# taz.de -- Vorbild für die „Transitzonen“: Das Niemandsland auf dem Flugh… | |
> Horst Seehofers „Transitzonen“ gibt es längst: Flüchtlinge werden bis zu | |
> 19 Tage im „Flughafenverfahren“ am Frankfurter Airport festgehalten. | |
Bild: Flüchtlinge erleben den Aufenthalt wie eine Internierung, so Bernd Mesov… | |
FRANKFURT AM MAIN taz | Das Gebäude 587 in der Frankfurter Cargo-City-Süd, | |
in unmittelbarer Nachbarschaft des Frankfurter Flughafens ist von außen | |
gesichert wie ein Gefängnis. Hohe Zäune, nach innen abgewinkelte Pfosten, | |
überall Überwachungskameras. | |
Tausende Flüchtlinge sind hier gestrandet, seit 1993 als Reaktion auf | |
gestiegene Asylbewerberzahlen das „Flughafenverfahren“ eingeführt wurde. | |
Menschen, die auf dem Frankfurter Flughafen ankommen und die nicht die | |
erforderlichen Papiere vorzeigen können, landen hier im Transitzentrum, im | |
Niemandsland neben dem Flughafengelände. In dem schmucklosen, zweistöckigen | |
Gebäudekomplex, der einen grasbewachsenen Innenhof mit ein paar Bäumen | |
umschließt, werden Männer, Frauen und Kinder untergebracht, während die | |
Behörden die Rechtslage prüfen. | |
Juristen nennen das, was hier geschieht, eine „fiktive Nichteinreise“. | |
Obwohl die Ankommenden deutschen Boden betreten haben, bleiben sie im | |
Transitbereich, reisen formal also nicht ein. Es gibt eine amtliche | |
Überprüfung des Einzelfalls. Wenn kein begründeter Asylantrag vorliegt oder | |
die Einreise aus anderen Gründen verweigert werden kann, muss der oder die | |
Reisende Deutschland umgehend verlassen. Er oder sie wird „zurückgeführt“, | |
muss also in das Land zurückfliegen, aus dem er oder sie kam. Hat jemand | |
Geld, muss er den Rückflug selbst bezahlen. Hat er keins, muss die | |
Fluglinie dafür aufkommen, die ihn eingeflogen hat. Bis über einen Fall | |
entschieden ist, darf der oder die Betroffene die Einrichtung nicht | |
verlassen. | |
In den ersten beiden Tagen des Aufenthalts müssen die Mitarbeiter des | |
Bundesamts die Angekommenen anhören. Spätestens nach 19 Tagen dürfen die | |
Menschen die Einrichtung wieder verlassen – in die eine oder die andere | |
Richtung. | |
Es gibt zwar Freizeiteinrichtungen, etwa Tischtennisplatten oder einen | |
Tischkicker. Trotzdem beschreiben Flüchtlingshelfer die Lebenssituation im | |
Transit als trostlos. „Abgeschnitten von der Außenwelt ist es eine Art | |
Internierung“, sagt Bernd Mesovic von Pro Asyl. Auf eine Anfrage der | |
Linkspartei im Hessischen Landtag musste das Landessozialministerium | |
zuletzt mitteilen, dass es in dieser Einrichtung im vergangenen Jahr 18 | |
Fälle von Selbstverletzung oder Suizidversuchen gegeben hat. | |
Neben pro Asyl kritisieren auch die beiden großen Kirchen das | |
Flughafenverfahren. Die Flüchtlingsseelsorge der evangelischen Diakonie | |
beklagt zum Beispiel, dass in dieser Einrichtung auch Kinder und Schwangere | |
untergebracht werden, die nicht selten eine lange Leidenszeit hinter sich | |
hätten und traumatisiert seien. Diakonie und Caritas haben einen | |
Hilfsdienst eingerichtet. Das kleine Team führt Gespräche, vermittelt | |
Anwälte und Dolmetscher oder sorgt für psychologische Betreuung. | |
Die überwiegende Zahl derer, die das Flughafenverfahren durchlaufen haben, | |
werden anschließend in die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen gebracht, weil | |
sich die komplizierten Fragen von Asyl und Bleiberecht in der kurzen Frist | |
oft nicht endgültig klären lassen. Nach einem Bericht des Hessischen | |
Rundfunks durften im vergangenen Jahr von 380 Personen 300 zunächst | |
bleiben, lediglich 80 wurden direkt vom Flughafen aus wieder abgeschoben. | |
4 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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