# taz.de -- Kommentar Obike-Insolvenz: Fahrvergnügen statt Profit | |
> Kostenlose Leihfahrräder für alle – das ist eine alte antikapitalistische | |
> Idee. Als Geschäftsmodell funktioniert das Ganze offenbar schlecht. | |
Bild: Die Leihfahrräder dürfen überall abgestellt werden. Entsprechend sieht… | |
So werden aus politischen Forderungen Geschäftsmodelle: Die anarchistischen | |
Provos in den Niederlanden forderten als erste kostenlose Fahrräder für | |
alle. Sie entwickelten in den 1960-er Jahren den „Witte Fietsenplan“ | |
(„Weißen Fahrradplan“) für Amsterdam – weiße Fahrräder ohne Schloss, | |
kostenlos für jedermann und jederfrau nutzbar. | |
Dem Stadtrat gefiel das nicht, auch weil das weiße Fahrrad als | |
antikapitalistisches Symbol galt. In den Jahren danach haben zahlreiche | |
Städte mit „kommunalen Fahrrädern“ experimentiert. Leider nicht | |
erfolgreich. | |
Heute haben Investoren die Idee übernommen. In Berlin, Hamburg, Frankfurt | |
und anderen Großstädten stellen Firmen Unmengen von Leihfahrrädern auf. | |
Anders als in den Zeiten der witten Fietse gegen üppige Gebühren, versteht | |
sich. Interessierte können Räder über spezielle Suchfunktionen auf ihren | |
Mobiltelefonen finden, abgerechnet wird meistens über die Kreditkarte. | |
In Großstädten wie Berlin versperren Tausende Räder vieler verschiedener | |
Anbieter Straßen und Gehwege. Denn die Räder können irgendwo abgestellt | |
werden, nicht nur in speziellen Stationen. Gegen einen Aufpreis, der | |
augenscheinlich nicht hoch genug ist. | |
## Der Markt ist übersättigt, der Bedarf dennoch groß | |
Jetzt ist mit Obike aus Singapur einer der großen Anbieter insolvent, und | |
es ist ungewiss, was mit den Tausenden seiner gelb-silbernen Räder | |
geschieht, die in Städten herumstehen. Die Pleite kann niemanden wundern, | |
ein Spaziergang durch eine Großstadt zeigt, dass es viel zu viele Leihräder | |
gibt. | |
Der Markt ist übersättigt. Dabei ist der Bedarf groß – allerdings an guten | |
Fahrrädern, unkomplizierten Entleihsystemen und vor allem: bezahlbaren | |
Modellen. | |
Es wird Zeit, die Idee der Provos wieder aufzugreifen – nicht nur in | |
Großstädten, sondern auch und gerade auf dem Land. Denn da sind die | |
Nahverkehrsverbindungen meistens miserabel. | |
Wenn Fahrräder schon nur gegen Geld verliehen werden, dann sollten die | |
Kommunen die Sache wenigstens selbst in die Hand nehmen und Modelle | |
entwickeln, die vielleicht keine Gewinne, aber großes Fahrvergnügen und | |
mehr Mobilität bringen. | |
15 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Anja Krüger | |
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