# taz.de -- Bremer Grüne Schaefer über Kleingärtnerei: „Eine Graswurzelbew… | |
> In einem Pilotprojekt in Bremen-Walle soll die Umwidmung von Kleingärten | |
> zu Wochenendhäusern getestet werden. Maike Schaefer hofft auf einen | |
> Wandel. | |
Bild: Wenn es nach dem Landesverband der Gartenfreunde ginge, wären Kleingarte… | |
taz: Frau Schaefer, es soll grün-grünen Streit über die Umwidmung von | |
Kleingärten zu Wochenendhäusern geben – stimmt das? | |
Maike Schaefer: Nein. Die Frage war: Können wir in Bremen, was es bisher ja | |
noch nicht gab, Kleingärten als Wochenendhausgebiete ausweisen. Und klar | |
ist, und das ist auch grün-grüner Konsens: Wir wollen Kleingartengebiete | |
beziehungsweise das Grün erhalten – anders als der Landesverband der | |
Gartenfreunde. | |
Was will der denn? | |
Der will, dass Kleingärten, die brach liegen, Wohn- oder Gewerbegebiete | |
werden. Wir wollen aber, dass diese Gebiete als Grünflächen erhalten | |
bleiben. Hinzu kommt, dass es in einigen Vereinen schon lange den Wunsch | |
gibt, in den Kleingärten auch mal übernachten zu können. Ich sehe keinen | |
Grund, warum man das in Bremen nicht ermöglichen soll. Deswegen haben wir | |
eine Anfrage gestellt an den Senat, um herauszufinden: Was sind eigentlich | |
die Kriterien dafür? | |
Aber der grüne Bausenator fand die Idee nicht so gut … | |
Naja, er sagt, dass dann die Bebauungspläne geändert werden müssen und er | |
befürchtet, dass in einem Wochenendhausgebiet die Leute dauerhaft wohnen | |
werden. Aber das wollen wir ja auch nicht und das wollen die | |
Kleingartenvereine ebenfalls nicht. Das lässt sich ja auch regeln, zum | |
Beispiel über Maximalgrößen von Häusern. | |
Und was ist mit den Bebauungsplänen? | |
Ich habe festgestellt, dass man aus einem Kleingartengebiet, wenn der | |
politische Wille da ist, ohne Probleme plötzlich ein Gewerbegebiet machen | |
kann. So herum geht’s also schon. Das ist beispielsweise der Fall in der | |
Hannah-Kuhnert-Straße am Flughafen. Dort ist der Landesverband der | |
Gartenfreunde aktiv auf die Wirtschaftsbehörde zugegangen, weil sich der | |
Kleingartenverein vor Ort quasi auflöst. Es ist natürlich schon | |
verständlich, dass das Wirtschaftsressort ein Interesse daran hat, das | |
bereits bestehende Gewerbegebiet um dieses Stückchen zu erweitern, aber | |
trotzdem wollen wir Grünen eigentlich nicht, dass solche Gebiete auf diese | |
Weise umgenutzt werden. | |
Ausgerechnet Gartenfreunde treiben eine solche Umnutzung auch noch voran? | |
Der Vorsitzende Herr Judel und Frau Drechsler, die Geschäftsführerin, haben | |
sich letztes Jahr schon mehrfach öffentlich zu Wort gemeldet und gesagt: | |
Wir wollen Geschosswohnungsbau in Walle. Mir ist das alles völlig | |
unverständlich, denn eigentlich müsste es ja das ureigene Interesse eines | |
solchen Verbandes sein, dass Grünflächen erhalten bleiben. Kleingarten hat | |
ja, zumindest für mich, etwas mit Natur zu tun. Wir haben vorgeschlagen, | |
größere leer stehende Parzellen zusammenzufügen und daraus | |
Ausgleichsflächen zu machen. Aber der Landesverband findet, solche Flächen | |
wären zu unordentlich. | |
Benötigt Bremen Ausgleichsflächen? | |
Ja. Es sind in der Vergangenheit viele Millionen für Ausgleichsmaßnahmen in | |
Niedersachsen investiert worden, in der Drepteniederung beispielsweise, | |
weil wir hier nicht genug Flächen haben. | |
Werden die Kleingärtner einbezogen in die Entscheidungen des | |
Landesverbandes? | |
Nein, und das hat ganz viel Kritik hervorgerufen. Ich war bei der | |
Landesdelegiertenversammlung dabei und da haben viele Vereinsmitglieder und | |
-vorstände schon sehr deutliche Kritik geübt. Die wollen auch das Grün | |
erhalten sehen. Und Bebauung bedeutet ja auch: Man braucht Zuwege, | |
Kanalisation und so weiter – das schlägt ja Schneisen durch intakte | |
Kleingärten. | |
War die Versammlung auch Anlass für die Wochenendhaus-Idee? | |
Es gab dort Streit über die geplante Änderung der Landeskleingartenordnung. | |
Denn die war weder familienfreundlich – das geplante Trampolin-Verbot hat | |
ja für eine Art öffentlichen Aufschrei gesorgt – noch war sie | |
umweltfreundlich. Es sollten unter anderem Totholzhecken verboten werden, | |
wo man nur den Kopf schüttelt und sagt: In Zeiten des Insektensterbens muss | |
