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# taz.de -- Heiko Werning: Gehört Katjes zu Deutschland?
> In einem Werbespot mampft eine Hidschab tragende Frau Süßes – und die
> Rechte dreht durch. Der Untergang des süßen Abendlandes steht bevor!
Bild: Katjes-Werbung bei der Internationalen Süßwarenmesse in Köln, 23. Apri…
Skandal! Der Süßwarenhersteller Katjes weist in einer Werbekampagne auf
seine vegetarischen und somit auch schweinefreien Essgummis hin, die auch
von Muslimen bedenkenlos verputzt werden können – sofern sie sich nur für
ihr religiöses Brimborium interessieren und nicht etwa für ihre Gesundheit.
Deshalb darf im zugehörigen Werbespot auch eine Hidschab tragende Frau so
ein Ding allahkompatibel abschlucken. Wohlgemerkt, das ist alles. Mehr
passiert nicht. Eine bekopftuchte Frau beißt in ein Katjesdings. Nebst
anderen Frauen mit voll einsehbarer Haarpracht.
Schon über die ungeheure Tatsache, dass jetzt sogar Katjes beim
Veggie-Mainstreaming mitmacht, herrscht einige Unruhe in den sozialen
Medien. Wo doch jeder weiß, dass in ein ordentliches deutsches Produkt nun
einmal irgendwas mit toten Tieren reingehört, weil sonst schließlich unsere
Kultur den Bach runtergeht – selbst wenn die Mehrheit der Konsumenten bis
dahin kaum auf die Idee gekommen sein dürfte, dass Fruchtgummis überhaupt
etwas mit Schweinen zu tun haben könnten.
Doch als wäre vegetarisch nicht schon schlimm genug – das Zeug wird nun
also auch noch als halal angepriesen! Die Reaktionen am rechten Rand von
AfD bis Emma fallen erwartungsgemäß aus. Es folgt die übliche Suada von
Unterwerfung, Islamisierung und Untergang des Abendlandes. Umgehend wird
dazu aufgerufen, das Katjes-Abo zu kündigen. Irgendein Schweinepriester von
der AfD twittert listig: „Was soll uns diese Werbung sagen? Vielleicht,
dass nur Hidschab-Trägerinnen dieses Produkt kaufen sollten?“
Aber Unmut kommt auch von anderer Seite: Das Neue Deutschland sekundiert,
der Zeitpunkt für die Kampagne sei „mindestens ungeschickt gewählt“, wo
doch Frauen in Iran gerade gegen den Zwang zum Kopftuch protestieren. Die
sind jetzt natürlich praktisch erledigt, denn welche Frau würde schon noch
ihr Kopftuch ablegen wollen, wenn sie doch auch darunter ganz problemlos
Fruchtgummis naschen kann? Da werden die Ajatollahs sich aber kräftig in
den Zauselbart lachen!
Und dann der finale Schock: Eine topinvestigative Recherche hat enthüllt,
dass das Hidschab-Model überhaupt keine Muslimin ist! Da geraten Weltbilder
ins Wanken. Der Wirtschaftssender n-tv kommentiert entsetzt: „In einer
Branche, in der Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit die beiden wichtigsten
Währungen sind, hat die Kampagne deshalb nicht restlos überzeugt. Zur
Glaubwürdigkeit trägt ein nichtmuslimisches, Kopftuch tragendes Model nicht
bei.“ Das ist ein verständlicher Einwand. Denn wenn man heutzutage nicht
einmal mehr der Werbung vertrauen kann, was bleibt einem denn dann noch?
Außer: diese leckeren Katjes-Lakritzkätzchen. Die immer so zwischen den
Zähnen kleben, dass man den Mund praktisch nicht mehr aufkriegt. Dann
herrscht für einen kurzen Moment mal Ruhe. Und dafür allein schon wollen
wir Katjes danken und lobpreisen.
13 Apr 2018
## AUTOREN
Heiko Werning
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Alexander Gauland
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