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# taz.de -- USA und Kanada nach G7: Standfest, aber im Nachteil
> Das Verhältnis Kanadas zum großen Nachbarn USA ist auf einem Tiefpunkt.
> Das könnte Premier Trudeau langfristig schaden.
Bild: Lächeln, Hände schütteln, Ruhe bewahren – auch wenn hier eine wichti…
VANCOUVER taz | Für Justin Trudeau stand auf dem G7-Gipfel in Charlevoix
einiges auf dem Spiel. Während der kanadische Premier im Ausland für seine
Liberalität und seinen Charme bewundert wird, steht er zu Hause unter
Druck: Viele Kanadier werfen Trudeau vor, ein Leichtgewicht zu sein. Seine
Umfragewerte fallen seit Monaten, seine Wiederwahl in eineinhalb Jahren ist
in Gefahr.
Der Gipfel in Charlevoix war seine Chance. Hier wollte Trudeau seinen
skeptischen Wählern beweisen, dass er mit den Mächtigen der Welt mithalten
und ein Weltereignis erfolgreich abschließen kann. Als Gastgeber sollte er
Kompromisse finden und die ungleichen Partner zusammenbringen. Zugleich
musste er Kanadas Interessen wahren und gegenüber US-Präsident Donald Trump
standhaft sein.
Doch dieser Balanceakt hat nicht funktioniert. Die nur mühsam übertünchten
Konflikte beim Thema Handel und Zölle brachen wieder auf, [1][der Gipfel
war gescheitert]. Für die Gastgeber war das ein Schock, auch wenn man sich
nach außen betont gelassen gab. Zumal Trump Trudeau dabei höchstpersönlich
ins Visier nahm und ihn „unaufrichtig und schwach“ nannte.
Trudeau hatte die von Trump angedrohten Zölle beleidigend genannt und
hinzugefügt: „Wir Kanadier sind freundlich und vernünftig, wir lassen uns
aber nicht herumschubsen.“ Es sind Sätze, die der kanadische Regierungschef
auch vor dem Gipfel so gesagt hatte.
Nafta steht auf wackeligen Beinen
Das zuletzt ohnehin strapazierte Verhältnis zwischen Trudeau und Trump
dürfte nun zerrüttet sein. Die Beziehungen zwischen den USA und Kanada sind
auf einem neuen Tiefpunkt.
Was das Zerwürfnis für Kanada und die politische Zukunft Trudeaus bedeutet,
ist noch gar nicht abzusehen. Ein weiter eskalierender Handelskrieg würde
das Land ökonomisch schwer treffen, denn die kanadische Volkswirtschaft ist
eng mit den USA verflochten: Drei Viertel aller Exporte Kanadas gehen in
die USA. Die sind mit Abstand größter Kunde für kanadisches Öl.
Auch die Zukunft des Freihandelsabkommens Nafta zwischen Kanada, den USA
und Mexiko steht mehr denn je infrage. Die Verhandlungen über eine
Neufassung des Vertrags stocken seit Monaten, auch in Charlevoix hat man
sich nicht substanziell angenähert. Am Samstag drohte Trudeau, ohne die
Rücknahme der Stahl- und Aluminiumzölle durch Trump werde es kein neues
Abkommen geben.
Die Standfestigkeit Trudeaus gegenüber Trump ist kalkuliert – aber riskant.
Lange hatte der kanadische Premierminister versucht, den US-Präsidenten zu
umschmeicheln, doch die Strafzölle auf Kanada konnte er mit dieser Taktik
nicht verhindern. Seitdem ist er auf einen härteren Kurs umgeschwenkt. Die
meisten Kanadier sehen es ohnehin nicht gern, wenn ihr Premierminister
einen zu engen Kuschelkurs gegenüber den USA fährt.
Mehr als nur nett und schön
Mit der neuen Rhetorik will Trudeau seinen Landsleuten außerdem zeigen,
dass er mehr kann, als nur nett und schön zu sein. Kurzfristig dürfte das
seinem Ansehen in Kanada nützen und sein Profil schärfen. Langfristig
allerdings könnte die Strategie von Justin Trudeau nach hinten losgehen.
Denn einen ausgewachsenen Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten kann der
kleinere Partner Kanada auf Dauer nicht gewinnen.
Viele Kanadier müssten in einem solchen Fall mit höheren Preisen für
Alltagsprodukte rechnen, manche müssen um ihre Jobs fürchten. Besonders
dann, wenn Trump tatsächlich auch die Autoindustrie mit Zöllen belegt.
Nicht ausgeschlossen, dass die Wähler dafür am Ende den Premierminister
verantwortlich machen. Für Justin Trudeau sind die Zeiten nach dem Gipfel
nicht eben leichter geworden.
11 Jun 2018
## LINKS
[1] /Kommentar-Trump-und-G7-Diplomatie/!5509186
## AUTOREN
Jörg Michel
## TAGS
G7
Justin Trudeau
Donald Trump
USA
Kanada
Nafta
Mexiko
Schwerpunkt Angela Merkel
G7-Gipfel
Kanada
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