man so etwas eigentlich fördern, nicht verbieten. | |
Ein Rückschritt? | |
Ein totaler Rückschritt. Die Naturschutzverbände haben das auch bemängelt. | |
Es gab eine Menge Punkte, die das Gegenteil von zukunftsgewandt waren und | |
die gerade für die jüngere Generation und für junge Familien eher | |
abschreckend waren. | |
Finden auch deswegen viele Kleingartenvereine keinen Vorstand mehr? | |
Naja, es gibt Vereine und Vereine. Manche laufen gut, manche nicht so. Aber | |
klar ist, und das höre ich immer wieder aus unterschiedlichen Vereinen, | |
dass gerade junge Leute eher abgeschreckt werden. Wenn die Hecke über 1,20 | |
Meter hoch ist, muss sie beschnitten werden. Was früher mal Ideologie war, | |
also Transparenz, das gilt heute einfach nicht mehr. Viele Städter, die | |
höchstens mal einen Balkon haben, sind froh, wenn sie ein Gärtchen für sich | |
alleine haben, als Naherholung. | |
Dann gilt auch immer noch diese Ein-Drittel-Regelung … | |
… nach der ein Drittel des Gartens mit Obst und Gemüse bepflanzt werden | |
muss, genau. Das stammt aus einer Zeit, als man noch auf Selbstversorgung | |
gesetzt hat. Das ist heute aber nicht mehr nötig und macht vor allem viel | |
Arbeit – vor allem, wenn in einer Familie beide berufstätig sind. Und dann | |
möchte man mit seinen Kindern auch einfach nur mal ein Wochenende im Grünen | |
verbringen – auch über Nacht. | |
Welche Wünsche wurden noch geäußert? | |
Die Leute, gerade die ganz jungen Leute, wollen gern gemeinschaftlich | |
gärtnern, sie wollen insektenfreundliche Gärten. Sie wollen zurück zur | |
Natur. Sie haben andere ökologische Ansprüche, die nichts damit zu tun | |
haben, dass der Garten immer akkurat gemäht ist, sondern beispielsweise | |
damit, dass alte Bäume erhalten bleiben. Das ist ja auch nicht erlaubt. | |
Wie viel Spielraum bei den Regeln haben hier die einzelnen | |
Kleingartenvereine? | |
Am Ende regelt alles die Landeskleingartenverordnung, deswegen gab es da ja | |
auch diese heftige Diskussion. Interessant ist, dass der Landesverband der | |
Gartenfreunde bei dem Thema alte Bäume mit dem Bundeskleingartengesetz | |
argumentiert – aber wir haben nachgeschaut: Dort gibt es überhaupt keine | |
Regelung, die besagt, dass alte Bäume nicht in den Gärten stehen dürfen. | |
Diese Regelung gibt’s nur in der eigenen Verordnung. | |
Aber offenbar regt sich Widerstand … | |
Ja, ich war bei der Delegiertenversammlung ganz erfreut darüber, dass man | |
sehen und erleben konnte: Hier gibt es einen Generationenwechsel. | |
Und bald auch Wochenendhäuser? | |
Es soll zumindest ein Pilotprojekt am Waller Feldmarksee geben, was ich | |
schon einmal sehr positiv finde. Und es wird bei einigen interessierten | |
Vereinen geprüft, ob sie Wochenendhausgebiet werden können. Bei einigen | |
geht es aus durchaus nachvollziehbaren Gründen aber wohl nicht. | |
Wo und bei welchen denn nicht? | |
Woltmershausen in den Ruten beispielsweise ist offenbar | |
Überschwemmungsgebiet. Da wird geprüft, ob es nicht zu gefährlich ist, da | |
nicht nur zu gärtnern, sondern eben auch zu übernachten. Dann sind | |
wesentliche Fragen, ob es Rettungswege gibt, also ausreichend Zufahrtswege | |
für Feuerwehr und Krankenwagen und Dinge wie Entsorgung, Kanalisation, | |
Wasserversorgung. | |
Kann die Umwidmung der Startschuss für einen grundlegenden Wandel der | |
Kleingärtnerei in Bremen bedeuten? | |
Vielleicht, hoffentlich. Mehrere Vereine setzen sich ja schon seit Jahren | |
dafür ein, Wochenendhausgebiet zu werden. Hier ist es ja nicht so, dass | |
sich die Politik irgendwas ausgedacht hat, sondern dass die Idee von | |
denjenigen immer lauter wurde, die es betrifft – das ist schon so etwas wie | |
eine Graswurzelbewegung. Und dass die geplante Landeskleingartenverordnung | |
abgelehnt wurde, ist auch ein Signal dafür, dass die Mehrheit anders denkt | |
als früher, an Brutzeiten, an Insekten, an Natur, aber auch an Freizeit und | |
Erholung. Die Leute wollen gärtnern, aber gemeinsam und solidarisch und | |
nicht mehr wie vor 30 oder 40 Jahren, wo ein Kleingartenparadies einen mit | |
der Nagelschere geschnittenen Rasen und Gartenzwerge bedeutete. Die wollen | |
Natur und keine Nagelschere. | |
21 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
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