# taz.de -- Chronologie einer Polizeikontrolle: Überforderung in Dresden | |
> Seit einer Woche wird über eine Polizeikontrolle von Journalisten | |
> diskutiert. Die taz konnte das gesamte Bildmaterial sichten. Ein | |
> Protokoll. | |
Bild: ZDF-Journalist Arndt Ginzel (rechts) bei der Polizeikontrolle in Dresden … | |
BERLIN/LEIPZIG taz | Seit der Fernsehjournalist Arndt Ginzel bei Twitter | |
ein Video hochgeladen hat, das ihn und seinen Kameramann bei einer | |
umständlichen Polizeikontrolle am Rande eines Merkel-Besuchs in Dresden | |
zeigt, wird erbittert darüber gestritten: Hat die sächsische Polizei sich | |
zum Handlanger von Pegida-Demonstranten gemacht? Oder lief alles korrekt | |
ab? Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte schon | |
Stunden, nachdem das Video online ging, eine eindeutige Meinung: „Die | |
einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten“, | |
schrieb er auf Twitter. Wie konnte er das so schnell beurteilen? | |
Arndt Ginzel und die Redaktion von Frontal 21, in deren Auftrag die | |
Aufnahmen entstanden, haben es der taz am wochenende ermöglicht, das | |
Filmmaterial in voller Länge zu sichten. Die Aufnahmen zeigen eine | |
überforderte Polizei, die die aktuelle Rechtsprechung offenbar nicht kennt, | |
Journalisten bei ihrer Arbeit behindert und streitsüchtigen | |
Pegida-Demonstranten weit entgegenkommt. | |
Weil hier grundsätzliche Fragen der Pressfreiheit berührt werden, hat die | |
taz am wochenende entschieden, als erste Zeitung ein möglichst genaues | |
Protokoll der Ereignisse zu veröffentlichen. Redundante Passagen wurden für | |
die bessere Lesbarkeit zusammengefasst. Das Filmmaterial wurde mit der | |
Darstellung der sächsischen Polizei abgeglichen, dabei zeigten sich einige | |
Widersprüche. | |
Von der Kontrolle existieren im Rohmaterial elf gefilmte Minuten. | |
Allerdings wird die Kamera häufig an- und abgeschaltet, auch auf Verlangen | |
der Polizisten. Die tatsächliche Länge der Polizeikontrolle kann daher aus | |
den Filmaufnahmen nicht exakt rekonstruiert werden. Ginzel spricht von etwa | |
45 Minuten. Die Polizei bestätigt das. | |
*** | |
Donnerstag, 16. August, 17.40 Uhr. Der Kameramann Gerald Gerber filmt | |
Pegida-Demonstranten, die gegen den Besuch von Angela Merkel in Dresden | |
protestieren. Sie kommen vom Sächsischen Landtag und sind auf dem Weg | |
Richtung Messegelände. Dort soll die Kundgebung laut Polizeibericht fünfzig | |
Minuten später fortgesetzt werden. | |
Gerald Gerber hat schon 34 Minuten Filmmaterial auf Band, als er seine | |
Kamera einschaltet und die Menge filmt, die mit erhobenen Schildern eine | |
Straße entlangläuft und „Lügenpresse“ skandiert. „Mach die Kamera aus�… | |
hört man aus dem Off. | |
Nach zwanzig Sekunden sieht man zum ersten Mal, wie ein Mann und eine Frau, | |
beide mit schwarz-rot-goldenen Deutschlandhütchen, durchs Bild laufen. „Du | |
dicker Mann bist nicht unser Volk“, sagt ein Mann mit Basecap, der am Rand | |
steht. „Nie im Leben seid ihr unser Volk.“ Er deutet auf einen Mann im | |
schlammfarbenen T-Shirt. Es ist nach taz-Informationen René Seyfried aus | |
Freital, der dort die Proteste gegen das Asylbewerberheim mitorganisiert | |
hat. | |
## Mitarbeiter des sächsischen Landeskriminalamts | |
Seyfried schimpft zurück. Neben ihm steht der Mann mit Deutschlandhut, er | |
zeigt mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Kameramann und skandiert: | |
„Lügenpresse!“ Später wird sich herausstellen: Er ist ein Mitarbeiter des | |
