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# taz.de -- Schwindel in Spanien: Master-Titel im Sonderangebot
> Die Madrider Universität König Juan Carlos hat Hunderte falsche
> Mastertitel vergeben. Zahlreiche Anwälte und Politiker griffen zu.
Bild: Auf dem Weg zum Bildungsabschluss: Cristina Cifuentes (li.) neben Spanien…
Madrid taz | „Meine Damen und Herren, ihr Flugkapitän hat den Titel an der
Universität König Juan Carlos erworben.“ Ein Aufschrei des Entsetzens geht
durch die Passagierreihen. Es ist nur einer von vielen Witzen, die dieser
Tage in Spaniens sozialen Netzwerken über die Universität König Juan Carlos
(URJC) kursieren. Der Grund: Die Madrider Hochschule vergab Mastertitel an
Politiker, ohne dass diese jemals einen Hörsaal betreten hätten.
Die Schlagzeilen reißen nicht ab, das Gericht ermittelt. Alles begann mit
Presseberichten über die damalige Chefin der Madrider Regionalregierung
Cristina Cifuentes im vergangenen Frühjahr. Wie die Online-Zeitung
eldiario.es herausfand, hatte sie 2012 einen Mastertitel zu Regionalem
Verwaltungsrecht an der URJC erworben ohne am Unterricht oder den Prüfungen
teilgenommen zu haben. Eine Abschlussarbeit war nicht ausfindig zu machen.
Die Noten waren im Universitätssystem geändert worden.
Cifuentes ist keine Unbekannte an der URJC. Sie ist praktisch auf den
Fluren der 1996 von der konservativen Regionalregierung Madrids gegründeten
Hochschule groß geworden. Sie saß im ersten Aufsichtsrat der URJC, die als
Kaderschmiede für konservative Nachwuchspolitiker gilt. Professoren und
Rektoren wechseln häufig in Politik und Staat und zurück. So wurde der
Rektor, unter dem Cifuentes ihren Master erhielt, als Verfassungsrichter
berufen. Wer an der URJC unterrichten oder arbeiten will, tut von jeher gut
daran, Beziehungen im konservativen Lager zu haben.
Schließlich nahm Cifuentes ihren Hut. Doch die Recherchen gingen weiter;
eldiario.es findet immer neue Belege für fragwürdige Machenschaften der
Universität. So hat auch der jetzige PP-Vorsitzende Pablo Casado, wie
Cifuentes, ein Masterstudium am Institut für öffentliches Recht (IDP) der
UJRC absolviert.
## Nur vier Arbeiten mit insgesamt 90 Seiten
Auch er blieb dem Unterricht fern und bekam 18 der 22 Fächer erlassen, da
er Jura studiert hatte. Casado schrieb nur vier Arbeiten mit insgesamt nur
90 Seiten. Prüfungen legte er nie ab. Casado hatte bereits im
Jura-Hauptstudium Geschick bewiesen. Nach jahrelanger Unterbrechung bestand
er die Hälfte aller Fächer in nur einem Sommer. Der Konservative war
bereits damals kein Unbekannter.
Er stand der PP-Jugend in Madrid vor und wurde zum Nachwuchspolitiker
aufgebaut. Seine Mentoren waren keine Geringeren als die ehemalige Madrider
Regierungschefin Esperanza Aguirre und der damalige PP-Chef und spanische
Ministerpräsident José María Aznar.
Die Richterin Carmen Rodríguez-Medel am Amtsgericht in Madrid ermittelt
mittlerweile gegen das IDP und die URJC und wird behindert, wo es nur geht.
So wurden 5.400 Mails von den Computern des Institutes gelöscht. Sie
stammen alle aus dem Zeitraum, als Casado und Cifuentes studierten. Doch
auch so häuft sich das Material auf ihrem Tisch. Laut der Tageszeitung El
País ermittelt die Richterin wegen 500 Juratiteln. Sie gingen nach einer
Schnellprüfung an italienische Juraabsolventen, die sich so in mehreren
spanischen Städten in die Anwaltskammer einschreiben konnten.
Auch die Finanzen des Instituts weisen Unregelmäßigkeiten auf. Der Leiter
Enrique Álvarez Conde bezahlte mit der IDP-Kreditkarte private Ausgaben und
überwies sich regelmäßig Zusatzgehälter aufs Konto. Mehr als 100.000 Euro
soll er veruntreut haben. Und auch bei den Sozialisten gibt es Absolventen
der URJC. So trat die Gesundheitsministerin Carmen Montón Anfang September
zurück, als bekannt wurde, dass auch sie ihren Titel auf dubiose Weise
erhalten hatte.
## Schutz der Immunität
Casado wurde bisher von Richterin Rodríguez-Medel nicht vorgeladen. Als
Abgeordneter genießt er weitgehend Immunität. Nur der Oberste Gerichtshof
Spaniens darf gegen Abgeordnete ermitteln. Doch die dortige
Staatsanwaltschaft empfahl Ende Mitte September, kein Verfahren gegen
PP-Chef Casado einzuleiten. Die hohen Richter folgten dem.
Richterin Rodríguez-Medel in Madrid stellte daraufhin Anfang dieser Woche
auch das Verfahren gegen diejenigen ein, die keine Immunität besitzen.
Neben Cifuentes betrifft das drei weitere Angeklagte, die zusammen mit
Casado den Mastertitel erhielten und ebenfalls nie einen Hörsaal betreten
hatten. Es handelt sich um die Tochter einer Beraterin des konservativen
Bildungsministeriums der Region Madrid, um eine Staatssekretärin aus dem
Bildungsministerium der ehemaligen konservativen Landesregierung Valencias,
sowie um eine Mitarbeiterin des IDP. Die Staatsanwaltschaft schweigt.
1 Oct 2018
## AUTOREN
Reiner Wandler
## TAGS
Madrid
Juan Carlos
Master
Betrug
Bildung
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