# taz.de -- Streit um Gesichtserkennungssoftware: Die volle Kontrolle | |
> Hamburgs Polizei und der Datenschutzbeauftragte der Stadt streiten über | |
> die Rechtmässigkeit eines massenhaften Gesichts-Scannings im Rahmen der | |
> Strafverfolgung. | |
Bild: Manche kümmern sich lieber selbst darum, einer möglichen Überwachung z… | |
HAMBURG taz | Der Streit ist in vollem Gange. Zur Identifizierung von | |
G20-Straftätern setzt die Polizeiliche Sonderkommission „Schwarzer Block“ | |
seit Anfang März die Gesichtserkennungssoftware „Videmo 360“ ein. 31.637 | |
Dateien liefen bereits durch das Programm, das vorhandene Bilder | |
miteinander vergleicht und nach biometrischen Kriterien, die | |
Wahrscheinlichkeit bemisst, dass es sich bei zwei oder mehr „berechneten“ | |
Gesichtern um ein und dieselbe Person handelt. „Automatischer | |
Gesichtsvergleich, maßgeschneidert für Ihre Anwendung“, wirbt der | |
Karlsruher Hersteller der Software für sein Produkt. | |
Dass dessen Einsatz durch die Hamburger Polizei nicht legal ist, behauptet | |
der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar. In einer federführend | |
von der Polizei verfassten Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Linken | |
heißt es wörtlich, Caspar habe der Polizei am 5. Juli mitgeteilt, dass er | |
„den mit der Verwendung dieser Software einhergehenden Eingriff in das | |
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung von Betroffenen als | |
rechtswidrig bewertet“. Ein Großteil der G20-Ermittlungen wäre es damit | |
auch. | |
Caspar moniert, dass es überhaupt keine Rechtsgrundlage für den Einsatz der | |
Identifizierungs-Technik gibt. Diese, so hatten schon die | |
Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern erklärt, würde „die Freiheit, | |
sich in der Öffentlichkeit anonym zu bewegen, gänzlich zerstören“. | |
Gegenüber der taz spricht Caspar von „einer neuen Dimension der Kontrolle, | |
über den Aufenthaltsort und das Verhalten von Personen“. Der | |
Überwachungsstaat wäre Realität. | |
Doch die Polizei will trotz der massiven Rechtsbedenken von Caspar auf | |
diese Fahndungsmethode nicht verzichten. Im Gegenteil: Im | |
G20-Sonderausschuss kündigte sie vor der Sommerpause an, den | |
Gesichtsscanner-Einsatz in Zukunft stark forcieren und ausweiten zu wollen. | |
Caspar schickte sie in der zweiten Julihälfte zwei Stellungnahmen, in der | |
sie darauf beharrt, der Einsatz der Erkennungs-Technik sei rechtskonform. | |
Laut Innenbehörde schloss sich die Staatsanwaltschaft der polizeilichen | |
Bewertung an. | |
Der Konflikt ist da programmiert, droht zu eskalieren und könnte bald die | |
Justiz beschäftigen. Bis Ende des Monats will Caspar eine endgültige | |
Beurteilung der Software vornehmen. Und nichts spricht dafür, dass die | |
Polizei-Stellungnahmen seine Bedenken zerstreuen konnten. Bleibt Caspar bei | |
seiner Position und schafft die Polizei keine Abhilfe, landet die Sache vor | |
Gericht. Wer hier verliert – egal ob Datenschützer oder Polizeiführung – | |
wäre brüskiert. | |
„Es geht in diesem Verfahren um eine grundsätzliche Fragestellung, die am | |
Ende bundesweite Auswirkungen haben kann“, erläutert Caspar die Relevanz | |
des Konflikts. Hamburg beschreite mit dem Einsatz der Technik juristisches | |
„Neuland“. Wird die Technik – wie angekündigt – „in der täglichen | |
Ermittlungsarbeit“ der Polizei eingesetzt, würden Daten „von Gesichtern | |
auch völlig unbeteiligter Personen aus allen erdenklichen Bereichen | |
zusammengezogen und (…) verknüpft“. | |
Damit droht die totale Kontrolle über den Aufenthalt jedes Einzelnen, oder | |
wie Caspar es nennt, „eine enorme Herausforderung für die Rechte und | |
Freiheiten Betroffener“. Denn die können sich gegen ihre Erfassung und die | |
Speicherung ihrer Daten kaum wehren, sie würden nicht einmal davon | |
erfahren. | |
## Enorme Datenflut | |
Dass es um enorme Datenfluten mit geringem Fahndungsertrag geht, zeigt die | |
Fahndung nach mutmaßlichen G20-Straftätern. Über 15.000 Videos und fast | |
16.500 Bilder wurden durchs System gejagt, die Gesichter Tausender Personen | |
so analysiert und bewertet. Sieben Wochen dauerte es allein, den | |
Daten-Everest einzulesen. Am Ende des Mammut-Prozederes konnte die Polizei | |
nach eigenen Angaben dann genau drei Tatverdächtige identifizieren. | |
„Dass die hochgepriesene Software noch nicht die Ergebnisse liefert, die | |
sich die SoKo ‚Schwarzer Block‘ versprach, beruhigt nicht“, sagt die | |
innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion Christiane Schneider, die die | |
Befürchtungen von Caspar teilt und seine kritische Stellungnahme „sehr | |
begrüßt“. | |
Auch in der rot-grünen Koalition wird hinter den Kulissen über den Einsatz | |
der Erkennungs-Software heftig gestritten. Denn nicht nur für die | |
innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller, wirft „die generelle | |
Anwendung“ der Technik „viele Grundrechtsfragen auf“. | |
16 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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