sächsischen Landeskriminalamts. Er heißt Maik G., ist 43 Jahre alt, aus | |
Dresden und im Ermittlungsdezernat für Wirtschaftskriminalität tätig. | |
Plötzlich löst er sich aus der Menge und geht auf den Kameramann zu. Er | |
stellt sich vor die Kamera und sagt: „Hören Sie auf, mich zu filmen. Sie | |
halten die Kamera direkt auf mich zu. Sie begehen eine Straftat.“ Die Sätze | |
wiederholt er mehrere Male. | |
„Gehen Sie doch weiter“, sagt der Kameramann. | |
„Sie haben mich ins Gesicht gefilmt, das dürfen Sie nicht“, sagt der | |
LKA-Mann mit dem Deutschlandhütchen. „Frontalaufnahme. Sie haben eine | |
Straftat begangen. Wir klären das jetzt polizeilich.“ | |
Die Frau, die mit ihm unterwegs ist, hält die Kamera zu. Der Mann sagt: | |
„Wir warten jetzt, bis die Polizei kommt oder ich setze Sie vorläufig fest; | |
das Recht habe ich als Bürger.“ „Wollen Sie mich festnehmen oder was?“, | |
fragt der Kameramann. „Nein, nicht festnehmen. Ich setze Sie vorläufig | |
fest. Weil wir jetzt die Polizei holen. Und die Polizei, der Einsatzleiter, | |
schaut sich an, was Sie für Aufnahmen gemacht haben. Ich untersage Ihnen | |
hier öffentlich, mich zu filmen. Wenn eine Aufnahme irgendwo auftaucht, im | |
Netz oder in den Medien, werde ich Sie verklagen.“ | |
Schnitt. Als die Kamera wieder angeht, hört man den Kameramann, wie er mit | |
dem Journalisten Arndt Ginzel telefoniert. Er hat sich dazu ein Stück von | |
den Demonstranten entfernt. Ginzel ist noch nicht vor Ort. Er fährt gerade | |
im Auto zur Veranstaltung und hat die Diskussion über seine | |
Freisprechanlage verfolgt. | |
Der Hütchen-Mann kommt nun wieder direkt auf den Kameramann zu. „Sie filmen | |
frontal ins Gesicht“, sagt er. „Das ist eine Straftat. Bitte gehen Sie mit | |
zur Polizei, ich habe Sie offiziell aufgefordert.“ Er zeigt auf die | |
Polizisten, die wenige Meter entfernt stehen. | |
Ein jüngerer Mann in einem grünen T-Shirt kommt dazu, er macht eine | |
aggressive Bewegung Richtung Kamera. „Mach die Kamera weg“, ruft er. | |
„Lassen Sie mich in Ruhe“, sagt der Kameramann. | |
„Es wurde Ihnen untersagt und Sie kommen jetzt mit zur Polizei. Ich habe | |
Sie mehrmals aufgefordert“, sagt der Hütchen-Mann. | |
Der Kameramann nähert sich der Polizei. Schnitt. | |
In der nächsten Aufnahme sieht man, wie ein blonder Polizist auf den | |
Kameramann zugeht. „Gehen Sie mal her“, sagt er und deutet nach rechts. | |
Drei Polizisten gehen mit dem Kameramann ein Stück zur Seite. „Haben Sie | |
den Presseausweis mit?“ „Ja, hab ich“, sagt der Kameramann. Der Polizist | |
nickt auffordernd. „Geben Sie den.“ Ein Mann in kariertem Hemd kommt und | |
filmt den Kameramann mit seinem Smartphone. „Ich will doch mal wissen, wer | |
das ist hier.“ Die Polizei schiebt den Mann im Hemd zur Seite. | |
## Der Kameramann zeigt seinen Ausweis | |
Die Aufnahme bricht ab. Als es weitergeht, hört man den Kameramann, wie er | |
sagt: „Wir können auch rübergehen, dann zeige ich Ihnen meine Papiere, da | |
ist mein Auto.“ Der Kameramann filmt den Mann im Hemd, der zwischen zwei | |
Polizeifahrzeuge geführt wird. Jemand hält seine Linse zu. „Lassen Sie mich | |
doch jetzt mal arbeiten, bitte“, sagt der Kameramann. „Solange die Papiere | |
nicht da sind, bleibt die Kamera aus“, sagt der Polizist. | |
Die Aufnahme bricht wieder ab. Der Kameramann geht nun mit den Polizisten | |
zu seinem Auto und zeigt seinen Ausweis – davon gibt es keine Bildaufnahme. | |
In der nächsten Einstellung ist der Journalist Arndt Ginzel zu sehen, wie | |
