| # taz.de -- Integration von Flüchtlingen in Berlin: Das Konzept ist im Transit… | |
| > Das Konzept des Senats zur Integration Geflüchteter lässt auf sich | |
| > warten. Streit gibt es übers Geld – und darüber, wie großzügig das Land | |
| > Gesetze auslegen will. | |
| Bild: Der heutige Innensenator Geisel (r, SPD) auf dem Naturhof Malchow zusamme… | |
| Geht es um den Asylstreit im Bund, zeigt sich Rot-Rot-Grün einig. Seehofers | |
| „Ankerzentren“ will man hier nicht, Geflüchtete von dem kürzlich auf dem | |
| Mittelmeer umherirrenden Rettungsschiff „Lifeline“ hätte man aufgenommen. | |
| Doch die Harmonie ist dahin, wenn es um die konkrete Ausgestaltung der | |
| Integration von Geflüchteten geht. So musste die Verabschiedung des neuen | |
| „Gesamtkonzepts zur Integration und Partizipation Geflüchteter“, das den | |
| bisherigen „Masterplan Integration und Sicherheit“ aus dem Jahr 2016 | |
| ablösen soll, erneut verschoben werden. | |
| Eigentlich sollte das Konzept im April fertig sein; dann hieß es: vor der | |
| Sommerpause. Nun hofft der dafür verantwortliche Integrationsbeauftragte | |
| des Senats, Andreas Germershausen, dass es im September so weit ist. „Es | |
| gibt noch einzelne kleine Dissense“, sagte er der taz. Welche, möchte er | |
| aber nicht sagen: Denn darüber werde gerade verhandelt. | |
| ## Innenverwaltung sperrt sich | |
| Uneinigkeit gibt es nach taz-Informationen etwa zu aufenthaltsrechlichen | |
| Fragen. Dafür zuständig ist die der Innenverwaltung unterstehende | |
| Ausländerbehörde. Rot-Rot-Grün will laut Koalitionsvertrag „die bestehenden | |
| aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten für die Legalisierung, Erteilung und | |
| Verlängerung von Aufenthaltsrechten nach humanitären Gesichtspunkten | |
| ausschöpfen“. Bislang aber werden die rechtlichen Spielräume von der | |
| Ausländerbehörde oft nicht genutzt – und offenbar sperrt sich die | |
| Innenverwaltung dagegen, großzügiger zu agieren. | |
| Zum Beispiel bei der Erteilung von sogenannten Ausbildungsduldungen: Das | |
| sind fünfjährige Aufenthaltstitel für die Zeit der Ausbildung und zwei | |
| Jahre Beschäftigung danach. Oder beim Familiennachzug von minderjährigen | |
| Flüchtlingen: Hier haben sich die bundesrechtlichen Vorgaben zwar | |
| verschärft; die lokalen Ausländerbehörden können aber weiterhin im | |
| Einzelfall eine „besondere Härte“ erkennen und dem Auswärtigen Amt | |
| empfehlen, der ganzen Familie – auch den Geschwistern – ein Visum zu geben. | |
| Das geschehe oft aber nicht, beklagen AnwältInnen immer wieder. | |
| Gestritten wird natürlich auch übers Geld. Schon im Frühjahr wurde bei der | |
| Konferenz „Planbar“ zum Integrationskonzept, an der über 90 Initiativen, | |
| Gruppen, Projekte, NGOs und Verbände teilgenommen haben, die Vorgabe | |
| kritisiert, das Ganze müsse „kostenneutral“ sein – sprich: Mehr als das, | |
| was im Haushalt 2018/19 dafür vorgesehen ist, werde es nicht geben. | |
| „Das ist ein erhebliches Problem“, sagt Christian Lüder von „Berlin hilf… | |
| der die Konferenz mit vorbereitet hat. „Viele gute Ideen zu Integration und | |
| notwendige Verbesserungen sind unmöglich, wenn das so bleibt.“ Als Beispiel | |
| nannte er eine bessere Ausstattung der Wohnheime mit Sozialarbeitern und | |
| Psychologen, die Flüchtlingsorganisationen für dringend notwendig halten. | |
| Der Integrationsbeauftragte Germershausen kann die Kritik nachvollziehen. | |
| Die Vorgabe der Kostenneutralität käme von der Finanzverwaltung, die auf | |
| den bestehenden Haushalt verweise. Zudem argumentiere sie, die Zahl der neu | |
| ankommenden Flüchtlinge gehe ja zurück, da brauche es weniger Geld als beim | |
