# taz.de -- Professoren mit Konzernverbindungen: Gutachter stützen die Autoind… | |
> Das Bundesverkehrsministerium hat im Abgasskandal industrienahe Gutachter | |
> beauftragt. Sie meinen Hardwarenachrüstungen seien teuer. | |
Bild: Nicht nur der Abgasskandal selbst, auch das Gutachten dazu stinkt gewaltig | |
BERLIN taz | Die Autoren eines industriefreundlichen Gutachtens für das | |
Bundesverkehrsministerium zu den Nachrüstungen von Dieselautos haben enge | |
Verbindungen zu Autokonzernen. Das Verkehrsministerium wollte im | |
Abgasskandal mit einem detaillierten Gutachten klare Antworten geben: | |
Brauchen die manipulierten Diesel-Fahrzeuge Hardware-Nachrüstungen oder | |
reicht ein Softwareupdate? Wie teuer sind beide Optionen und wie wirken sie | |
sich auf Verbrauch und Fahrvergnügen aus? | |
Das [1][Gutachten] erschien Anfang Mai und zeichnete ein pessimistisches | |
Bild für den Einbau von neuen Katalysatoren und anderen Ersatzteilen. Das | |
stand im Widerspruch zu bereits veröffentlichten Studien und Einschätzungen | |
des Bundesumweltministeriums und Verbraucherschutzverbänden. Statt | |
Antworten für politische Entscheidungsträger*innen zu geben, machen die | |
Einschätzungen der fünf beauftragten Professoren nun vor allem die | |
Verbindungen von Industrie und Wissenschaft im Automobilbereich klar. | |
Nach neuen [2][Erkenntnissen des Bayrischen Rundfunks] waren alle Gutachter | |
zuvor in der Autoindustrie tätig gewesen. Michael Bargende von der | |
Universität Stuttgart arbeitete 16 Jahre in der Motorenentwicklung bei | |
Daimler. Roland Baar von der Technischen Universität Berlin war | |
Führungskraft bei Volkswagen. Christian Beidl von der TU Darmstadt arbeite | |
beim Motorenentwickler AVL List GmbH. Thomas Koch vom KIT Karlsruhe | |
arbeitete bei Daimler in der Forschungsabteilung zu Verbrennungsmotoren. | |
Hermann Rottengruber, Professor an der TU Darmstadt, komplettiert als | |
Ex-Projekt- und Teamleiter bei BMW das Bild. | |
Ein Reigen von Querverbindungen, die sich bis heute fortziehen: noch immer | |
finanzieren Industrieunternehmen Forschungsprojekte der fünf | |
Wissenschaftler an ihren Universitäten im großen Stil. So gaben „deutsche | |
Automobilhersteller aus dem süddeutschen Raum“ 2014-2017 insgesamt fünf | |
Millionen Euro an das Institut von Professor Bargende, wie er dem BR | |
mitteilte. Baar arbeitet ins einem Institut für die Volkswagen AG zudem am | |
Projekt „Energieeffizienter Antriebsstrang“. | |
## Expertise durch Arbeit in der Autoindustrie | |
Diese Art von Zusammenarbeit zwischen Industrie und Forschungseinrichtungen | |
ist üblich und zweckmäßig, wenn der Austausch von Theorie und Praxis neue | |
Erkenntnisse ermöglicht. Gleichzeitig bergen sie das Risiko von | |
Interessenkonflikten, da die wissenschaftliche Arbeit von Finanzierungen | |
der Wirtschaft abhängt. Außerdem prüften zumindest Bargende, Rottengruber | |
und Baar auch Autos ihrer ehemaligen Arbeitgeber. | |
Die fünf Professoren verteidigen das Gutachten auf BR-Anfrage. Sie hätten | |
es nicht als Teil ihrer industriell unterstützten Forschungsabhängigkeit | |
geschrieben, sondern mit ihrer „persönlichen Expertise“. Wobei ebendiese | |
durch die langjährige Arbeit in der Autoindustrie mit der Sicht der | |
Konzerne verwoben sein dürfte. | |
