# taz.de -- Hamburg „räumt auf“: Mit Bußgeldbescheid und Kabelbinder | |
> Seit Langem schlafen Obdachlose auf einer Grünfläche im Hamburger Bezirk | |
> Altona. Nun vertrieb sie die Polizei - arg brutal, sagen Augenzeugen. | |
Bild: Beinahe „idyllisch“: Räumung am Hamburger Nobistor, 2014 | |
HAMBURG taz | Auf der Wiese am Nobistor in Hamburg-Altona sitzen ein paar | |
Obdachlose zusammen, liegen auf Decken, dösen in der Mittagssonne. Zwei | |
Einkaufswagen parken im Gebüsch, darin: Schlafsäcke, Decken, Pappe - was | |
man so braucht zum Draußenschlafen. Nur unter dem Vordach am Spielplatz, an | |
der Westseite des kleinen Parks, ist es leer: Unter großem Polizeiaufgebot | |
hat der Bezirk Altona die Fläche am frühen Morgen räumen lassen. Gegen | |
zwölf Obdachlose hat der Bezirk zudem Bußgeldverfahren eingeleitet. | |
Ein Anwohner berichtet von aggressivem Vorgehen der Beamten - und von | |
Kabelbindern, mit denen zwei Männer gefesselt und abtransportiert worden | |
seien: „Die Obdachlosen standen unter dem Vordach, umringt von 20 | |
Polizisten in voller Einsatzmontur“, sagt Werner Haase, der die Räumung | |
beobachtet hat. | |
„Zwei Schwarzen waren die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt.�… | |
Der Einsatz sei ihm „völlig unverhältnismäßig“ vorgekommen, so Haase, �… | |
Obdachlosen wirkten ängstlich und eingeschüchtert“. Einer habe ihm | |
zugerufen: „Help us, we are homeless!“ Dann seien sie abgeführt worden. | |
Die Polizei wollte zunächst keinen entsprechenden Einsatz bestätigen, gab | |
dann aber doch zu, dass es am Nobistor eine Räumung von Obdachlosen gegeben | |
habe. Zuständig sei aber der Bezirk Altona, der den Auftrag erteilt und die | |
Polizei um Hilfe gebeten habe. | |
„Wir hatten den Hinweis, dass dort Leute aus Osteuropa nächtigen“, so | |
Martin Roehl, Sprecher des Bezirksamts. Auf die Frage, ob solche Menschen | |
sich dort nicht aufhalten dürften, sagt er: „Niemand darf da nächtigen - | |
das verstößt gegen die Verordnung über Grünflächen und Erholungsanlagen.“ | |
Dass auf der Grünfläche am Nobistor Obdachlose schlafen, ist alles andere | |
als neu: „Da schlafen schon immer Punks, Obdachlose und Flüchtlinge“, sagt | |
Haase, der täglich an dem Areal vorbeikommt. Im Sommer vergangenen Jahres | |
hatten wohnungslose Familien aus Osteuropa sogar Zelte auf der Grünfläche | |
aufgeschlagen. | |
Wie vielerorts mangelt es in Hamburg an Unterkunftsmöglichkeiten für | |
Geflüchtete und Wohnungslose - ein Problem, dessen sich auch das Bezirksamt | |
bewusst ist: „Eigentlich sind wir gegenüber den Obdachlosen am Nobistor | |
relativ liberal“, sagt Sprecher Roehl zur taz. Allerdings habe es dort in | |
der Vorwoche eine Messerstecherei gegeben. „Und irgendwann“, so Roehl, „i… | |
auch mal gut.“ | |
Ob bei solchen Aktionen auch Kabelbinder zum Fesseln eingesetzt würden, | |
hänge davon ab, wie kooperativ die Betroffenen sich verhielten, sagt der | |
Behördensprecher. Der Einsatz von Kabelbindern gilt als äußerst schmerzhaft | |
und umstritten - ist aber nicht verboten: Weil die schmalen Plastikbänder | |
kein vorgesehener Ausrüstungsgegenstand der PolizistInnen sind, gibt es | |
dafür keine Regelung. | |
Die Polizei stritt den Einsatz von Kabelbindern gegen die Obdachlosen ab. | |
Zwei der dort Angetroffenen seien zur nächsten Wache gebracht und eine | |
Stunde später wieder freigelassen worden, sagte ein Sprecher. Augenzeuge | |
Werner Haase bestätigt, er habe mindestens einen Obdachlosen vor der Wache | |
gesehen - gefesselt mit Kabelbindern. | |
„Meinem Eindruck nach nehmen repressive Maßnahmen gegen Wohnungslose seit | |
einiger Zeit wieder zu“, sagt Christiane Schneider, | |
Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, zur taz. Derweil komme die Stadt ihrer | |
Verpflichtung zur Unterbringung unfreiwillig Obdachloser „bei Weitem nicht | |
nach“, so Schneider. „Repression löst kein Problem, und der Kurs des | |
Senats, Flüchtlinge und Wohnungslose gegeneinander auszuspielen, ist ein | |
Spiel mit dem Feuer.“ | |
4 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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