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# taz.de -- Berliner Kinosterben: Hollywood ist woanders
> Das UCI-Kino in Friedrichshain hat geschlossen: Streamingdienste machen
> den großen Kinos das Geschäft kaputt. Die kleinen können sich aber
> behaupten.
Bild: Da hilft nicht einmal das gute Popcorn-Angebot: Den Blockbuster-Kinos geh…
Hand aufs Herz: Wann sind Sie das letzte Mal im Kino gewesen und haben sich
nicht einfach, auf dem heimischen Sofa sitzend, einen Film oder eine Serie
bei einem der Streamingportale gegönnt? Eben.
Jetzt hat es ein Opfer gegeben: Ende August schloss mit dem UCI
Friedrichshain ein großes Kino mit Blockbuster-Programm seine Türen für
immer. Es liegt in einem schmucklosen Neubaukomplex an der Landsberger
Allee in unmittelbarer Nähe des Friedrichshainer Krankenhauses und des
desolaten SEZ. Ein Friseur, eine Fahrschule und gleich zwei Stoffgeschäfte
haben in dem Gebäude ihr Domizil. An diesem Tram-Umsteigeknotenpunkt ist
Laufkundschaft eher rar. Zuletzt hatte das Kino versucht, Publikum mit
Filmen in Originalfassung anzulocken. Vergeblich.
„Nach bewegten und bewegenden 20 Jahren haben wir uns entschlossen den
Betrieb des Kinos in Friedrichshain nicht weiter zu übernehmen“, sagt
UCI-Pressesprecherin Nadine Breuer der taz. „Die Rahmenbedingungen
ermöglichen es uns nicht, das Kino aus unserer Sicht erfolgreich
weiterzubetreiben.“
Genauere Angaben dazu gibt es trotz Nachfrage nicht. Stattdessen wird auf
Neueröffnungen des Unternehmens verwiesen, denn: „Wir haben uns
entschlossen, uns auf andere Projekte in Berlin – wie die Eröffnung des UCI
Luxe Mercedes Platz und den Umbau der UCI Kinos Gropius Passagen und
Potsdam zu UCI Luxe Kinos – zu konzentrieren.“
## Es soll bequem werden
Hier ist der Name Programm: „UCI Luxe“ wird als neues Premiumkinokonzept
der Kinokette verkauft. Es soll ganz bequem werden in Ledersesseln, die
über elektrisch verstellbare Fuß- und Rückenlehnen verfügen, sodass man
halb liegend den Film schauen kann. Dazu wird mehr Beinfreiheit als bisher
versprochen, Foyer- und Barbereiche werden neu gestaltet. „Das Team des UCI
Kinos Friedrichshain bleibt erhalten“, sagt Nadine Breuer. Es sind „mehr
als 20 Mitarbeiter“; sie werden im neuen Luxuskino am Mercedes Platz zum
Team gehören, „hinzu kommen dort noch einmal etwa doppelt so viele neue
Stellen, die geschaffen werden“. Die Eröffnung des Spielbetriebs ist dort
bislang für Ende Oktober/Anfang November geplant.
In Berlin gibt es laut Filmförderungsanstalt (FFA) mit Sitz in Berlin 287
Kinosäle unterschiedlichster Größe in insgesamt 98 Spielstätten – das ist
eine mehr als noch im letzten Jahr (und im Jahr 2016 waren es nur 93). Das
UCI Friedrichshain ist in dieser Statistik fürs das erste Halbjahr 2018
noch nicht berücksichtigt.
Von Anfang Januar bis Ende Juni 2018 hat die Zahl der BesucherInnen in den
1.671 deutschen Kinos abgenommen. „Der Gesamtumsatz ist spürbar gesunken“,
fasst die FFA in der Halbjahresbilanz für 2018 zusammen. Insgesamt wurden
im ersten Halbjahr rund 51 Millionen Tickets für einen Kinofilm gelöst,
rund 9 Millionen weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Der Gesamtumsatz sank damit um 15,3 Prozent auf rund 439 Millionen Euro
gegenüber rund 518 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2017. „Der
Aufwärtstrend des Vorjahres hat sich leider nicht bestätigt“, räumt
FFA-Vorstand Peter Dinges ein. Denn im ersten Halbjahr 2018 haben die „ganz
großen Erfolge“ gefehlt, nennt Dinges einen der Gründe für den Rückgang d…
Einnahmen. Schuld daran seien aber auch der „Jahrhundertsommer und eine
Fußball-WM, in der sich Verleiher ohnedies mit großen Filmstarts
zurückhalten“.
