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# taz.de -- Streit um Kündigungen in Bergwerk: Ein Haufen Schikane
> Am Steinhuder Meer stellt K+S die Förderung ein. Mitarbeiter des
> Kali-Bergwerks kritisieren das Unternehmen: Statt Sozialplan übe es Druck
> aus.
Bild: Abraumhalde der Kaliproduktion: der „Kalimandscharo“ am Steinhuder Me…
HANNOVER taz | LED-Grablichter scheinen grell an der Zufahrt des
Bergbauunternehmens K+S im niedersächsischen Wunstorf. Sie sind Zeichen des
Protests der Mitarbeiter des Standorts nahe des Steinhuder Meers. Schon
seit dem vergangenen Jahr ist klar, dass mit der Kaliproduktion im Bergwerk
Sigmundshall Ende dieses Jahres Schluss ist. Die wirtschaftlich zu
gewinnenden Vorräte an Rohsalz neigten sich dem Ende zu, [1][erklärte K+S
damals.]
Den angekündigten Sozialplan für die Mitarbeiter gibt es auch mehr als ein
halbes Jahr später noch nicht. Die Verhandlungen scheiterten im Juni. Jetzt
läuft das Verfahren vor der Einigungsstelle – und die Beschäftigten
kritisieren öffentlich, dass das Unternehmen Druck auf sie ausübe.
Vanessa Schön hat die [2][Facebook-Gruppe „Solidarität mit Sigmundshall“
gegründet], um auf die Situation der Arbeitnehmer aufmerksam zu machen. Ihr
Mann arbeitet als Bergmann bei K+S, seit 18 Jahren unter Tage. Er ist einer
der betroffenen 730 Mitarbeiter, die gerade um ihre Zukunft bangen. „Es
hieß, dass Anfang des Jahres jeder weiß, was mit ihm passiert“, sagt Schön.
Doch das Unternehmen habe sich Zeit gelassen – und die Arbeitnehmer im
Dunkeln. Schön wirft K+S gar „Mafiosi-Methoden“ vor.
Schon im Dezember hatte das Unternehmen angekündigt, „möglichst vielen“
Mitarbeitern neue Arbeitsplätze an anderen Standorten der K+S Gruppe
anbieten zu wollen. Mittlerweile hat es Angebote gegeben. Der Vorwurf von
Schön und ihren Mitstreitern ist jedoch, dass die angebotenen Arbeitsplätze
in vielen Fällen nicht der Qualifikation der Mitarbeiter entsprochen haben
sollen und zudem schlechter bezahlt seien. „Außerdem sind sie unter Druck
gesetzt worden“, sagt Schön.
K+S habe Fahrten zu anderen Standorten organisiert, damit sich die
Arbeitnehmer die neuen Arbeitsplätze hätten anschauen können. „Dort wurden
ihnen unterschriftsreife Verträge gegeben“, sagt Schön. „Die sollten sie
gern sofort unterschreiben. Nach dem Motto: Wollen Sie oder nicht?“ Denn da
seien noch andere Mitarbeiter, die den Job wollten.
Schöns Mann war bei diesen Fahrten nicht dabei. Ein Angebot hat aber auch
er bekommen. „Eine Lohngruppe unter dem, was er jetzt bekommt.“ Zudem würde
der Bergmann über Tage arbeiten und damit die Möglichkeit, mit 55 Jahren
vorzeitig in Rente zu gehen, verlieren. Diese sogenannte
Knappschaftsausgleichsleistung steht Bergleuten zu, die 25 Jahre unter Tage
gearbeitet haben.
Annehmen wolle die Familie das Angebot nicht. „Wir können nicht.“ Sie
kümmere sich um ihre zwei pflegebedüftigen Großmütter und arbeite als
Leiterin einer Kita. Ihr Haus haben sie erst vor zwei Jahren gebaut.
Familie Schön will klagen und hofft darauf, dass der 41-Jährige es unter
die 220 Arbeitskräfte schafft, die für die nächsten drei bis vier Jahre in
Wunstorf bleiben können, weil die Anlage noch zurückgebaut werden muss,
bevor das Bergwerk geflutet wird. „Wir haben das Gefühl, dass die Angebote
so schlecht waren, weil K+S möchte, dass sie abgelehnt werden“, sagt Schön.
Unternehmenssprecher Ulrich Göbel bestreitet, dass K+S Druck ausgeübt habe.
„Drückermethoden entsprechen nicht der Art, wie wir mit Mitarbeitern
umgehen.“ Man habe interessierten Mitarbeitern schon früh Jobmöglichkeiten
an anderen Standorten angeboten und diesen tatsächlich mit Bussen die Werke
und die Umgebung vor Ort gezeigt. Für die Mitarbeiter mit der passenden
Qualifikation habe das Prinzip gegolten: „Wer sich zuerst entscheidet,
bekommt den Zuschlag.“ Denn die offenen Stellen seien begrenzt gewesen.
„Wenn Mitarbeiter das als Druck empfinden, ist das bedauerlich“, sagt
Göbel.
100 Mitarbeiter seien bisher auf die Angebote eingegangen. Weitere 100
Angestellte wechselten in den vorzeitigen Ruhestand. „Es bleiben circa 300
Mitarbeiter, für die es keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit mehr gibt“,
sagt Göbel. Die Kündigungen gingen bis Anfang nächster Woche raus. Auch
diese Mitarbeiter hätten jedoch die Möglichkeit, andere Stellen im
Unternehmen anzunehmen. „Die werden allerdings nicht immer der bisherigen
Qualifikation und der Lohnstufe entsprechen“, sagt Göbel. Um den Menschen
trotzdem einen Anreiz für den Umzug zu setzen, zahle K+S bis zu 40.000 Euro
zusätzlich zum Umzug.
Ralf Becker von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie hatte
das in den gescheiterten Verhandlungen um den Sozialplan noch anders
verstanden. Dass den Mitarbeitern Stellen an anderen Standorten angeboten
wurden, begrüßt er und auch die Fahrten zu den Werken findet er sinnig.
„Aber es ist klar, dass die Leute eine gleichwertige Beschäftigung und das
gleiche Geld bekommen müssen“, sagt Becker. Sonst motiviere der Arbeitgeber
nicht dazu, den Lebensmittelpunkt in eine andere Stadt zu verlegen.
Die Verhandlungen über den Sozialplan in der Einigungsstelle gingen gestern
noch bis Redaktionsschluss.
24 Jul 2018
## LINKS
[1] http://www.k-plus-s.com/de/news/presseinformationen/2017/presse-171129.html
[2] https://www.facebook.com/solidaritaetmitsigmundshall/
## AUTOREN
Andrea Maestro
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