Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die erste christlich-islamische Kita: Hier feiern alle alles
> In Gifhorn begehen Kinder Weihnachten und Opferfest. Aber weil es nicht
> immer Bratwurst gibt, sehen Kritiker das Abendland in Gefahr.
Bild: Baran (links) und Hira spielen gemeinsam in der Kita „Abrahams Kinder�…
Gifhorn taz | Hätte es auch anders ausgehen können, in diesem Sommer 2018,
in dem sich alles so erhitzt hat, auch die Stimmung im Land, in dem alles
so hart, so schrill und manchmal auch so gewaltsam wurde? Hätte am Ende ein
Polizeiwagen vor dem weißen, leicht zurückgesetzten Wohnhaus im Sonnenweg
12 im Gifhorner Süden stehen müssen? Zwei Beamte, die Thermoskanne auf dem
Armaturenbrett, den Hof im Blick, auf dem jetzt jeden Morgen 17 Eltern ihre
Kleinen an der Tür der Kita „Abrahams Kinder“ abgeben?
Irgendwann in den letzten Monaten werden Martin Wrasmann solche Gedanken
gekommen sein. Wrasmann, ein friedensbewegter Theologe Mitte 50, ist
Pastoralreferent der St.-Altfrid-Gemeinde in Gifhorn, und man darf sagen,
dass „Abrahams Kinder“ so etwas wie sein Baby ist. Es ist die bislang
einzige christlich-islamische Kita in Deutschland. Das ist vielleicht das
Erstaunlichste daran: dass sie in diesem Sommer 2018 eröffnete, in einem
Land mit 4,5 Millionen Muslimen, von denen viele seit Jahrzehnten hier
leben – und dabei immer noch die erste war. Das sagt einiges über das
Verhältnis zwischen Muslimen und Christen hierzulande, und das ist es wohl,
woran Wrasmann etwas zu ändern hofft.
An einem Sommerabend sitzt Wrasmann im Café Aller: Eine-Welt-Laden,
Beratungsstelle, Flüchtlingscafé. Beste Lage in der Gifhorner
Fußgängerzone, mitten in der Altstadt, wenige Schritte vom Schloss
entfernt. Wrasmann hat das Café mit aufgebaut, Dutzende Flüchtlinge und
Helfer treffen sich hier. Leute wie Wrasmann, der auch dem lokalen
Anti-Nazi-Bündnis „Bunt statt Braun“ vorsteht. Aber dabei soll es nicht
bleiben. Wrasmann will nun auch auf anderem Wege die „gesellschaftliche
Spaltung überwinden“, wie er sagt: mit der christlich-muslimischen Kita,
die getragen ist von seiner katholischen Gemeinde, der evangelischen
Diakoniestiftung und dem lokalen Gifhorner Moscheeverein.
Eine Vertrauensfrage sei das, sagt Wrasmann. „Die lokale Ebene ist
entscheidend.“ Auf dieser müsse man zusammenarbeiten. Und da gebe es seit
mehr als zehn Jahren ein „sehr gutes Verhältnis“.
Mit wem?
„Mit Ditib.“
## Die fünfte Kolonne Erdogans im Kindergarten?
Wrasmann wusste, worauf er sich einlässt. Auf kein Thema setzen die
Rechtspopulisten so konsequent wie auf das Feindbild Islam. Jeden Akt
multikultureller Öffnung deuten sie heute um in einen Schritt zur
Islamisierung Europas, zur Unterwerfung. Gleichzeitig wurde in den letzten
Jahren das Verhältnis zur Türkei immer schlechter. Der Islamverband Ditib
wird vom türkischen Staat kontrolliert, er gilt vielen als fünfte Kolonne
Erdoğans. Die Rechten hassen ihn – und auch viele Linke halten von Ditib
nichts.