## Kein gutes Kinojahr
Christian Bräuer, der Vorstandsvorsitzender der AG Kino, der Gilde
deutscher Filmkunsttheater, bestätigt diesen negativen Trend für die
Berliner Lichtspielhäuser. „Das war bislang kein gutes Kinojahr, für
niemanden.“ Weder für die Arthouse-Kinos, die im Durchschnitt gut 10
Prozent, noch die Blockbuster-Kinos, die im Durchschnitt rund 20 Prozent
Umsatzeinbußen verbuchen mussten. „Viele Filme sind dem Supersommer zum
Opfer gefallen.“
Aber im letzten Jahr haben drei Spielstätten eröffnet, die „von einem lange
anhaltenden Boom“ der Programmkinos profitieren, sagt Bräuer. Es handelt
sich dabei um das [1][Kino Wolf] in der Weserstraße, das [2][Il] in der
Nansenstraße – Café und Bar und 52-Sitze-Kino ausschließlich für Filme in
Originalsprache – sowie das [3][Delphi Lux] an der Kantstraße. In solchen
Programmkinos „liegt die Zukunft“, glaubt Christian Bräuer. „Daher ist m…
nicht bange davor.“
Auch aus diesem Grund: „Es heißt ja immer, dass junge Leute heute nicht
mehr ins Kino gehen“, sagt Bräuer, „aber das stimmt gar nicht. Das
klassische studentische Publikum interessiert sich weiter für
Arthouse-Filme.“ Programmkinos würden ein Bedürfnis nach Nachbarschaft und
Gemeinschaft, nach einem sozialen Umfeld bedienen, und das alles könne ein
Streamingportal eben nicht bieten. „Wir sollten Netflix & Co keine zu große
Bedeutung schenken, keine Angst davor haben, aber es im Blick behalten.“
Ein anderes erfolgreiches Programmkino sind beispielsweise auch die
[4][Tilsiter Lichtspiele] in der Richard-Sorge-Straße im Friedrichshainer
Nordkiez. Es handelt sich um das zweitältestes Kino Berlins, es besteht
seit 1908. Der große Kinosaal hat 65, der kleine – für Dokumentarfilme
reservierte – 26 Plätze. Und die Tilsiter Lichtspiele haben nicht nur das
[5][Ufa-Kino] Kosmos überlebt, das schon 2005 den Betrieb einstellte,
sondern nun auch das UCI; beide Häuser liegen am jeweils anderen Ende der
Richard-Sorge-Straße.
„Wir können nicht klagen“, sagt Geschäftsführer Stefan Käding der taz. …
profitieren davon, dass wir Kino und Kneipe in einem sind – ein
soziokultureller Treffpunkt im Kiez. Wer zu uns kommt, sucht gute Filme und
Gesellschaft.“ In den Blockbuster-Kinos würde es „doch nur um Konsum gehen,
nicht um Gemeinschaft“. Im Zeitalter von Filmen in bester Qualität auf dem
Smartphone habe dies seinen Reiz verloren, glaubt Käding. Programmkino
bedeute dagegen, „dass unsere Programmauswahl Empfehlungen für Filme
darstellt. Und unser Publikum schätzt unser Programm – und unser eigenes
Bier, das wir am Ostkreuz brauen.“
8 Oct 2018
## LINKS
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[3] /Archiv-Suche/!5442774&s=Delphi+Lux+Berlin&SuchRahmen=Print/
[4] /Archiv-Suche/!5096875&s=Tilsiter+Lichtspiele/
[5] /Archiv-Suche/!1423068&s=ufa-Kinos&SuchRahmen=Print/
## AUTOREN
Andreas Hergeth
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