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# taz.de -- Erdoğans Staatsbesuch in Berlin: „Evrensel“ kommt hier nicht r…
> Die türkische Botschaft entscheidet, welche Landesmedien am Freitag aus
> dem Kanzleramt berichten dürfen. Die Opposition spricht von einer Farce.
Bild: Nicht nur das Kanzleramt, halb Berlin-Mitte ist vor Erdoğans Besuch gut …
Berlin taz | Eigentlich wollte Aziz Kocyigit am Freitag aus dem Kanzleramt
berichten. Kanzlerin Angela Merkel und der türkische Präsident Recep Tayyip
Erdoğan [1][werden dort am Mittag eine Pressekonferenz geben], Kocyigits
Leser wird das sicherlich interessieren. Das Problem ist nur: Aller
Voraussicht nach kommt der Journalist aus Gummersbach nicht rein. Für den
Termin in der Regierungszentrale hat er keine Akkreditierung.
Kocyigit arbeitet als Europakorrespondent für die Tageszeitung Evrensel.
Das linke Blatt aus Istanbul ist eine der letzten oppositionellen
Zeitungen, die in der Türkei überhaupt noch erscheinen dürfen – auch wenn
die Behörden wegen kritischen Artikeln gegen mehrere Redaktionsmitglieder
ermitteln.
Am Montag schrieb Kocyigit an die Medienbetreuung des Bundespresseamts.
Fristgerecht beantragte er Zugang zur Pressekonferenz am Freitag um 12:30
Uhr. „Vielen Dank für Ihr Interesse“, antwortete das Presseamt nach einer
Stunde. „Doch leider müssen Sie sich – als türkisches Medium – an die
türkische Botschaft wenden. Die Botschaft erhält ebenfalls Zusatzausweise
und verteilt diese dann an türkische Medien.“
Die türkische Botschaft entscheidet, welche türkischen Medien von vor Ort
berichten dürfen? Pascal Thibaut wundert sich darüber. Der
Radiokorrespondent aus Frankreich ist Vorsitzender des Vereins der
ausländischen Presse in Deutschland. Dass bei Staatsbesuchen nicht das
Bundespresseamt, sondern die Botschaft des Gastes darüber entscheidet, wer
aus dem Kanzleramt berichten darf, hat er noch nie erlebt. „Wenn diese Info
stimmt ist es erstaunlich und zu verurteilen, dass die Kollegen sich nicht
über den gängigen Weg akkreditieren dürfen“, sagt er.
## Ungewöhnlich oder Standard?
Auch Yücel Özdemir hält die Akkreditierungspraxis für ungewöhnlich. Wie
Kocyigit arbeitet er aus Deutschland für Evrensel und sagt: „Ich habe schon
oft von Erdoğan-Besuchen in Deutschland berichtet, das letzte Mal beim
G20-Gipfel in Hamburg. Die Akkreditierung lief immer über das
Bundespresseamt.“
Die Behörde selbst spricht dagegen von „international praktizierten
Standards“. Über die Akkreditierungen zum Staatsbesuch an sich dürfe die
türkische Botschaft nicht entscheiden. Bei der Pressekonferenz, die im
weitläufigen Pressefoyer des Kanzleramts stattfindet, komme es aber
„aufgrund räumlicher Gegebenheiten zu einer Zulassungsbegrenzung“. In
solchen Fällen fahre man zweigleisig.
Das Bundespresseamt entscheide, welche Journalisten aus Deutschland
reindürften. „Maßgeblich für die Verteilung hier ist der Verbreitungsgrad
und die Reichweite der Medien“, sagte eine Regierungssprecherin der taz.
Ins deutsche Kontingent dürften auch Journalisten, die „der türkischen
Regierung kritisch gegenüber stehen, allerdings für deutsche Medien tätig
sein müssen“. Die restlichen Zugangskarten gingen dann an den Gast, der
„die Verteilung nach den jeweiligen nationalen Poolmechanismen“ regele.
## Keine Aussicht auf Erfolg
Deswegen also sollte sich Kocyigit, der zwar Deutscher ist, aber für die
türkische Evrensel arbeitet, an die Botschaft wenden. Darauf verzichtete er
jedoch. „Das wäre umsonst gewesen“, sagt er. „Wir sind eine oppositionel…
Zeitung. In der Türkei gibt uns die Regierung überhaupt keine
Akkreditierungen mehr.“
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Linkspartei) hätte sich vom
Bundespresseamt mehr „politisches Fingerspitzengefühl“ gewünscht. „Evre…
ist neben Birgün die einzig verbliebene oppositionelle Tageszeitung in der
Türkei. Deren Korrespondenten an die türkische Botschaft zu verweisen,
damit sie für die Berichterstattung über Erdogans Pressekonferenz im
Kanzleramt zugelassen werden, ist eine Farce“, sagt sie. „Das
Bundespresseamt darf sich an der Ausgrenzung kritischer türkischer Medien
nicht beteiligen und ist daher aufgefordert, die Evrensel zum Termin zu
akkreditieren.“
Aziz Kocyigit will noch einen letzten Versuch starten. Er ist am Donnerstag
nach Berlin gefahren und will am Freitagvormittag persönlich beim
Bundespresseamt vorsprechen. Viel Hoffnung auf Erfolg, sagt der Journalist,
habe er inzwischen aber nicht mehr. Ins Kanzleramt komme er wohl nicht.
28 Sep 2018
## LINKS
[1] /Erdoan-auf-Deutschland-Besuch/!5538980
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
taz.gazete
Politik
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Recep Tayyip Erdoğan
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