„Ich bin auch katholisch, und mich fragt keiner nach Seehofer“, sagt
Wrasmann dazu. Das klingt lapidar, aber er ist keiner, der Erdoğans Politik
verharmlosen würde. In Gifhorn seien die Dinge anders, sagt er: Die
christlichen und die islamische Ditib-Gemeinde in Gifhorn hätten viel
gemeinsam veranstaltet: Friedensgebete und „Religionsgipfel“ etwa. Mit der
interreligiösen Kita wollen sie nun „einen wesentlichen Beitrag dazu
leisten, dass Vielfalt als Normalität akzeptiert“ wird; so steht es im
Statut. Eine jüdische Gemeinde hätten sie gern noch dazu genommen. Aber es
gibt in Gifhorn keine.
Vier Jahre dauerten die Planungen, vier Wochen sind es jetzt noch bis zur
Eröffnung. Wrasmann muss sich nun mit der Polizei beraten. Er hat Drohungen
bekommen, in der Stadt haben Islamgegner Plakate gegen die Kita aufgehängt.
NDR, RTL, Sat1, alle wollen Interviews. „Wir haben das jetzt abgelehnt,“
sagt Wrasmann. Er will die Kita erst mal in Ruhe eröffnen.
## Kein Schweinefleisch – da drohen Gefahren
Vier Wochen später lädt Wrasmann die Presse doch ein. Ein Soft Opening
gewissermaßen, einige Tage bevor der eigentliche Betrieb losgeht. Er hat
Eltern angefragt, ob sie sich vorstellen können, mit ihren Kinder zu kommen
und diese auch fotografieren zu lassen. „So haben die Journalisten ihre
Bilder gekriegt“, sagt Wrasmann.
Die meisten Berichte sind freundlich. Doch auch der Bayrische Rundfunk etwa
vermeldet die Eröffnung der Kita im fernen Gifhorn – und weist darauf hin,
dass Ditib im Verfassungsschutzbericht genannt wird. „Wachsamkeit“ sei
geboten, zitiert der Sender einen Islamwissenschaftler.
Die erzkatholische Tagespost nennt die Kita schon vor dem Start
„gescheitert“. Denn sie sei gar nicht interreligiös, sondern trage „bei
näherem Hinschauen eine deutlich muslimische Handschrift“. Schließlich sei
das Fleisch „halal“ – nicht vom Schwein, sondern von geschächteten Tiere…
Das Blatt zitiert den AfD-Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio, der, so
die Tagespost, der Kirche vorwirft, sich in vorauseilendem Gehorsam dem
Islam anzubiedern und ihre eigene Kultur zu verwässern.
Auch die NPD-Zeitung Deutsche Stimme vermeldet die Kita-Eröffnung. Sie
zeigt dazu ein Bild kleiner Jungs in grauen Pullundern, die mit dem Koran
in der Hand auf einem Teppich knien.
## Kita ohne Kreuze
An einem Nachmittag Mitte August ist von solchen Bildern in der Kita nichts
zu sehen. Seit drei Wochen läuft der Betrieb nun, unter Ausschluss der
Öffentlichkeit. Besucher dürfen kommen, wenn die Kinder weg sind. Helles
Holz, Spielzeug, Stifte, Wandbilder: Nichts unterscheidet die Räume von
gewöhnlichen Kitas. Von Moschee-Atmosphäre keine Spur. Religiöse Bezüge
gibt es nicht, es hängen keine Kreuze an den Wänden.
17 Kinder besuchen sie nun, muslimisch, christlich, nicht religiös etwa zu
gleichen Teilen. So war es auch geplant. Vier Erzieherinnen sollen es
werden, drei arbeiten jetzt schon hier: die Leiterin Lisa Minkus und zwei
muslimische Kolleginnen. Verschleiert ist keine von ihnen.
„17 Kids, ein Haus, ein Garten, vier Erzieherinnen; die Leitung hat eine
halbe Stelle statt wie sonst nur 5 Stunden. Idealzustand“, sagt Minkus.
