# taz.de -- Zu Besuch beim Chemnitzer FC: Staatsbürgerunterricht in der 4. Liga | |
> Das Regionalligaspiel zwischen dem Chemnitzer FC und dem Berliner AK wird | |
> zum friedlichen Bekenntnisfestival. Die Probleme bleiben. | |
Bild: Volksaufklärung vom Feinsten: Chemnitzer und Berliner Spieler vor dem An… | |
Chemnitz taz | Bier, ein Bankinstitut und Fliesen wurden auf der | |
LED-Werbebande im Chemnitzer Fußballstadion an diesem sonnigen | |
Samstagnachmittag angepriesen und dazwischen immer auch wieder die | |
Demokratie. Von links nach rechts lief der Satz: „Wir stehen für | |
Freiheit/Demokratie/Rechtsstaatlichkeit“. | |
Es war der Tag der Bekenntnisse. Vor dem Anpfiff der Regionalligapartie | |
zwischen dem Chemnitzer FC und dem Berliner AK hatten beide Teams sich vor | |
dem Transparent „Gemeinsam für demokratische Grundwerte und Fairplay“ | |
aufgestellt. Und auch auf der Gegentribüne wurde eine Merktafel angebracht: | |
„Freiheit Demokratie Rechtsstaat“. Vorbildlicher Staatsbürgerunterricht in | |
der vierten Klasse des deutschen Fußballs. Das hatte sogar Sachsens | |
Ministerpräsident Michael Kretschmer zum Kommen bewegt. | |
Mit viel Spannung wurde [1][der erste Auftritt des Chemnitzer FC] nach den | |
gewalttätigen und rassistischen Übergriffen bei einer Demonstration | |
erwartet, zumal eine im Stadion verbotene Fangruppierung, die „Kaotic | |
Chemnitz“, zu dem Aufmarsch aufgerufen hatten. Die Brisanz des Spieles | |
wurde dadurch verstärkt, dass Mehmet Ali Han, der Präsident des | |
Migrantenvereins Berliner AK, Sicherheitsbedenken anmeldete und ankündigte, | |
sein Team werde gegebenenfalls das Spiel abbrechen. | |
In Chemnitz hat das nicht nur viele Fans aufgebracht, auch die Spieler | |
sprachen in einem offenen Brief im Stadionmagazin von „Provokationen“. Nach | |
dem 3:1-Erfolg des Gastgebers und noch ungeschlagenen Spitzenreiters sowie | |
dem friedlichen Ablauf dieses Nachmittags waren die Berliner Gäste umso | |
mehr bemüht, die Wogen zu glätten. Der BAK-Teammanager Mehmet Öztürk lobte | |
die Chemnitzer für ihre „Gastfreundschaft“, ihre Kooperation, ihr | |
Sicherheitskonzept, sprach von einer „tollen Atmosphäre“ und rundete seine | |
Eloge mit dem Satz ab: „So kennen wir Chemnitz.“ | |
## Pfiffe von der vollbesetzten Südtribüne | |
Der Gastgeber-Trainer David Bergner resümierte: „Ich bin froh, dass es | |
vorbei ist und der Regionalligalltag wieder weitergeht.“ Am Ende dieses | |
Tages, an dem ein Zeichen gegen rechte Gewalt und Selbstjustiz gesetzt | |
werden sollte, hatte man fast ein wenig das Gefühl, der Chemnitzer FC sei | |
das zentrale Opfer. | |
Als sich der Stadionsprecher beim Publikum für sein Wohlverhalten bedankte, | |
reagierten die ihrer Ansicht nach zu Unrecht diskreditierten Fans auf der | |
vollbesetzten Südtribüne mit Pfiffen. Es waren die einzigen vernehmbaren | |
Misstöne an diesem Tag. | |
Dass das mit der Demokratie und der Toleranz jedoch nicht so einfach ist, | |
selbst wenn man formaljuristisch im Recht ist, bekam man an diesem Tag | |
gleichfalls zu spüren. Der Insolvenzverwalter Klaus Siemon untersagte auf | |
dem Stadiongelände die Verteilung des Fanzine 1143, weil seiner Meinung | |
nach über dieses Medium ein nicht repräsentativer Interessenverband, der | |
Fanszene e. V., versuche, Vereinspolitik zu machen. Auch der mit | |
Geschäftsstellenverbot belegte Präsident Andreas Georgi ist Mitglied dieser | |
Vereinigung. | |
## Journalistische Arbeit verhindert | |
Bestens wiederum klappte die Zusammenarbeit zwischen Fans, Verein und | |
Polizei, um journalistische Arbeit zu unterbinden. Ein Versuch der taz | |
gemeinsam mit einer französischen Kollegin von L’Équipe, vor der | |
Einlasskontrolle der Südtribüne Chemnitzer Fans zu den Ereignissen der | |
letzten Wochen zu befragen, wurde binnen weniger Sekunden verhindert. | |
Ein szenekundiger Polizeibeamter, Pressesprecher Maximilian Glös und ein | |
dritter Mann, der sich nicht auswies, vermutlich ein Fanvertreter, | |
schritten ein. Letzterer führte recht aggressiv das Wort. Siemon erklärte, | |
der Verweis sei rechtens gewesen, weil sich Journalisten „insbesondere | |
wegen Sicherheitsaspekten“ auf diesem Vereinsgelände nicht bewegen dürften. | |
Es bleibt dennoch eine erstaunliche Maßnahme, die nicht einmal bei | |
WM-Spielen in Russland üblich war. | |
Mit der Frage, was vielleicht erlaubt ist, aber nicht ratsam, wird sich der | |
Chemnitzer FC weiter herumschlagen müssen. Noch im August verteidigte der | |
Präsident Georgi vor dem Amtsgericht Meppen einen Fan, der gegen Polizisten | |
gewalttätig wurde. Bei dieser Partie gab es jenseits dieses Vorfalls einen | |
anderen bemerkenswerten: einige Chemnitzer in der Gästekurve bekannten sich | |
mit einer Zaunfahne als Fans der rechtsradikalen Band Saccara, die unter | |
anderem den Rassenkrieg besungen hat. | |
16 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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