# taz.de -- Sampler mit Musik aus Botswana: Die Freiluft-Saloons von Gaborone | |
> Gitarre spielen und einen Hirse-Shake zischen: Auf „I’m not here to hunt | |
> rabbits“ kann man eigenwillige Musiker aus dem Süden Afrikas entdecken. | |
Bild: Ronnie Moipolai mit seiner Gitarre | |
Wer sagt eigentlich, dass man beim Gitarrespielen mit der linken Hand immer | |
von unten um den Hals greifen muss? Die Frage stellt sich unweigerlich, | |
wenn man sich [1][YouTube-Videos] einer Reihe von Country-Blues-Musikern | |
aus Botswana ansieht. Die machen das nämlich andersherum – mit der Linken | |
greifen sie von oben über den Hals. | |
Auch sonst hat ihre Handhabung der Gitarre so ihre Eigentümlichkeiten. | |
Bespannt sind ihre Instrumente etwa nur mit vier Seiten, davon sind drei | |
Höhensaiten. Dazu kommt eine Basssaite, manchmal wird ein Fahrradbremszug | |
benutzt oder einfach Drahtverhau vom Zaun. Oft sind die Saiten offen | |
gestimmt. Wenn überhaupt, ein Stimmgerät wurde hier am Rande der | |
Kalahari-Wüste jedenfalls noch nicht gesichtet. | |
Das New Yorker Label The Vital Record hat mit Piranha Records in Berlin | |
unter dem Titel [2][„I’m not here to hunt rabbits“] eine Compilation dies… | |
wunderbar exzentrischen Folk-Musik veröffentlicht. Musik, die außerhalb | |
Botswanas fast unbekannt ist und an den frühen Country-Blues vom | |
Mississippi-Delta gemahnt, in der aber auch der Wüstenblues Malis anklingt. | |
Zu den schrägen Akkorden wird meist durchgängig mit dem Daumen eine | |
Basslinie gezupft. Dazu ertönen raue Stimmen, die wirken, als seien sie von | |
viel Schnaps, Staub und Wüstensand geschliffen worden. | |
David Aglow, Labelchef von The Vital Record, hatte 2009 auf YouTube einige | |
der Künstler aus Botswana entdeckt – ein bis auf das Okavangodelta fast | |
komplett trockenes Land der Größe Frankreichs mit gut zwei Millionen | |
Einwohnern. Aglow fand heraus, dass Johannes Vollebregt hinter den Videos | |
steckte. Der Holländer war 1979 als Entwicklungshelfer ins Land gekommen. | |
Vollebregts Videos sollte man sich unbedingt ansehen. Blitzschnell gleiten | |
die Finger der Gitarreros über die Saiten, die auch mit der Handfläche, | |
Fingerknöcheln und Ellenbogen bearbeitet werden. Die Videos ergänzen die | |
Porträts im Beiheft des Albums, wo etwa über Ronald „Ronnie“ Moipolai | |
steht, er sei einer der nur noch wenigen richtigen Wandermusiker und könne | |
sich am nächsten Tag oft nicht erinnern, wo er seine Gitarre in der Nacht | |
gelassen habe („Don’t worry. I always get it back.“). | |
Außer Motlogelwa „Babsi“ Barolong (der 85-Jährige ist Kuhhirte, Schreiner | |
und Nachtwächter) sollen übrigens alle Künstler von ihrer Musik leben | |
können. Manch einer hat es zu bescheidenem Ruhm gebracht, andere leben von | |
der Hand in den Mund und werden pro Lied bezahlt, wenn sie in Chabins | |
auftreten, Open-Air-Saloons, wo das billige Shake-Shake angeboten wird, ein | |
alkoholhaltiges Hirsegetränk. | |
Abends kann es hier schon rau zugehen – genauso wie in den schlechten | |
Vierteln der Hauptstadt Gaborone. Von solch zwielichtigen Orten und den | |
Gefahren handeln einige Lieder, andere drehen sich um Unfälle, böse Geister | |
in Handys und segensreiche Kondome. | |
Wovon die Menschen in Botswana so leben, beschreibt Molefe „Western“ | |
Lekgetho in seinem Song „Machikilani“: „Ein Drittel schlägt sich irgendw… | |
durch, ein anderes Drittel hat gute Jobs, und das letzte Drittel sind | |
Wachmänner, die das Eigentum derjenigen mit guten Jobs vor denen schützen, | |
die keine Arbeit haben.“ | |
19 Jul 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Tx4cRw6TIIg | |
[2] http://www.piranha.de/piranha/various_artists/i_m_not_here_to_hunt | |
## AUTOREN | |
Ole Schulz | |
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