er neben dem Kameramann auf dem Parkplatz steht. „Personalausweis zurück“, | |
sagt einer der Polizisten, der eine Sonnenbrille trägt. „Presseausweis | |
behalte ich noch.“ Er hält ihn locker in der Hand. | |
„Ich möchte gerne, dass Sie ihm den Presseausweis wieder zurückgeben“, sa… | |
Ginzel. „Ja, der wird noch überprüft“, sagt der Polizist. „Warum müsse… | |
’nen Presseausweis überprüfen?“, fragt Ginzel. Der Polizist schweigt. „… | |
ich auf der Fahndung oder was?“, fragt der Kameramann. Der Polizist nickt | |
und schaut weg. Er schweigt. | |
„Warum kontrollieren Sie hier in Sachsen einen Presseausweis eines | |
Journalisten, der sich ausgewiesen hat beziehungsweise der sich gar nicht | |
ausweisen muss?“, fragt Ginzel. | |
„Äh“, sagt der Polizist. Es klingt wie ein Stöhnen. | |
„Bitte?“, fragt Ginzel. | |
„120 von 151 kommen“, sagt der Polizist in sein Funkgerät. | |
Ginzel sagt zum Kameramann: „Ist doch so, dass sie letzten Endes den Willen | |
des Pegida-Demonstranten exekutieren.“ | |
Ginzel sagt zum Polizisten: „Also, die Polizei in Sachsen lässt sich | |
Presseausweise auf Anforderung von Pegidanten auf der Straße zeigen. | |
Sympathisieren Sie mit denen?“ | |
Der Kameramann zoomt auf das Gesicht des Polizisten: Es ist ausdruckslos, | |
er hat immer noch seine Sonnenbrille auf. „Warten Sie mal ganz kurz“, sagt | |
er. | |
„Warum weisen Sie sich nicht aus uns gegenüber?“, fragt der Kameramann. | |
„Ja“, sagt der Polizist. Er dreht langsam den Kopf zum Kameramann. | |
„Was ja?“, fragt der Kameramann. | |
„Nach welchem Gesetz, aus welchem Grund beschlagnahmen Sie hier einen | |
Presseausweis?“, fragt Ginzel. | |
„Sie bekommen ihn gleich wieder, er wird nur überprüft“, sagt der Polizis… | |
„Was wollen Sie denn da überprüfen?“, fragt Ginzel. „Wollen Sie beim | |
Deutschen Journalistenverband nachfragen?“ | |
„Die Tatsache war ja jetzt – Sie hatten keinen bei sich, als Sie gefilmt | |
haben“, sagt der Polizist. „Und die Person, die Sie gefilmt haben, hat auch | |
gesagt, dass sie nicht gefilmt werden möchte.“ | |
„Niemand muss seinen Presseausweis in Sachsen auf Demonstrationen zeigen“, | |
sagt Ginzel. „Warum hier?“ | |
„Ich frag gerade ab“, sagt der Polizist. „Aber es ist alles voll. Ich komm | |
nicht raus.“ | |
Es geht hin und her. Der Polizist bleibt einsilbig. Ginzel sagt zum | |
Kameramann: „Was Schönes für ,Zapp' (das Medienmagazin des NDR, Anmerkung | |
der Redaktion). Das wird lustig.“ | |
„Die Presseausweise hab ich überprüft“, sagt der Polizist in sein | |
Funkgerät. „Sehen richtig aus. Würde ich jetzt wieder zurückgeben, | |
Presseausweis, und zurückkommen.“ | |
Der Polizist gibt dem Kameramann seinen Presseausweis zurück. „Ihr | |
Presseausweis. Alles in Ordnung.“ | |
Laut dem Sprecher der sächsischen Polizei, Thomas Geithner, dauerte dieser | |
Teil 15 Minuten und lief unter „Gefahrenabwehr“ – wegen der verbalen | |
Auseinandersetzung zwischen dem Mann mit dem Deutschlandhut und den | |
Journalisten. „Dass das etwas länger gedauert hat, lag auch daran, dass | |
einer der Journalisten seinen Presseausweis nicht bei sich trug, sondern | |
ihn erst aus dem Auto holen musste. Aber mehr als 15 Minuten ist schon | |
lang, eigentlich geht so etwas schneller“, sagt Geithner. | |
## Arbeitsrechtliche Schritte | |
Allerdings musste Geithner einräumen, dass nur die Journalisten | |
kontrolliert wurden, nicht der Hütchen-Mann vom LKA. „Um die Situation zu | |
deeskalieren, haben die Kollegen ihn gebeten, einfach weiterzugehen“, sagte | |
er der taz. | |