Ihre Kollegin Nahila Merve Günes trägt Kopftuch. Die in Ulm geborene und
aufgewachsene Kurdin ist für ihr Studium 2014 in die Türkei gezogen. Vier
Jahre hat dort sie dort Kindheitspädagogik studiert. Dann kam sie nach
Gifhorn. Ihren türkischen Abschluss hat sie bei der Bezirksregierung zur
Anerkennung vorgelegt. Ihr Glück: Im vergangenen Jahr hat Niedersachsen
eine staatliche Anerkennung Kindheitspädagogin eingeführt. Günes ist
gläubige Muslimin. „Wir wollen den Kindern zeigen, dass die Liebe zum einen
Gott für alle Menschen gleich ist“, sagt sie. „Wir sprechen vor den Kindern
von ‚Gott‘, ‚Allah‘ heißt auf Deutsch ja nichts anderes. Kinder sollen
verstehen, dass es zwei Religionen gibt. Aber wir glauben alle an den einen
Gott.“
## Warum kommt der Weihnachtsmann nicht zu mir?
Sie müssen dafür nichts neu erfinden, natürlich nicht. Es gibt Lehrstühle
für interreligiöse Pädagogik in Deutschland, es gibt heute Bücher wie
„Betül und Nele erleben den Ramadan“, die sie benutzen können. Doch die
zielen vor allem auf die Schulzeit, wenn Kinder vieles schon für sich
sortiert haben. In der Kita aber stellen sie manche Fragen zum ersten Mal.
Sie werden wissen wollen, warum Jesus nichts mit ihnen zu tun haben soll,
mit den anderen Kindern aber schon; sie werden fragen, warum der
Weihnachtsmann nicht zu ihnen kommt und warum die einen Bratwurst essen
dürfen und die anderen nicht.
Zwei Jahre hat ein Komitee über diese Fragen beraten: Wrasmann, der
örtliche Ditib-Vorsitzende Yurtseven Rayman und eine Referentin für
interreligiösen Dialog der Landeskirche. Sie überlegten, ob es nur
vegetarisches Essen geben könnte. Dann entschieden sie, dass die Küche ein
Halal-Zertfikat bekommt. „Halal Essen! So sieht also die Zukunft schon für
unsere kleinsten Kinder aus. Klar, dass wir dagegen sind“, twitterte die
lokale AfD prompt.
„Alle Kritiker kommen immer mit der Halal-Sache“, sagt Minkus dazu. „Wir
‚unterwerfen uns als Christen den anderen Speisevorschriften‘ heißt es
dann. Dabei wollen wir uns gar nicht einschränken.“ Soll heißen: Manchmal
gibt es vielleicht doch Schwein, und dann kriegen die muslimischen Kinder
eben etwas anderes.
Für solche Fragen gibt es Handreichungen für die Erzieherinnen. Und
trotzdem ist es Neuland.
Vier große Feste kennen die beiden Religionen: Opferfest und Ramadan,
Weihnachten und Ostern. Wie gehen sie zusammen?
„Alle feiern alles“, sagt Minkus.
Fasten auch alle vor Ostern und im Ramadan?
„Machen wir beides nicht.“
Für den Morgenkreis suchen die Erzieherinnen und Wrasmann Gebete, die
allgemein kompatibel sind. Vor dem Mittagessen sagen sie: „Segne, Vater,
diese Gaben.“
Islam und Christentum hätten teils dieselbe biblische Geschichte. „Die
Wurzeln sind gemeinsame, also ist auch die Zukunft gemeinsam“, sagt
Wrasmann. Die Kita sei „kulturelle Vielfalt von Anfang an. Wir leben in
unseren Werten und Normen was identisch ist.“
Und was nicht identisch ist?
„Den Kindern ist der Unterschied gar nicht so wichtig“, sagt Minkus, „die
sehen das nicht so kompliziert wie Erwachsene.“
Für das Opferfest haben die Kinder gemeinsam Schafe aus Teig gebacken und
mit weißem Zucker bestäubt. Die Erzieherinnen haben mit ihnen darüber
gesprochen, „was es heißt, Gutes zu tun“. Dazu gab es ein Puppenspiel, die
Eltern kamen in die Kita, alle haben gemeinsam gegessen. So ist es
islamischer Brauch. Es gab ein Büffet, ohne Schweinefleisch, versteht sich.
