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# taz.de -- Aussöhnung Kanzlerin und Innenminister: „Politik ist immer Emoti…
> Zum Ende der Sommerpause haben wir Merkel und Seehofer an einen Tisch
> gesetzt – quasi. Um zu klären, wie es nach dem Streit weitergeht.
Bild: Was sie wohl in der Tasche hat? Zumindest reden die beiden wieder miteina…
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) geben
am Sonntag ihre Sommerinterviews. Merkel um 18.30 Uhr im Ersten, Seehofer
um 19.10 Uhr im ZDF.
Das Verhältnis der beiden gilt als zerrüttet. Vor der Sommerpause stritten
sie wochenlang darüber, ob Flüchtlinge an der deutschen Grenze abgewiesen
werden sollen. Können beide zusammen weitermachen?
Die taz konnte die Kanzlerin und ihren Intimfeind vorab an einen Tisch
bringen. Die Atmosphäre war konstruktiv und lösungsorientiert. Die
Antworten sind Originalzitate – aus Interviews, Reden und Pressekonferenzen
der vergangenen Monate.
taz am wochenende: Frau Merkel, Herr Seehofer, wie schön, dass Sie sich
nach der Sommerpause Zeit für uns nehmen.
Angela Merkel: In der Tat ist diese sommerliche Begegnung schon eine
Tradition.
Horst Seehofer: Sie glauben gar nicht, wie schön Politik sein kann, wenn
man nicht Zeitung liest, sondern solche Termine macht.
Sie beide haben sich ja während des Sommers böse gestritten, zum Beispiel
über die Flüchtlingspolitik …
Seehofer: Ja, ich habe das auch gelesen. Wir müssen nicht nach Russland
schauen. Die meisten Fake News werden in Deutschland produziert, von Medien
wie von Politikern.
Äh, ja. Aber wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zueinander?
Seehofer: Es ist unverändert gut. Frau Merkel und ich sitzen oft im
Kanzleramt zusammen und sagen: Das glaubt uns jetzt kein Mensch, dass wir
trotz aller Differenzen ganz normal miteinander reden.
Merkel: Nun, wir haben einen Kompromiss gefunden, entlang dessen wir jetzt
handeln und der nach meiner festen Überzeugung auch von meinen
Überzeugungen abgedeckt ist. Das ist das, was für mich entscheidend war.
Wirklich? Wir hatten gelegentlich den Eindruck, Sie wollten die Kanzlerin
aus dem Amt mobben, Herr Seehofer.
Seehofer: Das hat mit der Wahrheit so viel zu tun wie eine Schildkröte mit
dem Stabhochsprung. Anders als es gelegentlich dargestellt wird, war der
Sturz der Kanzlerin für mich nie eine Option. Und der Bruch der
Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auch nicht.
Merkel: (schweigt)
Kommen Sie, Herr Seehofer, Sie haben einen Machtkampf in nie gekannter
Weise eskaliert – und verloren.
Seehofer: (lacht leise) Jetzt steht also der böse Seehofer vor Ihnen – der
Mörder, der Terrorist, der Rassist. Kampagnen, da können sie sich drauf
verlassen, die beschäftigen mich nicht. Genau diejenigen, die jeden Tag
dafür eintreten, dass man in der Politik Anstand und Stil zu bewahren hat,
überschütten mich mit Worten und Eigenschaften und Attributen, die weit
unter der Gürtellinie liegen.
Merkel: (schweigt)
Frau Bundeskanzlerin, was macht Sie eigentlich sicher, dass die CSU nicht
bei nächster Gelegenheit wieder ausrastet?
Merkel: Politik ist immer mit Emotionen verbunden. Deshalb geht es
emotional um die Sache – oder sachlich um Emotionen.
Geht es etwas konkreter? Herr Seehofer hat als Innenminister immerhin Ihre
Richtlinienkompetenz infrage gestellt.
Merkel: Sie haben das Schlüsselwort schon genannt. Wir haben am Ende dieser
Auseinandersetzung einen gemeinsamen Weg gefunden, der genau den
Richtlinien entspricht, die für mich wichtig sind, dass man nämlich nicht
einseitig, nicht unilateral, nicht unabgestimmt handelt und auch nicht
zulasten Dritter. Das Ergebnis unseres Disputes oder unserer
Auseinandersetzung war, dass wir einen Weg gefunden haben, um das
entsprechend diesen Richtlinien durchzusetzen. Darauf setze ich. Dann kann
Zusammenarbeit funktionieren. Wenn das nicht der Fall wäre, könnte
Zusammenarbeit in einer Regierung nicht funktionieren.
