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# taz.de -- Neuer Ordnungsdienst in Bremen: Furcht vor Repression
> Im Oktober nimmt der neue Ordnungsdienst seine Arbeit auf. Die Innere
> Mission fürchtet, dass die Zahl der Platzverweise für Obdachlose
> ansteigt.
Bild: Soll im neuen Ordnungsamt einen Ansprechpartner haben: Obdachloser
Bremen taz | Mit Sorge sieht die Innere Mission der Einführung des neuen
Ordnungsdienstes am 1. Oktober entgegen: Berthold Reetz, Leiter der
Obdachlosenarbeit, befürchtet eine Zunahme von Repression gegen Menschen,
die auf der Straße leben, wenn im Herbst die 18 blau-uniformierten
MitarbeiterInnen des Ordnungsamtes durch die City streifen. Tatsächlich
sollen sie die Polizei entlasten – und auch gegen aufdringliche Bettler
vorgehen. Das geht aus einer Pressemeldung des Senats hervor.
„Gesetzlich stehen dem Ordnungsdienst bei aggressivem Betteln die allgemein
polizeirechtlichen Maßnahmen wie Identitätsfeststellung und Platzverweis
zur Verfügung“, heißt es dazu aus der Innenbehörde. Außerdem könne ein
Ordnungswidrigkeitsverfahren in Gang gesetzt werden.
Reetz befürchtet eine Zunahme von Platzverweisen gegen Obdachlose an
öffentlichen Orten wie dem Hauptbahnhof oder der Innenstadt. Gerade
Obdachlose mit ausländischen Pässen, so Reetz, würden wegen ihrer
Mittellosigkeit oft aggressiver betteln oder ihre Zeitungen verkaufen als
andere. Anders als deutsche StaatsbürgerInnen erhielten sie keine
staatlichen Sozialleistungen und seien auf jeden Euro angewiesen. „Es
bringt nichts, ausschließlich Platzverweise auszusprechen. Man muss mit den
Leuten reden.“
Bei Schwierigkeiten wirbt Reetz deshalb für eine Zusammenarbeit mit den
Streetworkern der Inneren Mission. Diese würden die meisten Obdachlosen von
ihrer täglichen Arbeit her kennen und könnten in Konfliktsituationen
vermitteln.
## Keine klärenden Gespräche
Zwar behauptet das Innenressort, dass „eine Zusammenarbeit mit
Streetworkern und anderen Organisationen und Einrichtungen, die im Stadt-
und Gesellschaftsleben engagiert sind, ausdrücklich erwünscht und geplant“
sei. Bislang sind diese Pläne aber offenbar behördenintern geblieben:
Gespräche über eine solche Zusammenarbeit sind laut Reets jedenfalls noch
nicht geführt worden.
„Der Ordnungsdienst verfolgt in erster Linie keinen maßnahmenbezogenen,
sondern einen kommunikativen Ansatz“, sagt eine Sprecherin des
Innensenators. „Zunächst wird also mit den betroffenen Personen gesprochen,
um eine akzeptable und damit gute Lösung herbeizuführen.“
Die Ausbildung der neuen OrdnungshüterInnen hat Anfang Juni begonnen. Bei
der Auswahl der MitarbeiterInnen sei der Schwerpunkt auf ein „hohes Maß an
sozialer Kompetenz“ gesetzt worden, so die Behörde. Zudem würden die
MitarbeiterInnen „zu stets sensiblem Umgang mit allen Bürgerinnen und
Bürgern instruiert“.
## Sicherheit und Sauberkeit
Die Gründung des Ordnungsdienstes war im Oktober vergangenen Jahres
beschlossen worden. Die neuen MitarbeiterInnen sollen für mehr Sicherheit
und Sauberkeit sorgen und so die Polizeiarbeit im niedrigschwelligen
Bereich entlasten. Der Kontakt zu den Bürgern soll dabei eine zentrale
Rolle spielen. Auch werde das Hauptinstrument zur Ahndung von
Ordnungswidrigkeiten die Verwarnung sein.
Anlass zur Sorge geben die Erfahrungen aus Städten wie Düsseldorf:
Nordrhein-Westfalens Hauptstadt hat vor 20 Jahren eine 24-köpfige
Hilfstruppe eingeführt, die mittlerweile auf 140 Kräfte angeschwollen ist.
Immer wieder kommt es hier zu Klagen darüber, dass Obdachlose von den
OrdnungshüterInnen schikanös, teilweise unmenschlich behandelt werden.
So musste am 22. November ein Verkäufer des örtlichen
[1][Obdachlosenmagazins] ein Bußgeld zahlen, weil er beim Zeitungsverkauf
in der Altstadt auf dem Boden gesessen hatte. Das Ordnungsgeld [2][soll
dabei direkt vom Erlös des Zeitungsverkaufs entnommen worden sein]. Andere
seien ohne erkennbaren Grund von zentralen Plätzen in der Altstadt
verscheucht worden.
## Peinlicher Vorfall
Wellen geschlagen hatte zudem der Fall eines Obdachlosen, dessen Handy die
Ersatzsheriffs einkassiert hatten, weil er seinen Hund in einer Grünanlage
hatte frei laufen lassen. Peinlicherweise war das Mobiltelefon nicht mehr
auffindbar, als der Besitzer es gegen Zahlung der Geldbuße abholen wollte.
Grundsätzlich verteidigte das Düsseldorfer Ordnungsamt das Vorgehen
allerdings als rechtmäßige – und gängige – Praxis. Rund 100 Mal im Jahr
komme es zu solchen Beschlagnahmen.
„Die Situation in Düsseldorf ist hier nicht bekannt“, teilte das
Innenressort auf taz-Nachfrage mit. „Generell beugt der Ordnungsdienst
unmenschlichen Behandlungen insofern vor, als diese selbstverständlich
gänzlich unterbleiben und grundsätzlich jeder Person unterstützend und
menschlich begegnet wird“, so die Auskunft. Der Ordnungsdienst verstehe
sich eher als Ansprechpartner für alle BürgerInnen – „und zwar unabhängig
von ihrer konkreten Lebenssituation.“
25 Jun 2018
## LINKS
[1] http://www.fiftyfifty-galerie.de/presse/2624/fiftyfitfty-streetworker-bekla…
[2] https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/obdachlose-fuehlen-sich-von-or…
## AUTOREN
Moritz Warnecke
## TAGS
Repression
Obdachlosigkeit
Polizei Bremen
Bremen
Schwerpunkt Obdachlosigkeit in Berlin
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Obdachlosigkeit
Polizeigewerkschaft
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
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