„Aber das war gar kein Thema“, sagt Wrasmann.
## Es gibt nur einen Gott
Auch für das nun bald anstehenden christliche Erntedankfest sieht er keine
Probleme. „Der Dank für die Schöpfung ist ein wesentliches Element beider
Religionen.“ Sie haben dafür Texte herausgesucht, „deren Wortwahl alle
unterschreiben können“, sagt Wrasmann. Das sechste Kapitel aus dem
Matthäus-Evangelium zum Beispiel: „Sorgt euch nicht um euer tägliches Leben
– darum, ob ihr genug zu essen, zu trinken und anzuziehen habt“, heißt es
da. Und Al-Fātiha, die erste Sure des Korans: „Lob sei Gott, dem Herrn der
Welten, dem Barmherzigen und Gnädigen.“
Nicht alles lässt sich auflösen, ohne dass es besonders auffällt.
Weihnachten und Ostern etwa sind im Christentum untrennbar mit Bildern von
Jesus verbunden. Im Islam aber sind Bildnisse von Gott streng verboten. Wie
wollen sie damit umgehen? „So weit sind wir noch nicht“, sagt Wrasmann.
„Erst mal müssen wir eine Sprache finden für den Namen Gottes.“
In christlichen Kindergärten singen die Kinder religiöse Lieder. Im Islam
sind religiöse Kinderlieder zwar nicht verboten, aber unbekannt. „Wir
wollen aber singen“, sagt Wrasmann. Also suchen sie Lieder, die für alle
akzeptabel sind. „Gottes Liebe ist so wunderbar“ zum Beispiel. Das kommt
ohne strittige Passagen aus.
Das Christentum personifiziert Gott in Gestalt von Jesus. Dem Islam ist die
Vorstellung, dass Gott einen Sohn haben könnte, völlig fremd. Was werden
sie sagen, wenn die muslimischen Kinder fragen, warum Jesus nicht für sie
ist? „Das entscheiden wir dann.“ Spätestens bis Weihnachten werden sich die
Erzieherinnen überlegen müssen, wie sie das den Kindern erklären wollen.
Im Garten stehen Obstbäume. Pflaumen, Quitten, Esskastanien. „Das
Klettergerüst kommt noch“, sagt Minkus. Rundum: Wohnblöcke, graue Fassaden,
bunte Sonnenschirme auf den Balkonen. „Dem Umfeld hier ist das politische
Thema egal“, sagt Minkus. „Für die ist das eine ganz normale Kita.“ Das …
Minkus auch am liebsten so. „Jetzt sind wir ein einmaliges Projekt. Aber
wir wollen, dass das nachgeahmt wird.“
Das wollen nicht alle.
## Flugblätter gegen die Kita-Gefahr
Die ersten Flugblätter tauchten im Mai auf. An Fronleichnam und Christi
Himmelfahrt wurden sie verteilt. Dann hingen sie als Plakate in Gifhorn.
„Schauen Sie, wem Sie Ihr Kind anvertrauen“, stand darauf. „Googeln Sie�…
darunter alarmierende Begriffe wie „Märtyrertod“, „antisemitische Hetze�…
oder „Radikalisierung“, dazu Zitate vom Ex-Grünen-Chef Cem Özdemir und der
Linken-Abgeordneten Sevin Dagdelen. Özdemir und Dagdelen zählen zu den
bekanntesten Ditib-Kritikern in Deutschland.
Zu Recht, wie die Gifhorner Linke-Kreischefin Marion Köllner findet.
