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# taz.de -- Einwohnerrückgang auf dem Land: Leider geschlossen
> In Berne, gegenüber von Bremen, lässt sich besichtigen, was in vielen
> kleinen Gemeinden geschieht: Die Bevölkerung vergreist, Zuzug bleibt aus.
Bild: Nix los hier, aber hübsch saniert: Marktplatz in Berne
Bremen taz | Die Kleinstadt Berne liegt beschaulich im niedersächsischen
Landkreis Wesermarsch und ist nur durch die namensgebende Weser von Bremen
getrennt. Schlecht leben lässt sich’s dort offensichtlich nicht: Bis 2010
lebten dort über 7.000 Menschen, heute sind’s bloß 200 weniger. Die
Menschen ziehen also nicht fort aus Berne – aber sie kommen auch nicht her:
Nur 300 BernerInnen sind jünger als sechs Jahre, dafür etwas über 1.400
Menschen über 65. In zehn Jahren werden es fast ein Viertel mehr sein.
Berne vergreist. Und steht damit nicht allein da.
Denn die jüngeren Menschen wollen in die großen Städte. Dieser Trend ist
nicht neu, aber konstant. Und wenn sie dort keinen bezahlbaren Wohnraum
bekommen, ziehen sie in die „Speckgürtel“ im Umland. Die wachsen
kontinuierlich, denn bezahlbarer Wohnraum in den Städten wird immer
knapper. Schlecht angebundene Gemeinden wie eben Berne gehören nicht zum
„Speckgürtel“. Dort hat gerade der letzte Tante-Emma-Laden dicht gemacht.
Bernes Nachbar-Kleinstadt Lemwerder steht in dieser Hinsicht besser da:
Dort gibt es für ähnlich viele EinwohnerInnen drei Supermärkte und einen
Wochenmarkt. Lemwerder hat viel mehr Arbeitsplätze und eine entsprechend
höhere Kaufkraft als Berne – und das erfüllt die Bürgermeisterin mit Stolz.
Aber wächst Lemwerder deswegen? Nein: Die Entwicklung und Altersstruktur
dort ist nahezu die Gleiche wie in Berne, nachzulesen im aktuellen
Demografiebericht der Bertelsmann-Stiftung.
Die Menschen zieht es in die Städte. Sie wollen nicht für jedes Brötchen
mit teuren und umweltverschmutzenden Autos fahren. Immer mehr wollen am
liebsten gar kein Auto fahren. Sie wollen nicht stundenlange Wege zur
Arbeit und zum Einkaufen und zur Kita oder in die Schule und ins Kino oder
Theater oder zu Freunden zurücklegen müssen. Immer weniger finden es
idyllisch, ihr Leben in selbstgewählter Isolation zu verbringen – oder
gefangen in sozialer Kontrolle von Nachbarschaft, Schützenverein oder
Kirchengemeinde. Das ist eine ökologisch und sozial erfreuliche
Entwicklung.
## Häuser zu Schnäppchenpreisen
Weniger erfreulich ist sie freilich für die Dagebliebenen: Sie haben in
immer mehr Gemeinden nicht einmal mehr einen Hausarzt. Und anders als in
den Städten und den „Speckgürteln“ sind die Immobilienpreise dort im Kell…
– wie die Geschichte eines „Familienhauses“ im Solling bei Uslar zeigt:
Fast sechs Jahre lang hat es gedauert, bis das große Haus endlich eine
Käuferin gefunden hat. Dabei sollte es nur 70.000 Euro kosten. Am Ende
bekam der Verkäufer noch 30.000 Euro dafür.
Vielleicht sind die günstigen Grundstückspreise auch der Grund, warum sich
in der Gemeinde Hitzacker im Landkreis Lüchow-Dannenberg ein
genossenschaftlich organisiertes Wohnprojekt niederlässt: 300 Menschen
wollen dort leben, in einem Gemeinschaftsdorf für Ältere, Familien und
Geflüchtete. Das freut den Bürgermeister Hitzackers natürlich, denn mehr
Menschen bedeuten mehr Steuern. Und vielleicht mehr Geschäfte. Und mehr
Kinder bedeuten die Standortsicherheit von Schulen.
[1][Aber viele der HitzackerInnen schielen misstrauisch auf die kommende
Dorfgemeinschaft,] deren EinwohnerInnen miteinander leben und sich
gegenseitig helfen, Gemüse anbauen und kleine Läden betreiben wollen. Das
Wohnprojekt heißt „Hitzacker/Dorf“: Ein Dorf am Dorf also, mit eigenen
Strukturen, die kaum etwas mit denen des „alten“ Hitzacker zu tun haben.
In Wahrheit, so scheint es, bekommt Hitzacker keinen Zuwachs, sondern
lediglich ein Nachbardorf. Ansonsten ändert sich nichts. So wie in Berne.
Oder Uslar.
Mehr über das Kleinstadtleben in Niedersachsen und die Schwierigkeiten, ein
Haus zu verkaufen, wenn die Einwohnerzahl sinkt, lesen Sie in der
Nordausgabe der taz.am wochenende oder [2][am E-Kiosk.]
7 Sep 2018
## LINKS
[1] https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-06/hitzacker-dorf-inter…
[2] /e-kiosk/!114771/
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Kleinstadt
Niedersachsen
Landleben
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zeitgenössische Kunst
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