Hartmut Bäumer von der Organisation Transparency International Deutschland | |
meint dazu „Ich sage mal ganz hart, es gibt ein schönes deutsches | |
Sprichwort: wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Und so ist das hier.“ | |
In der Diskussion fordern Umweltverbände, Grüne und SPD Nachrüstungen mit | |
Hardware, etwa Katalysatoren für betroffene Dieselautos. Die Union und | |
Autohersteller stemmen sich mehrheitlich dagegen. Sie halten | |
Softwareupdates für ausreichend. Dabei geht es um Dieselautos der | |
Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6, vor allem VW-Fahrzeuge mit Baujahr | |
2009 bis 2014, sowie um Modelle von BMW, Renault und Daimler. | |
## Verkehrsminister richtet sich nach Gutachten | |
Bei der Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen nach dem Abgasskandal hat das | |
Bundesverkehrsministerium in den letzten Monaten stark gebremst. So | |
erklärte der CSU-Minister Andreas Scheuer Mitte Mai im Bundestag: „Allen, | |
die sich jetzt nur auf die Hardwarenachrüstung konzentrieren, sei gesagt: | |
Es gibt weiterhin technische, rechtliche und finanzielle Bedenken. Die | |
Nachrüstung wird auch höhere Verbräuche nach sich ziehen“. | |
Diese Argumentation folgt genau der Linie der Studie. Sie zeichnete ein | |
pessimistisches Bild für Hardwarenachrüstungen: Die Kosten seien bei | |
mindestens 5.000 Euro anzusetzen, Dieselfahrer*innen müssten auch bei | |
sorgfältiger Umsetzung mit Qualitätseinbußen und höherem Verbrauch an | |
Kraftstoff rechnen. Dagegen würden „Softwareupdates eine signifikante | |
Verbesserung bringen und deutlich schneller und überdies flächendeckend im | |
Realverkehr wirksam werden.“ | |
Axel Friedrich, bis 2007 führender Mitarbeiter beim Umweltbundesamt und | |
einer der erfahrensten Kritiker der Automobilindustrie, widerspricht schon | |
den Voraussetzungen der Berechnung: Dem Gutachten zufolge koste allein ein | |
SCR-Katalysator zur Nachrüstung schon mehr als 1.300 Euro. Das sei | |
unrealistisch viel. Dazu kämen weitere überhöhte Posten, sagte Friedrich | |
der taz. Außerdem stellt er die Beweisführung infrage: „Die Autoren haben | |
für das Schlechtachten nicht mit dem ADAC oder externen | |
Nachrüstungsanbietern gesprochen, sondern nur mit den Autoherstellern.“ | |
Ein Gutachten Professor Georg Wachtmeisters von der TU München empfahl noch | |
im Januar die Hardwarenachrüstung und ging von „durchaus umsetzbaren“ | |
Kosten aus. Der Einbau von SCR-Katalysatoren würde insgesamt etwa 3.000 | |
Euro kosten. Das Bundesverkehrsministerium hatte die Studie in Auftrag | |
gegeben, aber zunächst nicht veröffentlicht. Stattdessen leakte Ende April | |
die Deutsche Umwelthilfe (DUH) das Papier. Die Organisation fordert schon | |
seit längerem Hardwarenachrüstungen und wollte mit der Veröffentlichung | |
weiter Druck auf Industrie und Regierung aufbauen. | |
Kurz darauf machte das Verkehrsministerium das Gutachten der fünf | |
Professoren publik – das seinerseits schon am 20. Februar intern verfügbar | |
war. | |
15 Jun 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/gutachten-hardware-nachruestu… | |
[2] https://www.br.de/nachrichten/studie-zu-diesel-nachruestung-enge-verbindung… | |
## AUTOREN | |
Leonardo Pape | |
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