Da die Personalien nicht festgestellt wurden, bekam das LKA dann auch erst | |
am Montag einen Tipp, dass es sich bei dem Mann um einen LKA-Mitarbeiter | |
handelte. Es dauerte etwas, bis sie ihn ans Telefon bekamen, da der Mann im | |
Urlaub war. Er habe sich nicht strafbar gemacht und es liege auch keine | |
Anzeige gegen ihn vor, betont Tom Bernhardt, Sprecher des LKA. | |
Man prüfe arbeitsrechtliche Schritte. „Möglicherweise greift die | |
Wohlverhaltenspflicht aus dem Arbeitsrecht.“ Weitere Angaben wollte er | |
nicht machen. „Was die Angestellten des LKA in ihrer Freizeit tun, habe ich | |
überhaupt nicht zu bewerten.“ | |
Auf dem Videomaterial ist zu sehen, wie die Journalisten zu ihrem Auto | |
laufen. Plötzlich kommt wieder der blonde Polizist auf die Journalisten zu, | |
der den Kameramann ganz am Anfang angesprochen hatte. „Ich bräuchte noch | |
mal Ihre Personalien“, sagt er. „Wieso?“, fragt Ginzel. „Ich soll sie m… | |
notieren“, sagt der blonde Polizist. „Warum?“, fragt Ginzel. Der blonde | |
Polizist macht eine unbestimmte Geste und schweigt. Zwei weitere Polizisten | |
kommen dazu. | |
„Das ist jetzt eine polizeiliche Maßnahme“, sagt ein Polizist mit Bart. | |
„Die sich gegen einen Kameramann richtet, ja?“, sagt Ginzel. „Das ist ja | |
erst mal vollkommen egal“, sagt der Polizist mit Bart. „Wir machen hier | |
kein Interview. Sie packen das Mikrofon weg.“ „Entschuldigung, ich bin | |
Journalist“, sagt Ginzel. „Sie sind ja zu uns gekommen“, sagt der | |
Kameramann. Ein dritter Polizist setzt sich eine Sonnenbrille auf und packt | |
seine Videokamera aus. Er stellt sie auf ein Stativ und filmt die Szene. | |
## Polizeiliche Maßnahmen | |
„Wir gehen nicht gegen die Presse vor“, sagt der Polizist mit Bart. „Doch, | |
Sie gehen gerade gegen einen Kameramann vor, ohne dass es irgendeinen | |
belastenden Grund gibt“, sagt Ginzel. „Das stimmt doch gar nicht“, sagt d… | |
Polizist mit Bart. „Na ja, was ist denn der Grund?“, fragt Ginzel. „Was i… | |
denn der Verdacht?“ Der Polizist mit Bart macht eine Geste mit der Hand, er | |
stammelt, schaut zu Boden, sagt nichts, aber der Ton läuft weiter. „Wollen | |
Sie uns verprügeln oder verhaften?“, fragt Ginzel. „Filmen einstellen“, | |
sagt der Polizist mit der Kamera. Die Aufnahme bricht ab. | |
In der nächsten Aufnahme sagt der blonde Polizist: „Ich bräuchte mal Ihren | |
Presseausweis.“ „Den habe ich gerade eben doch schon gezeigt“, sagt der | |
Kameramann. „Wollen Sie mich veralbern oder was?“ Ginzel trägt seinen | |
Ausweis um den Hals, er hält ihn dem blonden Polizisten hin. „Und was ist | |
denn jetzt die polizeiliche Maßnahme?“, fragt Ginzel. „Wir kontrollieren | |
den Presseausweis“, sagt der Polizist mit Bart. „Und mit welcher | |
Berechtigung?“, fragt Ginzel. „Dass Sie Leute abfilmen“, sagt der Polizist | |
mit Bart. „Wir filmen Leute ab auf einer Demonstration. Das ist verboten?“, | |
fragt Ginzel. „Da drüben ist keine Demonstration“, sagt der Polizist mit | |
Bart. „Das waren aber Demonstrationsgänger“, sagt Ginzel. „Aber die | |
Demonstration wurde doch beendet, die wurde doch aufgelöst“, sagt der | |
Polizist mit Bart. „Die sind gerade da rübergegangen“, sagt Ginzel, „um | |
dann weiter zu demonstrieren, falls Ihnen das entgangen ist. Und das wollen | |
Sie verhindern, ja? Sie wollen uns unsere Arbeit schwermachen, dass wir | |
nicht rechtzeitig dort sind.“ | |
Auftritt René Seyfried, es ist inzwischen 18 Uhr. „Ich würde gerne gegen | |
den Mann Anzeige erstatten. Der hat uns als Hartz-IV-Empfänger beschimpft.“ | |
