# taz.de -- Handy-Verbot in französischen Schulen: Schöne alte Welt | |
> Frankreich verbannt Smartphones aus dem Unterricht. Das ist | |
> realitätsfern. Geschulte Lehrkräfte mit Digital-Kompetenz wären weitaus | |
> sinnvoller. | |
Bild: Ein Handy neben dem Englischbuchfällt schneller auf als eins, das heimli… | |
Smartphones gelten als ungesund. Sie machen angeblich die Daumen krumm, | |
bremsen die Schwimmgeschwindigkeit der Spermien und lassen die Halswirbel | |
erstarren. Konsequent nur, dass die Geräte in vielen Schulen auf der | |
Sünden-Skala ähnlich hoch eingeordnet sind wie die Kippe hinter der | |
Turnhalle. [1][In Frankreich sollen sie künftig sogar per Gesetz aus | |
Unterrichtsräumen und von Pausenhöfen verbannt werden.] Das Handyverbot | |
wird an Vorschulen, Grundschulen und weiterführenden Schulen gelten. | |
Das französische Parlament setzt damit ein Wahlversprechen Emmanuel Macrons | |
um. Und der feiert sich nun für Fortschritt auf dem Bildungssektor – der | |
aber leider in die falsche Richtung geht. Denn anstatt Zeit und Geld in | |
eine sinnvolle Eingliederung der Geräte ins Curriculum zu investieren, | |
simulieren französische (ähnliche wie auch jetzt schon bayerische) | |
Schüler*innen und Lehrer*innen am Vormittag eine schöne alte Welt ohne | |
Smartphones, die – und das hat sich mittlerweile langsam | |
herauskristallisiert – es so wohl nicht mehr geben wird. | |
Da Schule ja bekanntlich auf die Realität vorbereiten soll, gehören Handys | |
und was man Bereicherndes mit ihnen anstellen kann, auf den Lehrplan. Ein | |
solches Verbot ist einfach nicht zeitgemäß. | |
Vom Hausaufgabenorganiseren über Cloud-Apps, in denen Lehrmaterial | |
zugänglich gemacht wird, bis hin zu Vokabeltrainern oder einem digitalen | |
Karteikartensystem: All das ist sinnvoll für den Alltag – wenn die jungen | |
Smartphone-Nutzer*innen nicht sowieso schon selbst herausgefunden haben, | |
dass das Gerät mehr kann als WhatsApp und Instastories. | |
Keine Klassensprecher*in muss sich heute noch selbstlos dazu bereit | |
erklären, Kisten mit Duden oder Brockhäusern aus dem verstaubten Raum neben | |
dem Lehrerzimmer zu holen, wenn die gesamte Schülerschaft die | |
umfangreichsten Nachschlagewerke stets in der Hosentasche hat. Bleibt der | |
Lehrkraft die sehr wichtige Aufgabe, zu vermitteln, wie die | |
Informationsflut im Netz richtig genutzt und unseriöse Angebote | |
identifiziert werden können. | |
Kaum vorstellbar, wie zeitgemäß es wäre, Geräte mit einem Whiteboard zu | |
verbinden, um gemeinsam Tafelbilder zu bearbeiten, Videos oder Audiodateien | |
vorzuspielen oder Websites an die Wand zu werfen. | |
Laut einer Studie des Cornelsen-Verlags aus dem Jahr 2015 besitzt ein | |
durchschnittliches deutsches Gymnasium lediglich 50 PCs und 25 Notebooks, | |
4 Tablets und 7 Whiteboards für etwa 880 Kinder und Jugendliche. Wie | |
praktisch, dass Schüler*innen diese Defizite in Budget und Ausstattung | |
ihrer Bildungseinrichtung durch eigenes Equipment ausgleichen können. | |
Wenn das Smartphone geduldetes Hilfsmittel oder Untersuchungsgegenstand im | |
Unterricht würde, ließe sich sein Umgang sehr viel besser kontrollieren. | |
Geräte gleich neben dem Englischbuch sind schneller überblickt als die, die | |
heimlich aus der Tasche gezogen und unter dem Tisch gecheckt werden. | |
## Cybermobbing spielt sich rund um die Uhr ab | |
Mit dem Handyverbot will die französische Regierung erreichen, dass sich | |
Schüler*innen wieder besser konzentrieren können. Auch Mobbingfälle sollen | |
verringert werden, wenn das Smartphone in der Schule verboten ist. Die | |
Begründung: Ohne Handy lässt sich keine Schulhofprügelei filmen. | |
Der Gedanke aber ist paradox: Wenn die Schlägerei schon der Lehrerschaft | |
entgeht, bleibt das heimlich mitgeführte Smartphone zum Filmen sehr | |
wahrscheinlich auch unentdeckt. Cybermobbing ist zweifelsohne ein großes | |
Problem. Aber es spielt sich rund um die Uhr ab. Smartphone-Verbote halten | |
Schüler*innen nicht davon ab, nach Schulschluss Beleidigungen und Gerüchte | |
auf sozialen Netzwerken zu verbreiten. | |
Umso wichtiger, dass das Thema immer wieder im Unterricht besprochen wird | |
und dafür kompetente Lehrer*innen über die sozialen Mechanismen von | |
Snapchat, Facebook und Co. aufklären und mit den Schüler*innen diskutieren. | |
Immerhin ist das Smartphone-Verbot eine gute Nachricht für diejenigen, die | |
noch so richtig „old school“ rebellieren wollen: Ist die Pausenaufsicht mit | |
der Handyjagd auf dem Schulhof beschäftigt, raucht sich die Zigarette | |
hinter der Turnhalle gleich viel entspannter. | |
31 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Leonie Gubela | |
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