# taz.de -- Fotograf über Polizei und Presse: „Was ist ihre Arbeit, was ist … | |
> Groß ist der Aufschrei nach der Störung eines ZDF-Teams auf einer | |
> Pegida-Demo. Fotograf Christian Ditsch glaubt trotzdem nicht, dass sich | |
> etwas ändern wird. | |
Bild: Naziaufmarsch im sächsischen Plauen: Die Presse wird von der Polizei am … | |
taz: Auf einer Pegida-Demonstration in Dresden [1][hat ein Demonstrant | |
einen ZDF-Kameramann bei seiner Arbeit behindert]. Die Polizei hielt den | |
Journalisten und seinen Partner von ihrer Arbeit ab. Haben Sie [2][als | |
freier Fotograf] schon ähnliche Erfahrungen gemacht? | |
Christian Ditsch: Ich habe mal eine Liste geschrieben. Allein seit 2015 | |
sind es sechs Fälle, bei denen ich dabei war. Am 25. Januar 2015 auf einer | |
Pegida-Demonstration in Dresden: Die Polizei lässt mich und andere | |
Fotografen-Kollegen nicht zur Kundgebung. Als Begründung sagt sie, wir | |
wären „keine Kundgebungsteilnehmer“. Damit lassen sie uns also erstmal | |
nicht unsere Arbeit machen. Es gibt ein langes Hin und Her. Irgendwann | |
stimmt der Einsatzleiter vor Ort – oder so ähnlich, jedenfalls schien er | |
zuständig zu sein – zu und wir können loslegen. Als wir allerdings den | |
Platz verlassen wollen, werde ich von Hooligans aufgehalten. Die stehen | |
dort als Kette am Ausgang. Sie wollen meinen Presseausweis kontrollieren. | |
Wie sind Sie da wieder raus gekommen? | |
Das Hoheitsrecht, Ausweise zu kontrollieren, liegt bei der Polizei. | |
Tatsächlich steht die auch in der Nähe. Als ich einen Polizisten anspreche, | |
damit er uns raushilft, sagt dieser aber: „Das ist doch alles abgesprochen“ | |
und grinst. Sie greift nicht ein. Ich bin dann trotzdem darum | |
herumgekommen, den Typen meine Daten zu geben, aber andere hatten das Glück | |
nicht. Deren Daten haben die Nazis jetzt. | |
Ähnlich war es auch am 31. Juli 2015: In Freital gab es eine Demo von | |
antifaschistischen Gruppen. Unweit vom Startplatz der Demonstration lag | |
eine rechte Kneipe. Dort hat sich eine Gruppe Rechter zusammengerottet und | |
viele sind der Demonstration mit ein bisschen Abstand hinterhergezogen, | |
laut grölend. Ich und andere Fotografen, wir haben neben der | |
antifaschistischen Demonstration dann auch die Rechten fotografiert. Einige | |
haben den Hitlergruß gezeigt und uns beschimpft, es sind sogar Flaschen | |
geflogen. Als wir die Polizei darauf angesprochen haben, kam nur ein | |
spöttischer Spruch: „Nicht provozieren, dann kann nichts passieren.“ | |
Haben Sie schon direkte Bedrohung durch die Polizei erlebt? | |
Am 23. August 2015 in Heidenau, ja: An den Tagen davor hatte es schon | |
heftige Ausschreitungen gegen eine Zwangsunterkunft für Geflüchtete | |
gegeben. In der Nacht waren Polizisten mit Flaschen und Bengalos | |
angegriffen worden. Am 23. August wurde dann eine antifaschistische | |
Kundgebung veranstaltet, wo ich als Fotograf war. Ein Kollege von mir hat | |
einen Polizeibeamten von hinten fotografiert. Dann wurde er von der Polizei | |
festgenommen, er hätte Porträtaufnahmen gemacht. Meine Kollegen und ich | |
haben der Polizei bestätigt, dass er nur von hinten fotografiert hat und | |
dachten, damit wäre die Sache rum. Aber da wurde der Kollege von zwei | |
Polizisten rechts und links untergehakt, sie haben ihm die Arme auf den | |