René Seyfried ist ein Transportunternehmer aus einem Nachbarort von | |
Freital, ehemaliger Bürgermeisterkandidat der Bürgerinitiative „Freital | |
steht auf“ und führte im Jahr 2015 die Proteste vor der | |
Asylbewerberunterkunft an. Aus diesen Protesten heraus gründete sich die | |
Terrorzelle „Gruppe Freital“, deren Mitglieder Anfang dieses Jahres wegen | |
Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte und linke Politiker zu langen | |
Haftstrafen verurteilt wurden. Mit Leuten aus der Gruppe Freital war | |
Seyfried zumindest bekannt, erzählen Beobachter der Szene. Anfang 2016 | |
gedachte er der Verhafteten bei einer öffentlichen Kundgebung: Er wünschte | |
sich, dass „sie bald wieder unter uns sind und mit uns kämpfen“. | |
Nun steht er in Dresden und zeigt einen Journalisten wegen Beleidigung an. | |
„Alles gut“, sagt ein Polizist zu Seyfried. „Kommen Sie erst mal mit.“ … | |
blonde Polizist nimmt immer noch die Personalien der Journalisten auf. | |
„Dann können Sie gleich mal meine Strafanzeige aufnehmen“, sagt Ginzel. | |
„Gegen den Herrn. Dass der ’ne üble Nachrede, Verleumdung durchführt.“ | |
## Videomaterial und Polizeibericht stimmen nicht überein | |
Hier brechen die Aufnahmen ab. Ginzel erzählt, dass der Kameramann einen | |
Schritt in Richtung Seyfried macht und sagt: „Ich kann das aufklären.“ | |
Immerhin hat er den Mann mit dem roten Basecap auf Band, der Seyfried | |
tatsächlich beschimpft hat. Das scheint die Polizisten aber nicht zu | |
interessieren. Ein Polizist nimmt Ginzel beiseite, um mit ihm unter vier | |
Augen zu sprechen – so erzählt es Ginzel. Er sagt ihm, dass er einer | |
Straftat verdächtig ist. Da die Polizisten daran zweifeln, dass die | |
Journalisten fürs ZDF arbeiten, ruft Ginzel schließlich die Redaktion an. | |
Der Pressesprecher der Polizei kommt und telefoniert mit dem | |
Redaktionsleiter. Durch seinen Anruf in der Redaktion ist keine Verzögerung | |
entstanden, sagt Ginzel. Während des Gesprächs mit dem Pressesprecher wurde | |
die Anzeige noch aufgenommen. | |
Die Polizei stellt das anders dar: Das Gespräch zwischen dem Pressesprecher | |
und den Journalisten soll 15 Minuten gedauert haben. „Die eigentliche | |
polizeiliche Maßnahme war da aber schon beendet“, sagt der Sprecher | |
Geithner. | |
Er gibt außerdem an, dass der Grund für die zweite Kontrolle die Anzeige | |
von Seyfried war. Allerdings geht aus dem Videomaterial hervor, dass | |
Seyfried erst nach der zweiten Kontrolle dazukam. Auch auf Nachfrage bleibt | |
die Polizei bei ihrer Version. Als die Polizisten die Anzeige von Seyfried | |
aufgenommen haben und die Journalisten gehen dürfen, bleibt für Ginzels | |
Anzeige wegen Verleumdung keine Zeit mehr, erzählt er: Wenn sie an diesem | |
Tag noch drehen wollen, müssen sie schleunigst los. Auch vor diesem | |
Hintergrund erscheint es unplausibel, dass sie 15 Minuten mit dem | |
Pressesprecher geplaudert haben. | |
Einige Tage später zieht Seyfried seine Anzeige gegen Ginzel zurück. Am | |
Mittwoch entschuldigt er sich öffentlich bei Facebook auf der Seite der | |
„Bürgerinitiative Freital“. Er habe den Mann mit dem Basecap | |
fälschlicherweise für Ginzel gehalten. Ob es wirklich eine Verwechslung gab | |
oder ob er absichtlich vor der Polizei gelogen hat, um die Journalisten zu | |
behindern, bleibt unklar. | |
Das Video der Journalisten hat in dieser Woche weite Kreise gezogen und in | |
Sachsen eine Regierungskrise ausgelöst. Sachsens SPD-Chef und | |
stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig warf dem Koalitionspartner | |
CDU nach Kretschmers Äußerungen eine Verharmlosung rechter Tendenzen vor. | |
An diesem Donnerstag hat das Video den Innenausschuss des Landtags | |
beschäftigt – vor allem wegen des LKA-Mitarbeiters. Seither wollen alle mit | |
Ginzel sprechen. Seyfried will es; das Polizeipräsidium hat die | |
Journalisten ebenfalls eingeladen. | |
Ginzel hat das Angebot von Seyfried ignoriert. „Soll ich mich mit dem an | |
einen Tisch setzen und sagen: Alles ist dufte?“ Er ist am Donnerstag schon | |
wieder auf Recherche gefahren und war den ganzen Tag unterwegs. Er will | |
mehr über den Mann mit Deutschlandhut herausfinden, der beim | |
Landeskriminalamt angestellt ist. | |
Dass Menschen aus der rechten Szene Polizisten auffordern, die Personalien | |
von „angeblichen Journalisten“ zu überprüfen, hat Ginzel jetzt schon öft… | |
gehört und auch erlebt. Und auch, dass Polizisten sich instrumentalisieren | |
lassen. Er fürchtet, dass sich das pressefeindliche Klima weiter aufheizt. | |
Deshalb, sagt er, war es wichtig, dass sie an die Öffentlichkeit gegangen | |
sind. | |
Bleibt die Frage: Was wäre gewesen, wenn niemand die Polizeikontrolle | |
gefilmt hätte? Ob man Ginzel geglaubt hätte? | |
Mitarbeit: Konrad Litschko | |
24 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Steffi Unsleber | |
Malene Gürgen | |
## TAGS | |
Polizei Sachsen | |
Schwerpunkt Pegida | |
Sachsen | |
Polizei Sachsen | |
Fanartikel | |
Behördenversagen | |
Chemnitz | |
Polizei Sachsen | |
Polizei Sachsen | |
Polizei Sachsen | |
Polizei Sachsen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Polizei in Sachsen: Bewaffnete Charmeoffensive | |
Zwischen Nachwuchssorgen und rechten Skandalen: Sachsens Polizei versucht, | |
ihren Ruf zu verbessern – und fängt bei den Ausbildungsstätten an. | |
Dinge des Jahres 2018: „Die Leute verkleiden sich gerne“ | |
Ein Deutschland-Schlapphut wurde 2018 zum politisch aufgeladensten | |
WM-Accessoire. Aber wie hat das den Umsatz von Fanartikeln beeinflusst? | |
LKA Sachsen entschuldigt sich: NSU-Decknamen bei Erdoğan-Besuch | |
Zwei sächsische LKA-Beamte tragen sich mit dem Namen des Rechtsterroristen | |
Uwe Böhnhardt in eine Dienstliste. Kurz vor ihrem Einsatz in Berlin werden | |
sie abgezogen. | |
Linken-Politikerin über Hass in Chemnitz: „Es gibt einige rechte Hotspots“ | |
Die Gewaltbereitschaft bei Demonstrationen nach dem Tod eines 35-Jährigen | |
sorgt für Entsetzen. Die Linken-Politikerin Juliane Nagel wirft der Polizei | |
Versagen vor. | |
Forderung der Grünen: „Kretschmer muss sich entschuldigen“ | |
Nach einem Treffen mit dem ZDF-Team entschuldigte sich der Dresdener | |
Polizeipräsident. Grünen fordern dasselbe vom sächsichen | |
Ministerpräsidenten Kretschmer. | |
Fotograf über Polizei und Presse: „Was ist ihre Arbeit, was ist unsere?“ | |
Groß ist der Aufschrei nach der Störung eines ZDF-Teams auf einer | |
Pegida-Demo. Fotograf Christian Ditsch glaubt trotzdem nicht, dass sich | |
etwas ändern wird. | |
Neue Erkenntnisse zu Pöbel-Demonstrant: Hat LKAler Zugriff auf sensible Daten? | |
Der Mann mit dem Deutschlandhut soll Zugang zu einer polizeilichen | |
Datenbank über Straftäter haben. Verbindungen zur rechten Szene werden | |
überprüft. | |
Politiker über rechte Struktur in Sachsen: „Ein Spiegelbild der Gesellschaft… | |
Auch bei Polizei und Justiz in Sachsen gebe es leider viel zu viele | |
Anhänger von AfD und Pegida, sagt der Linkenpolitiker André Hahn. Die | |
Politik sei gefragt. |