.
Wenn Sie als CDU-Integrationspolitiker früher in Kreuzberg im türkischen
Teesalon Pressetermine gemacht haben, wurden Sie belächelt. Hat das
aufgehört, seit Sie im bevölkerungsreichsten Bundesland regieren?
Mein Eindruck geht in diese Richtung. Auch innerhalb der CDU wird
selbstverständlich wahrgenommen, dass wir die Wahl in der Mitte gewonnen
haben.
Das ist der Merkel-Trick: in der Mitte Stimmen holen. Aber herausgekommen
ist, dass sie verdruckste linksliberale Fans hat. Und auf der konservativen
Seite vermuckte Gegner. Tut das der politischen Kultur gut?
Man sitzt doch nicht zusammen und berät, wie man nach links rücken kann, um
da ein paar Wähler abzugreifen. Es gibt Sachfragen, auf die wir Antworten
geben müssen. Punkt.
Wir hätten eine Sachfrage: der Hambacher Wald. Für eine sterbende Industrie
führen Sie einen Machtkampf gegen eine breite Bewegung, die den Wald und
das Klima schützen möchte.
Der eigentliche Fehler war, sechs Jahre lang illegal errichtete Häuser zu
dulden, die inzwischen Wohnungen sind. Egal welche Position man zum
Braunkohleausstieg hat, ein solcher rechtswidriger Zustand ist falsch. Der
wird jetzt beseitigt. Das Roden findet erst dann statt, wenn das Gericht
entschieden hat, und das Gericht entscheidet voraussichtlich Mitte Oktober.
Wollen Sie jetzt mal zeigen, dass Sie nicht nur der liebe Lächel-Laschet
sind, sondern auch über die alten Instrumente eines CDU-Ministerpräsidenten
verfügen?
Nein. Vor der jetzt anstehenden Entscheidung hätte auch Rot-Grün gestanden,
wenn sie noch regieren würden.
Nun regieren aber Sie.
Aber die Fragestellung ist keine neue. Rot-Grün hat 2016 entschieden, wir
verkleinern das Braunkohlegebiet, aber in Garzweiler. An Hambach wird nicht
gerührt, da wird abgebaggert. Das war die Botschaft – wird oft vergessen.
Nun sind wir nicht die Pressestelle von Rot-Grün und Hannelore Kraft,
sondern die taz. Wir wollen wissen, warum Sie ein Gebiet für Braunkohle
räumen, die wohl niemand mehr braucht, ohne die Meinung der Experten in der
Kohlekommission abzuwarten.
Die Kommission selbst hat gesagt, wir werden über ein früheres Datum
sprechen, als Rot-Grün festgelegt hat. 2045 ist bisher das Enddatum für
Nordrhein-Westfalen. Ich glaube, der Ausstieg aus der Braunkohle geht
schneller. Und daran wird jetzt gearbeitet. 2035, 2038, 2040 oder später –
egal, welches Jahr es wird: Mit Hambach hat das nichts zu tun. Wenn
reduziert wird, dann sicher in anderen Regionen.
Können Sie dieses Unverständnis nachvollziehen, dass für eine sterbende
Energiequelle noch last minute ein Wald weg muss?
Wir ersetzen gerade erst die wegfallende Kernenergie. Die erneuerbaren
Energien können derzeit noch nicht den Strom garantieren, den wir für die
Industrie und die Verbraucher dringend brauchen. Im Hambacher Forst wird
der Eindruck erweckt, als könnte man diesen Wald retten durch das Votum der
Kohlekommission. Dieser Eindruck ist einfach falsch.
Eine andere Sachfrage: Warum treffen Sie den türkischen Präsidenten
Erdoğan?
Er ist Gast des Bundespräsidenten, das [1][ist ein Staatsbesuch]. Ich finde
es richtig, dass man mit dem türkischen Staatspräsidenten auch auf dieser
Ebene redet. Die Bundespräsidenten Rau, Wulff und Gauck waren zu
Staatsbesuchen in der Türkei, da ist ein Gegenbesuch üblich.
Aber Erdoğan ist ein Autokrat, der die Freiheit mit Füßen tritt.
Wenn jemand auf Staatsbesuch beim Bundespräsidenten ist, wird er auch in
Nordrhein-Westfalen entsprechend empfangen. Die Frage ist aber: Gehe ich
mit Herrn Erdoğan auch eine Ditib-Moschee in Köln eröffnen? Und da bin ich
zu der Entscheidung gekommen, dass ich das nicht mache.
Warum?
Erst kürzlich habe ich eine Moschee in Aachen eröffnet, auch eine
Ditib-Moschee, die aber offen und liberal in der Stadt verankert ist. Dort
ist man sich über die unterschiedlichen Rollen von Staat und Religion im
Klaren. Mit Herrn Erdoğan in Köln in die Moschee zu fahren wäre ein
falsches Signal, weil wir wollen, dass Ditib möglichst unabhängig wird vom
türkischen Staat. Aber zu einem Gespräch bin ich bereit. Mit Blick auf die
besonderen Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und der Türkei und die
große Zahl der aus der Türkei stammenden Menschen in unserem Land sollten
vor allem die Themen Religionsfreiheit und das friedliche Zusammenleben der
Kulturen im Zentrum des Besuchs stehen. Dialog gehört dazu, auch der
kritische, gerade in schwierigen Zeiten.
Ist nicht die Entwicklung von Ditib eine andere? Dass sie sich nicht vom
Staat löst, sondern dass die Türkei seit dem Putsch Ditib näher an sich
heranzieht?
Wir müssen darauf drängen, dass sich das ändert. Als Landesregierung haben
wir aktuell alle Beziehungen zu Ditib eingefroren …
… aber in Aachen gehen Sie zur Einweihung?
Viele Muslime gehen aus religiösen Gründen in Ditib-Moscheen. Ditib hat
sich seit 50 Jahren um die religiöse Betreuung türkischer Einwanderer
gekümmert. Jede Moschee ist unterschiedlich. Die Aachener Moschee ist
offen, deshalb mache ich das. Aber grundsätzlich muss Ditib sich wieder auf
die theologische, seelsorgerische Arbeit konzentrieren, nicht Politik
machen. Nicht Gülen-Leute beobachten oder für die Besetzung von Syrien
beten. Da ist eine Grenze überschritten.
Werden Sie das Erdoğan sagen?
Ja.
29 Sep 2018
## LINKS
[1] /Erdoan-auf-Deutschland-Besuch/!5538980
## AUTOREN
Georg Löwisch
Anja Maier
## TAGS
Ditib
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