Rücken gedreht und ihn zu ihrem Fahrzeug gebracht. Seine Personalien wurden | |
aufgenommen und es wurde gedroht, ihm die Speicherkarte wegzunehmen. Falls | |
er seine Bilder veröffentliche, würde er eine Anzeige bekommen. | |
Am 1. Mai 2016 in Plauen wurden wir ebenfalls an der Arbeit gehindert: Es | |
gab eine Demo von der Nazi-Organisation „Der dritte Weg“. Dagegen wurde | |
eine Demo veranstaltet von mehreren linken Gruppen bis hin zur SPD, also | |
ein breites Bündnis. Als Fotografen haben wir zum Teil auch die Antifa-Demo | |
fotografiert. Dort setzte die Polizei Pfefferspray ein, wegen angeblicher | |
Vermummung. Wir wollten das dokumentieren, wurden aber davon abgehalten. | |
Bei rechtsextremen Angriffen auf Journalist*innen – haben Sie erlebt, dass | |
die Polizei da einschreitet? | |
Naja, am 25. September 2016 war ich in Bautzen. Dort waren schon die Tage | |
zuvor Geflüchtete angegriffen worden. An dem Abend wollten sich Rechte auf | |
dem Marktplatz treffen. Sogar die internationale Presse war da. Es kam | |
tatsächlich eine große Gruppe zusammen. Die Polizei war auch da und sperrte | |
den Platz ab. Ich habe einen Kameramensch beobachtet, der vor der Polizei | |
auf die Straße ging. Er war vielleicht 45 Meter von den Nazis entfernt und | |
hat sie gefilmt, 10 Meter von der Polizei entfernt. Da ist ein Neonazi quer | |
über die Straße gerannt und hat dem Kameramann einen Karatetritt verpasst. | |
Ich habe es sogar fotografiert. Der Mann war zum Glück nicht verletzt. Als | |
wir die Polizei fragten, sagte sie, „sie hätten nichts gesehen oder es sei | |
wohl Provokation gewesen“. | |
Wie gehen Sie mit solchen Vorfälle um? | |
Damals habe ich das Foto des Angriffs auf Twitter veröffentlicht. Dann erst | |
sah sich die Polizei genötigt, zuzugeben, dass der Vorfall stattgefunden | |
hat. Meine erste Auseinandersetzung hatte ich 2000 auf einer | |
NPD-Demonstration in Dresden. Aber ich meine, Kameraleute erleben das | |
täglich. Es ist Alltag. Kollegen in Sachsen sagen mir oft: „Du Glücklicher, | |
du fährst danach wieder weg.“ Für die ist es normal geworden. | |
Nach dem Vorfall von Dresden – ändert sich jetzt was? | |
Nein, denn ich glaube, die Grundhaltung dahinter ist ganz tief in den | |
Köpfen. Es ist ja kein sächsisches Problem. Also auch, aber die Haltung ist | |
weit verbreitet und fest verankert. Es gibt jetzt ein paar Schönwetterreden | |
und vielleicht ein Bauernopfer, den LKA-Mann. Aber die Situation wird sich | |
nicht wesentlich verändern. Das kann sie nicht, wenn die Leute in | |
entscheidenden Positionen nicht endlich umdenken. | |
Wie lässt sich die Spannung zwischen Journalisten und Polizei verringern? | |
Es geht darum, mit Polizisten in Führungspositionen zusammenzuarbeiten und | |
sich für Sensibilisierung stark zu machen: Was ist ihre Arbeit, was ist | |
unsere Arbeit. Konflikte kommen ja auf, weil wir als Fotografen dicht ran | |
müssen an das Geschehen, um zu berichten, und sie als Polizisten dicht ran | |
müssen wegen Straftaten. Die rechtlichen Grundlagen ihrer und unserer | |
Tätigkeit müssen klar sein. Die Polizei darf nicht der Erfüllungsgehilfe | |
der Rechten sein. | |
24 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Kohler | |
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Michael Kretschmer | |
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