# taz.de -- EU-Asylpolitik am Weltflüchtlingstag: Der Tag, der nur ein Thema k… | |
> Am Weltflüchtlingstag bewirbt Merkel erneut die Einheit der EU. Im | |
> Anschluss bricht sie nach Jordanien und Libanon auf. | |
Bild: Gedenken der Toten: Protestaktion im Madrid zum Weltflüchtlingstag | |
Am Weltflüchtlingstag beherrschte das Asylthema erneut die Debatte. Am | |
Morgen wandten sich Wissenschaftler und Intellektuelle mit einem Aufruf | |
„Solidarität statt Heimat“ gegen den Kurs von Innenminister Horst Seehofer. | |
„Die Talfahrt des Rechtsstaates, des Asylrechts und der öffentlichen | |
Debatte erreicht alle drei Tage einen nächsten Tiefpunkt“, sagte Sabine | |
Hess, Professorin für Kulturanthropologie in Göttingen. Der Asylstreit | |
zwischen CSU und CDU liege ganz auf dieser Linie: „Innenminister Seehofer | |
fordert dabei offen zum Bruch europäischen Rechts auf im | |
rechtspopulistischen Überbietungswettbewerb.“ | |
Zur gleichen Zeit tagte in Berlin das Bundeskabinett. Es bestätigte den | |
Juristen Hans-Eckhard Sommer (CSU) als neuen Präsidenten des Bundesamtes | |
für Asyl und Migration. Der gilt als Hardliner in Sachen Asylrecht. „Wir | |
werden selbstverständlich an kurzen Asylverfahrenszeiten festhalten, | |
festhalten müssen“, sagte Sommer am Mittwoch bei seiner Vorstellung durch | |
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. | |
Eine Entscheidung solle in der Regel binnen drei Monaten fallen. Die | |
bayrische Landesregierung dementierte nach Sommmers Ernennung, dass dieser | |
früher beim Verfassungsschutz gearbeitet hat. Diese Information war der taz | |
Anfang der Woche aus bayrischen Sicherheitskreisen bestätigt worden. Dies | |
sei ein Missverständnis gewesen, hieß es nun. | |
## Merkel grenzt sich ab | |
Sommers „allerwichtigste Aufgabe wird sein, dass er das Personal des Bamf | |
zusammenführt und motiviert“, sagte Seehofer. Die Behörde brauche | |
motivierte Mitarbeiter, die sich als Familie verstünden. Er habe das | |
Einverständnis von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) für die | |
Entfristung von mehr als 3000 befristeten Stellen bei der Nürnberger | |
Behörde. | |
Nach der Sitzung nahmen Seehofer und Merkel gemeinsam an der Gedenkfeier | |
der Bundesregierung für die Opfer von Flucht und Vertreibung im Deutschen | |
Historischen Museum in Berlin statt. Zwischenzeitlich hatte es geheißen, | |
Seehofer würde absagen. Doch dann saß er in der ersten Reihe, als Merkel | |
die Festrede hielt. | |
Sie nutzt sie, um sich gegenüber Seehofer abzugrenzen. „Migration ist eine | |
europäische Herausforderung, vielleicht unsere größter Herausforderung“, | |
sagte Merkel. „Es geht um den Zusammenhalt der EU.“ An dieser Stelle | |
unterbrach das Publikum sie mit Applaus. | |
Es bedürfe klarer Regeln dazu, „wer kommen und wer bleiben darf“, sagte | |
Merkel. Doch es liege „im tiefsten Interesse unserer Länder, Europa | |
zusammen zu halten und diese Fragen gemeinsam zu lösen. Es würde nicht gut | |
sein, wenn das jeder zu Lasten des anderen täte.“ Die Formulierung wird sie | |
mit Bedacht gewählt habe: Genau darauf läuft schließlich hinaus, was | |
Seehofer derzeit so brachial zu erzwingen versucht. | |
## Gefahr der gering gebildeten Männer | |
Direkt nach ihrer Ansprache brach Merkel auf zu einer Reise nach Libanon | |
und Jordanien. Beide Länder hatten im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl | |
besonders viele Syrien-Flüchtlinge aufgenommen. „Wir haben erkannt, wie | |
wichtig es ist, heimatnah die Bildungsmöglichkeiten zu unterstützen“, sagte | |
Merkel. | |
Dass dies auch für jene Flüchtlinge gilt, die fern der Heimat sind, darauf | |
wies am Mittwoch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und | |
Entwicklung (OECD) hin. Sie präsentierte ihren Jahresmigrationsbericht und | |
ging auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit durch Zuwanderung ein. | |
In Ländern mit einem „starkem Zustrom von Flüchtlingen“ wie Schweden, | |
Deutschland und Österreich machten Migranten vor allem „Männern mit | |
geringer Bildung“ Konkurrenz, so der Bericht. Die OECD riet dazu, nicht nur | |
die Integration der Flüchtlinge zu fördern, sondern gezielt „die politische | |
Unterstützung für gering ausgebildete Männer zu verstärken“. | |
Für Deutschland prognostizierte sie einen möglichen Anstieg der | |
Arbeitslosigkeit durch die Flüchtlinge um sechs Prozent bis zum Jahr 2020. | |
Etwa 138.000 Arbeitslose mehr bedeuten, die Quote läge dann statt bei 5,1 – | |
ein Rekordtief, wie es seit der Wiedervereinigung nicht verzeichnet wurde – | |
bei 5,4 Prozent. Noch immer ein Wert, von denen viele EU-Staaten nur | |
träumen können. | |
20 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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