Herr Minister, die Bundeskanzlerin hat Ihnen in dem Streit mit der
Richtlinienkompetenz gedroht. Ist jetzt endgültig geklärt, dass sie die
Bestimmerin ist?
Seehofer: Wenn ich die Frage jetzt so beantworte, wie Sie sich das
vermutlich wünschen, dann wäre das verrückt. Man darf in der Politik nicht
immer davon ausgehen, dass Hierarchie herrscht. Dass einer das Sagen hat
und alle anderen zuzuhören haben und nur Befehle auszuführen haben. Man
muss sich miteinander verständigen, und ich glaub, das werden wir schaffen.
Merkel: (schaut auf ihre Hände)
Schließen Sie denn aus, dass Sie beide sich wegen der Flüchtlingspolitik
wieder in die Haare kriegen?
Seehofer: Ich bin immer sensibel gegenüber Argumenten und Kritik, schaue
drauf, wo etwas schiefläuft und man korrigieren muss.
Aber?
Seehofer: Dort, wo Grenzen überschritten, Regeln missachtet oder Gesetze
gebrochen werden, gilt für mich null Toleranz. Mein Masterplan ist fertig.
Darf die Kanzlerin das als Drohung verstehen?
Seehofer: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das auflösen. Ich kann es
Ihnen nicht garantieren, aber der feste Wille ist da. Wir wissen schon, wie
man verantwortlich mit der Situation umgeht.
Frau Bundeskanzlerin, wie wollen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern nach
diesem Sommertheater noch erklären, dass die Union geschlossen dasteht?
Merkel: Viele fragen sich: Ist das nachvollziehbar, was wir dort diskutiert
haben? Da würde ich sagen: Die Tonalität war oft sehr schroff. Aber jede
Art von Auseinandersetzung, von Streit, nun zu vermeiden, damit die
Gesellschaft nicht gespalten erscheint – ich glaube, Versöhnung in einer
Gesellschaft kann nur durch das Austragen von Meinungsverschiedenheiten
geschehen. Die Form, in der das passieren muss, ist sicherlich noch
verbesserungsfähig.
Was sagt man eigentlich zueinander, wenn man sich nach einem Riesenzoff
unter vier Augen trifft?
Seehofer: Das ist wie im praktischen Leben. Das dauert dann viele Stunden,
bis auch erwachsene Menschen allmählich den Schalter umlegen und sich
wieder vernünftig verhalten. Ich habe dann gerne eine Mandarine oder eine
Orange geschält, weil das wenigstens eine Betätigung war, ohne dass man
begründen muss …
Merkel: … aber schweigend in der Ecke hab ich auch nicht gesessen. Davon
dürfen Sie ausgehen.
Werden Sie auch mal laut?
Merkel: Nein. Klares Nein.
Seehofer: Ja, in der Politik wirken auch ganz normale Menschen wie Sie und
andere. Mit all den Leidenschaften und Emotionen, die wir aus dem
Privatleben kennen. Warum soll jemand mal nicht zornig werden. Das passiert
bei mir ab und zu. Warum soll jemand mal nicht heulen, wenn ein
Lieblingsthema einfach nicht einigungsfähig ist. Ich finde, das ist
Normalität. Politiker sind doch keine Roboter, die keine Gefühle zeigen
dürfen.
Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Sie beide haben den Zenit ihres
Wirkens überschritten. Wie lange wollen Sie eigentlich noch weitermachen?
Seehofer: Wenn man noch etwas einbringen kann, dann spielt die Frage des
Alters überhaupt keine Rolle.
Merkel: Ich kann nicht finden, dass ich im Augenblick nicht gefordert bin.
Das war nicht die Frage, Frau Bundeskanzlerin.
Ich habe gegenüber den Menschen in Deutschland im Zusammenhang mit der
Bundestagswahl die Aussage getroffen, dass ich für diese Legislaturperiode
zur Verfügung stehe. Alles andere wird man erst im Rückblick entscheiden
können; darüber brauchen wir heute nicht zu spekulieren. Zu tun ist
jedenfalls genug; das will ich deutlich mitteilen.
Jetzt sagen Sie bitte zum Abschluss mal etwas Nettes übereinander.
Merkel: Das Herz kann nur sprechen, wenn die Zeit da ist.
Seehofer: (grinst) Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.
26 Aug 2018
## AUTOREN
Anja Maier
Ulrich Schulte
## TAGS
Lesestück Interview
Schwerpunkt Angela Merkel
Asyl
Horst Seehofer
CDU/CSU
Lesestück Recherche und Reportage
Aserbaidschan
Sami A.
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