Trotzdem unterstützt sie die Kita. „Wir halten es für ein gelungenes, in
Deutschland einmaliges Projekt“, sagt sie. Wrasmann kennt sie aus dem „Bunt
statt Braun“-Bündnis, er hatte ihr von Anfang an von den Plänen für
„Abrahams Kinder“ erzählt, und Köllner sagte ihm Unterstützung zu. Als d…
Sache konkreter wurde, stellte sie sich gegen die Parteilinie. „Aber mit
dem, was Ditib auf der Bundesebene macht, hat das hier nichts zu tun“, sagt
sie.
Den Gegenwind in der Stadt hat sie wahrgenommen. „Es erschienen Leserbriefe
in der Lokalzeitung, die sich um die angeblich einseitige Ernährung der
Kinder sorgten, weil es ja kein Schwein geben soll.“ Als die Flugblätter
schließlich auch in Kirchen ausgelegt wurden, erstattete Marion Köllner
wegen der Plakate Anzeige gegen unbekannt. Die Polizei ermittelte bis heute
keine Verantwortlichen. Ende August allerdings meldete sich Niedersachsens
Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) zu Wort. „Es kann nicht sein, dass
nunmehr auch schon Kinder instrumentalisiert werden, um perfides und
widerliches Gedankengut in die Welt zu tragen“, sagte er. Auch Gifhorns
CDU-Bürgermeister Matthias Nerlich stellte sich hinter die Kita. „Danach
war Ruhe“, sagt Köllner.
## Politik mit einer Wasserflasche
Mache in Gifhorn verdächtigten die AfD, hinter den Plakaten zu stecken. Die
streitet das ab. Sie sei als „Heimat- und Bürgerpartei fest in Gifhorn
etabliert“, da „bedarf es nicht solcher Aktionen“, sagte der
AfD-Ratsfraktionsvorsitzende Stefan Marzischewski. Allerdings hatte er
keine Gelegenheit ausgelassen, seine Ablehnung des Projekts kundzutun.
Schon im April hatte Marzischewski gefordert, dass die Kita in einen
überkonfessionellen Kindergarten umgewandelt wird, in dem „deutsche Werte“
vermittelt werden. Marzischewski warf der Diakonie vor, sich Erdoğan zu
beugen. Kinder würden „islamischen Speiseregeln und der dem Erdoğan-Regime
nahestehenden Ditib“ unterworfen. Im Stadtrat sprach er deshalb von
„Multikultiwahn“, die SPD-Fraktion verließ daraufhin geschlossen den Saal,
Marzischewski attestierte ihr „Realitätsverlust“. So ging es weiter, bis
zum letzten Wochenende, als Erdoğan nach Deutschland kam: Stets zog die AfD
eine direkte Linie von der AKP in Ankara zu den 17 Kindern im Sonnenweg 12.
Das kommt nicht von ungefähr. Die von der AfD und Islamisten aufgerissene
Kluft zwischen dem Islam und der deutschen Mehrheitsgesellschaft so zu
überdecken, wie Wrasmann es tut – für den Erfolg der Rechtspopulisten ist
das Gift.
Zur Eröffnung Ende Juli war Marzischewski dennoch eingeladen. Er postete
ein Foto von den Wasserflaschen, die den Besuchern gereicht wurden. Es war
Wasser der Marke „Istanbul“. „Ob das vom Präsidenten gespendet wurde?“,
schrieb Marzischewski darunter.
## Islamische Gemeinde setzt Deutsch als Sprache durch
Tatsächlich kam das Wasser von Yurtseven Rayman. Der Vereinsvorsitzende des
Ditib Gifhorn e. V. betreibt einen Supermarkt namens Pasha im Gifhorner
Süden. 1.500 Mitglieder hat der Ditib-Verein in Gifhorn, wohl noch einmal
so viele weitere Muslime gibt es in der Stadt. „Lange gab es für uns gar
keinen Kindergarten.“ 2014 wollte der Verein das ändern. Islamische
Kindergärten sind nicht außergewöhnlich, etwa 30 gibt es bundesweit. „Aber
wir hatten keine Erfahrung mit so etwas.“ Rayman sprach Wrasmann an, den er
vom „Bunt statt Braun“-Bündnis her kannte. Eigentlich wollte er von ihm nur
erfahren, wie man eine Kita aufzieht. Wrasmann schlug vor, das gemeinsam zu
tun. Und Ditib gefiel die Idee.
