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# taz.de -- Gesichtserkennung auf Videos: Hamburger Polizei hat Datenhunger
> Die Polizei will dauerhaft eine Software nutzen, die sie für die
> Strafverfolgung nach G20 installiert hat. Kritik kommt vom
> Datenschutzbeauftragten.
Bild: Könnte gegen Gesichtserkennung helfen: Kopf in die Tüte stecken
HAMBURG taz | Die Hamburger Polizei will die Software, die sie im Nachgang
des G20-Gipfels nutzt, um mutmaßliche StraftäterInnen zu identifizieren,
jetzt dauerhaft einsetzen. Das bestätigte ein Polizeisprecher der taz. Der
hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hält die Technologie
für verfassungsrechtlich bedenklich und prüft, dagegen vorzugehen.
Mit einer solchen Software kann die Polizei aus Übersichtsaufnahmen und
Videos anhand biometrischer Merkmale Gesichter erkennen, herausfiltern und
speichern. Wie die Gesichtserkennung allerdings genau eingesetzt wird – ob
sie lediglich zum Auffinden von Personen im Bildmaterial dient oder auch
ein Abgleich mit vorhandenen Fotos aus Polizeiakten erfolgt, ist unklar.
Auch der Name der Software ist unbekannt.
Im Juli war dem Chef der Sonderkommission „Schwarzer Block“, Jan Hieber, im
G20-Sonderausschusses die Nachricht herausgeplatzt, nunmehr einen „völlig
neuen Standard in der Beweisführung“ zu besitzen. Demnach steht der Polizei
seit März das Gesichtserkennungsprogramm zur Fahndung nach G20-Gewalttätern
zur Verfügung. Damit können auffällige Merkmale markiert und in der Masse
von Videodaten gesucht werden, die inzwischen einen Umfang von über 100
Terabyte hat.
Das Vorbild für die Software kommt aus den USA: Nach dem Anschlag beim
Marathon 2013 in Boston setzte die Polizei dort das
Gesichtserkennungsprogramm von Amazon ein. Nach den sexuellen Übergriffen
in der Silvesternacht 2016 in Köln wurde das Programm zum Bundeskriminalamt
nach Deutschland transferiert.
Der Einsatz eines derartigen Instruments ermöglicht es zum einen,
Standortdaten, Verhaltensprofile sowie auch soziale Kontakte Betroffener
zusammenzufügen und unbekannte Täter, von denen lediglich Gesichtsaufnahmen
vorliegen, in der Datenmasse zu finden.
Zum anderen ist auch eine Inverssuche nach Personen über deren biometrische
Bilder möglich, die einem bestimmten Spektrum zugeordnet werden und etwa
in Gefährderdateien oder Melderegistern namentlich erfasst sind. Es lässt
sich so ermitteln, ob diese Personen etwa an einer Demonstration
teilgenommen und bei bestimmten Ausschreitungen Straftaten begangen haben.
„Für die Annahme, dass Gefährder tatsächlich durchgeprüft werden, liegen
uns allerdings derzeit keine Anhaltspunkte vor“, sagt Caspar. „Es besteht
jedoch ein hohes abstraktes Gefährdungspotenzial mit Blick auf das
informationelle Selbstbestimmungsrecht“, so der Datenschutzbeauftragte.
Was ihm außerdem Sorge bereitet: Die automatisierte Gesichtserkennung setz
eine möglichst große Menge personenbezogener Daten voraus. „Wenn das
Verfahren dazu führt, dass von allen auf dem Bildmaterial abgebildeten
Personen individuelle Gesichts-IDs erstellt werden, über die eine
biometrische Analyse läuft, werden massenhaft Daten Unbeteiligter über
längere Zeiträume in Datenbanken gespeichert.“ Es sei davon auszugehen,
dass die Betroffenen darüber nicht informiert werden, und sich folglich
auch nicht juristisch wehren können, moniert Caspar.
Auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Antje Möller, äußert
Skepsis. Im Rahmen der Strafverfolgung beim G20-Protest sei die temporäre
Anwendung von Gesichtserkennungsprogrammen vielleicht noch „sinnvoll und
vertretbar“ gewesen, so Möller. „Die generelle Anwendung wirft hingegen
viele Grundrechtsfragen auf.“
6 Aug 2018
## AUTOREN
Kai von Appen
## TAGS
Gesichtserkennung
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