| Masterplan. Germershausen betont dagegen: „Es kommen zwar zurzeit weniger | |
| Geflüchtete in Berlin an. Wir machen aber ein Konzept für alle hier | |
| lebenden Geflüchteten. Und ich denke, die langfristige Integration der hier | |
| Lebenden ist nicht unbedingt günstiger.“ | |
| Im alten Masterplan waren zusätzliche Mittel von 41 Millionen Euro für 2016 | |
| und 109 Millionen Euro für 2017 vorgesehen. Allerdings wurden im letzten | |
| Jahr laut Germershausen lediglich 83 Millionen davon ausgegeben. Im neuen | |
| Haushalt sind für „Maßnahmen zur Umsetzung des Gesamtkonzepts zur | |
| Partizipation und Integration Geflüchter“ pro Jahr 60 Millionen Euro | |
| eingestellt. | |
| Inhaltlich wird das „Gesamtkonzept“ vermutlich gar nicht so weit weg sein | |
| vom alten Masterplan, auch weil als erfolgreich angesehene Maßnahmen | |
| fortgesetzt werden sollen, etwa die Integrationslotsen oder die | |
| VHS-Sprachkurse. Die Herangehensweise hat sich aber geändert. Damals ließ | |
| sich Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) den Masterplan von der | |
| Unternehmensberatung McKinsey schreiben. Für das neue Gesamtkonzept gibt es | |
| im Koalitionsvertrag die Vorgabe, dies „zusammen mit der Stadtgesellschaft“ | |
| zu entwickeln. | |
| Tatsächlich waren Wohlfahrtsverbände, Organisationen und NGOs in die Arbeit | |
| der neun Facharbeitsgruppen, die von Herbst bis Februar unter Federführung | |
| einer Senatsverwaltung getagt haben, teilweise mit eingebunden. Die Themen | |
| der Arbeitsgruppen waren unter anderem Ankommen & Bleiben, Wohnen & | |
| Soziales und Sicherheit & Prävention gegen Radikalisierung. | |
| Allerdings haben wohl nicht alle Senatsverwaltungen das mit dem Einbeziehen | |
| der Zivilgesellschaft wirklich ernst genommen. Verschiedene Initiativen | |
| hätten sich beschwert, dass sie nicht eingeladen wurden oder nur nach | |
| einigen Kämpfen, erzählt Christian Lüder. Nicht zuletzt deshalb habe man | |
| die Konferenz Planbar initiiert: um die Bedeutung der Perspektive der | |
| Zivilgesellschaft im Gesamtkonzept zu betonen. | |
| ## Kritik von Organisationen | |
| Deren Forderungen an das Konzept haben es in sich, wie das von „Berlin | |
| hilft“ veröffentlichte Protokoll der Konferenz zeigt: Das Ankunftszentrum | |
| im Tempelhofer Hangar müsse sofort geschlossen werden; Afghanen sollten | |
| bessere Aufenthaltstitel bekommen, da sie ohnehin nicht abgeschoben würden; | |
| zudem sollten einheitliche Qualitätsstandards für alle Unterkünfte gelten, | |
| auch für Hostels, heißt es beispielsweise an die Adresse des Senats. | |
| Letzteres Thema ist Diana Henniges von „Moabit hilft“ sehr wichtig: Sie | |
| fordert eine schnelle Einführung des sogenannten Heim-TÜVs für alle | |
| Unterkünfte. „Es kann doch nicht sein, dass Rot-Rot-Grün die teils | |
| katastrophalen Zustände in Heimen noch jahrelang dulden will.“ | |
| Ob und wie die Ergebnisse der Konferenz noch Eingang finden in das | |
| Gesamtkonzept, ist allerdings unklar. Zwar heißt es in der | |
| Konferenz-Dokumentation, die federführende Sozial- und | |
| Integrationsverwaltung habe „ihre Beachtung im Gesamtkonzept“ zugesagt. | |
| Germershausen ist da allerdings skeptisch. Der Zeitpunkt der Konferenz | |
| Mitte April sei „ungünstig“ gewesen, da die Facharbeitsgruppen ihre Arbeit | |
| damals schon beendet hätten. „Für Empfehlungen zum Konzept war es also zu | |
| spät. In der Umsetzung wird der Senat aber den Austausch mit den | |
| Initiativen wieder aufnehmen und ihre Bewertungen berücksichtigen.“ | |
| 9 Jul 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Susanne Memarnia | |
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