Die Katholiken regten an, die Kita zweisprachig einzurichten. Rayman lehnte
dies ab. „Wir brauchen nur Deutsch“, sagt er. „Die Muttersprache lernen d…
Kinder zu Hause.“ Ohnehin wäre unklar gewesen, welches die zweite Sprache
hätte sein sollen: Neben Kindern aus türkischsprachigen Elternhäusern
besuchen auch solche aus arabischen Ländern, aus Bosnien und Afghanistan
die Kita.
Doch nicht alle Kinder können Deutsch. „Das ist heute das Problem und der
Alltag jeder Kita“, sagt Leiterin Minkus. Bis August haben Schulen in
Niedersachsen „vorschulische Sprachförderung“ angeboten. „Drei bis vier
unserer Kinder könnten das brauchen, teils sind es Kinder mit
Fluchthintergrund. Wir selbst haben keine Ressourcen und kein Fachwissen.“
Dann änderte die Landesregierung das entsprechende Gesetz. Jetzt sollen die
Kitas das „alltagsintegriert“ übernehmen, Niedersachsen hat dafür Geld
bereitgestellt.
Rayman ist optimistisch. Anfangs hätten einige Gemeindemitglieder ihre
Kinder nicht anmelden wollen. Jetzt gebe es eine Warteliste. Die AfD sei
noch immer gegen das Projekt, doch das mache sich im Alltag nicht
bemerkbar, sagt Rayman. „Von den Plakataufhängern haben wir nichts mehr
gehört.“ Der Alltag ist: Bald beginnt die Adventszeit, das erste
Weihnachtsfest, das auch die feiern sollen, zu deren Religion es nicht
gehört. „Dafür werden wir uns jetzt was überlegen“, sagt Rayman.
12 Oct 2018
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Kita
Islam
Christentum
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Syrien
Islam
Salafismus
Gute-Kita-Gesetz
Kindergarten
Schwerpunkt AfD
Kitas
## ARTIKEL ZUM THEMA
Syrer:innen zum Anschlag in Solingen: Terror bedroht unser Zusammenleben
Der Verein Agora für deutsch-syrische Begegnungen verurteilt das Attentat
in Solingen. Die taz dokumentiert den offenen Brief von 350
Unterzeichner:innen.
Muslimische Kita: Die Erste in Norddeutschland
In Neumünster stimmen nur AfD und NPD-Nachfolgepartei dagegen, eine
muslimische Kindertagesstätte zu unterstützen. Anderswo geht das weniger
reibungslos.
Mainzer Kita Betriebserlaubnis entzogen: Kita unter Salafismusverdacht
Die einzige islamische Kita in Rheinland-Pfalz schließt. Dem Träger wird
Nähe zu der Muslimbruderschaft und zu Salafisten vorgeworfen.
Kommentar zum „Gute-Kita-Gesetz“: Kontrolle für Giffeys Milliarden
Familienministerin Franziska Giffey bringt das „Gute-Kita-Gesetz“ auf den
Weg. Aber kommt die Förderung auch wirklich in den Kitas an?
Die Wahrheit: Von nix kommt Hartz IV
Deutsche Wertekunde für Kinder wird immer wichtiger. Hier kommen die zehn
wichtigsten Grundwerte.
Heiko Werning: Gehört Katjes zu Deutschland?
In einem Werbespot mampft eine Hidschab tragende Frau Süßes – und die
Rechte dreht durch. Der Untergang des süßen Abendlandes steht bevor!
Drei-Religionen-Kita: Begegnung auf Augenhöhe von klein an
Die Idee: In der Kita sollen sich jüdische, muslimische und christliche
Kinder respektvoll begegnen. Einen konkreten Ort für das Projekt gibt es
noch nicht.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.