# taz.de -- Juhu: Es wird weiter berlinert: Aus dem Berliner Dialekt wird ein R… | |
> Der Berlin-Brandenburger „Regiolekt“ wird nicht aussterben. Schuld daran | |
> sind die Brandenburger, die das Berlinern auch erst vor 500 Jahren | |
> lernten. | |
Bild: Klöpse, Buletten, Schrippen: Berlinern kann so schön sein | |
Ick sitze da un’ esse Klops | |
uff eemal klopp’s | |
Ick kieke, staune, wundre mir, | |
uff eemal jeht se uff, die Tür. | |
Nanu, denk ick, ick denk nanu | |
jetz isse uff, erscht war se zu! | |
Ick jehe raus und kieke | |
und wer steht draußen? Icke! | |
Glaubt man den Sprachforschern der [1][Viadrina-Uni in Frankfurt (Oder)] | |
stehen die Chancen nicht schlecht, dass das berühmte Berliner Klopsgedicht | |
aus unbekannter Feder auch in Zukunft zumindest gelegentlich zitiert und | |
verstanden wird. Der [2][Berlin-Brandenburger Dialekt] werde – | |
Globalisierung hin, Zuwanderung her – so schnell nicht aussterben, erklären | |
die Wissenschaftler. Zwar würden einzelne Dialekte etwa aus dem Oderland | |
oder der Mittelmark als Regiolekt weiter zusammengefasst – der sei aber | |
durchaus zukunftstauglich. | |
Woran man das merkt? Klare Sache: Wenn so noch gesprochen wird. Und das ist | |
beim Berlinerischen offenbar der Fall – auch wenn man als Angehörige der | |
linksversifften Kreuzberger Grün-Blase davon nicht viel mitbekommt. | |
Beziehungsweise sich schier ein Loch in den Bauch freut, wenn jemand sagt, | |
er oder sie habe noch irgendwo eine Flasche Wein „zu liejen“. | |
Außerhalb Kreuzbergs (beziehungsweise Berlins) ist das offenbar nichts | |
Besonderes. In Brandenburg kommuniziere immer noch die Mehrheit der | |
Bevölkerung im Regiolekt, so die Forscher, auch die jungen Leute. Eine | |
einleuchtende Erklärung dafür haben die Linguisten auch: die gemeinsame | |
Sprache schaffe Identität und Solidarität. Klar, wenn man sonst nichts hat | |
… | |
## Schmelztigelfunktion | |
In Berlin allerdings ist das Icke weiter auf dem Rückzug – was die Forscher | |
mit dem traditionell schlechten Image des Dialekts im „schnieken“ | |
Westberlin, aber auch mit der Schmelztigelfunktion der Großstadt erklären. | |
Wo Menschen vieler Kulturen (Bayern, Schwaben, Österreicher usw.) leben, | |
einigt man sich eben besser auf eine Standard-Hochsprache für alle. | |
Die Folge: Über die tonangebenden Dialekt-Schnösel aus Westberlin war das | |
Berlinerische über die Jahre auch im Ostteil der Stadt und im Umland | |
weniger geworden. Diesen Weg könnte der Regiolekt – aufgrund des | |
permanenten Austauschs zwischen Stadt und Land – nun vielleicht in | |
umgekehrter Richtung zurückgehen, hoffen die Forscher. | |
Ursprünglich war es übrigens andersherum jewesen: Vor 500 Jahren war in | |
Brandenburg nämlich noch das Niederdeutsche vorherrschend. Nach der | |
Reformation vermischte sich das mit dem Oberdeutschen aus Sachsen und | |
Thüringen. Aus dieser „Mischung“ entstand schließlich der | |
Berlin-Brandenburger Dialekt. Und zwar in Berlin. | |
10 Oct 2018 | |
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## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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