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# taz.de -- „Lifeline“ und „Sea-Watch“ im Mittelmeer: Seenotretter unte…
> Die europäische Abschottung zeigt Resultate. Der Kapitän der „Lifeline“
> muss vor Gericht. Die Schiffe anderer NGOs sind blockiert.
Bild: Darf das Land nicht verlassen: „Lifeline“-Kapitän Claus-Peter Reisch
Rom/Berlin taz | Das Schiff bleibt beschlagnahmt, der Pass wird eingezogen:
Der deutsche Kapitän des Seenotrettungsschiffs „Lifeline“ muss sich seit
Montag vor Gericht in Maltas Hauptstadt Valletta verantworten. Gegen eine
Kaution von 10.000 Euro ist Claus-Peter Reisch zwar auf freiem Fuß, darf
aber das Land nicht verlassen.
Malta wirft der Dresdner Nichtregierungsorganisation Mission Lifeline vor,
ihr Schiff sei nicht ordnungsgemäß registriert für die Seenotrettung in
hohen Gewässern. Die „Lifeline“ hatte vor Libyen rund 230 Menschen
gerettet, bevor sie tagelang im Mittelmeer ausharren musste, weil kein Land
das Schiff aufnehmen wollte. Letztlich durfte es am Mittwochabend
vergangener Woche in Valletta einlaufen.
Seenotrettungs-NGOs sehen im juristischen Vorgehen des Landes eine
politische Kampagne. „Wir hoffen, dass es nicht so ist“, sagte Neil Falzon
aus Reischs Verteidigungsteam vor JournalistInnen. „Aber wir vermuten, dass
die maltesische Regierung auf dem Lifeline-Vorfall herumhackt, um auf
Brüsseler Ebene ein politisches Statement zu machen, dass Grenzen
geschlossen werden müssen und Europa NGOs nicht toleriert, die Flüchtlinge
und Migranten auf See retten.“
Mission Lifeline postete am Sonntag [1][ein Dokument auf Twitter], das die
ordnungsgemäße Registrierung des Bootes beweisen soll. „Seit September 2017
segeln wir mit dem Wissen der niederländischen Behörden unter
niederländischer Flagge“, erklärte die Organisation.
Nach Angaben der niederländischen Regierung fährt das Schiff allerdings
nicht rechtmäßig unter niederländischer Flagge, wie die Deutsche
Presse-Agentur berichtet. Die „Lifeline“ sei nur im Register des
Wassersportverbandes eingetragen – ein Register für nicht beruflich
genutzte Boote. Dieser Eintrag ist nur eine Art Eigentumsnachweis. Am
Donnerstag wird das Verfahren fortgesetzt.
## Italienische Blockadepolitik
Damit läuft derzeit keins der vier großen privaten Seenotrettungsschiffe im
Mittelmeer zu Rettungsmissionen aus. Das vorerst letzte Schiff, das am
Samstag etwa 30 Kilometer vor der libyschen Küste 59 Flüchtlinge rettete,
ist die „Open Arms“, die für die spanische NGO Proactiva Open Arms im
Einsatz ist.
Auch hier hatte sich das Blockade-Spiel zwischen Malta und Italien
wiederholt, das in den vergangenen Wochen mehrfach Retter und Gerettete in
eine wahre Odyssee gezwungen hatte: Italiens Innenminister Matteo Salvini
von der rechtspopulistischen Lega gab an, die NGO könne „vergessen, in
einem italienischen Hafen anzukommen“. Der nächste Hafen sei Malta. Die
maltesische Regierung ließ ihrerseits wissen, das italienische Lampedusa
sei näher am Rettungsort. Einzig Spanien zeigte sich am Ende [2][zur
Aufnahme der Geretteten bereit]. Die Ankunft des Schiffs in Barcelona wird
für Mittwoch erwartet.
Zum dritten Mal binnen weniger Tage griff damit die italienische
Blockadepolitik. Zunächst hatte Salvini die „Aquarius“ mit 630 Flüchtling…
an Bord nicht einlaufen lassen. Dann hatte sein Bannstrahl die „Lifeline“
getroffen.
Malta lässt derweil die „Sea Watch“ der gleichnamigen deutschen NGO nicht
auslaufen. Die Behörden hätten dies untersagt, gab die „Sea Watch“ an. Die
Hafenverwaltung erklärte lediglich, dass der Status des Schiffs überprüft
werde.
Es scheint, als bedürften weder Malta noch Italien bei ihrem Feldzug gegen
die NGOs noch juristischer Gründe. Italiens Innenminister Salvini
jedenfalls verfügte, den ganzen Sommer über blieben die Häfen des Landes
für alle NGO-Schiffe gesperrt. So hatte die „Open Arms“ schon letzte Woche
das Verbot erhalten, italienische Häfen anzufahren, da dies „die
öffentliche Ordnung“ gefährde.
## Anstieg der Todesfälle im Mittelmeer
Als Beleg hierfür zog Verkehrsminister Danilo Toninelli von den Fünf
Sternen heran, beim letzten Aufenthalt des Schiffs in einem italienischen
Hafen habe es „Demonstrationen“ gegeben. Damals hatten etwa 100 Aktivisten
friedlich im Hafen von Pozzallo gegen die Beschlagnahmung des Schiffs
protestiert.
Die NGOs sehen Folgen dieser Politik: „Der jüngste Anstieg der Todesfälle
im zentralen Mittelmeerraum ist direkt auf das Vorgehen gegen die einzigen
noch vorhandenen und zuverlässigen Rettungsmittel sowie auf die europäische
Politik der Nichthilfe zurückzuführen“, erklärt Sea Watch.
Tatsächlich kamen zuletzt besonders viele Menschen im Mittelmeer um: Die
Internationale Organisation für Migration (IOM) sprach von 200 Menschen,
die allein in den vergangenen Tagen bei der Überfahrt von Libyen gestorben
seien. „Die Schlepper nutzen die Verzweiflung der Migranten aus, die
fliehen wollen, bevor Europa weitere Maßnahmen ergreift, um die Überfahrten
über das Mittelmeer zu unterbinden“, sagte IOM-Libyen-Chef Othman Belbeisi.
2 Jul 2018
## LINKS
[1] https://twitter.com/SEENOTRETTUNG/status/1013464908384612352
[2] /Fluechtlinge-auf-dem-Mittelmeer/!5517118
## AUTOREN
Eva Oer
Michael Braun
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