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# taz.de -- Deutsches Team vor der WM in Russland: Teambuilding in Watutinki
> Wie wird die DFB-Auswahl rechtzeitig vor dem ersten Spiel zum Team?
> Exspieler Per Mertesacker vertraut auf das Händchen des Trainers.
Bild: Wird schon wissen, was er macht: Joachim Löw
Moskau taz | An der außergewöhnlichen Ausgeglichenheit von Per Mertesacker
kann man ermessen, wie groß in etwa gerade die Anspannung im deutschen Team
ist. Wie groß der Druck ist, der vor dem ersten Spiel am Sonntag im
Moskauer Luschniki-Stadion gegen Mexiko auf den Spielern lastet. Hat man
überhaupt jemals einen so aufgeräumten Per Mertesacker wie in diesen Tagen
gesehen? Selbst den dämlichsten Fragen („Muss Ihre Frau eigentlich
Weltmeister zu Ihnen sagen?“) begegnet er in einer kleinen
Journalistenrunde mit freundlicher Zugewandtheit. Und aus der Hoteltoilette
spaziert er, ungeachtet der umstehenden Menschen in den Gängen, laut
pfeifend heraus.
Man sieht es ihm in der Edelunterkunft direkt am Maschsee von Hannover
einfach an: Mertesacker ist heilfroh, dass er aus dem Wettbewerb raus ist,
dass er nicht mehr dabei ist im deutschen WM-Tross, der sich mittlerweile
vor den Toren Moskaus, in Watutinki niedergelassen hat.
Als Mertesacker dem Spiegel [1][jüngst erzählte], wie sehr er als Spieler
auch körperlich unter dem großen Erwartungsdruck gelitten hatte, reagierten
zwar Altvordere wie Lothar Matthäus mit Unverständnis, unter den Aktiven im
Nationalteam fiel die Reaktion aber anders aus. Der künftige Leiter des
Jugendleistungszentrums von Arsenal erzählt: „Es haben sich einige gemeldet
und gesagt, 90 Prozent der Spieler würden das so erleben. Es ist nur immer
schwierig, während der Karriere solche Aussagen öffentlich zu machen.“
Mit wie viel eben auch belastender Bedeutung das deutsche Nationalteam
aufgeladen wird, kann man derzeit wieder bestens studieren. Da ist zum
einen die große Integrationsdebatte um İlkay Gündoğanund Mesut Özil
entbrannt. Entzündet hat sie sich an dem Bild, das die beiden
türkischstämmigen deutschen Nationalspieler mit dem türkischen
Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan abgegeben haben. Die DFB-Führung
würde diese Diskussion am liebsten hochrichterlich für beendet erklären,
auch wenn Teammanager Oliver Bierhoff inzwischen in größter Not wieder
Gesprächsbereitschaft signalisiert hat. Dazu kommen zuletzt mäßige
Auftritte in den Freundschaftspielen gegen Österreich (1:2) und
Saudi-Arabien (2:1). Die WM-Tauglichkeit der Deutschen wird wieder einmal
infrage gestellt.
Sollte aber miese Stimmung vor einer Weltmeisterschaft ein Gradmesser für
das spätere Abschneiden sein, dann können die DFB-Anhänger euphorisch in
die Zukunft blicken. Desaströs verlief auch vor vier Jahren die
Vorbereitung des DFB. Ebenfalls in Südtirol. Bei einem PR-Termin fuhr
Rennpilot Pascal Wehrlein mit den Beifahrern Benedikt Höwedes und Julian
Draxler zwei Männer am Rand der Strecke an, Kapitän und Leitfigur Philipp
Lahm konnte nur Lauftraining absolvieren, der schulterverletzte Manuel
Neuer durfte gar nicht mitmachen. So düster wie die Stimmung waren auch die
Prognosen.
Der tiefenentspannte Per Mertesacker, der damals dabei war, ist also der
ideale Mann, um auch die derzeitigen Aufgeregtheiten einzuordnen. Der
Weltmeister von 2014 weiß, worauf es ankommt. An der Qualität des Teams
hegt er keinen Zweifel: „Aus deutscher Sicht ist das der stärkste Kader
aller Zeiten.“ Und dennoch dürften sich die Spieler nicht auf vorhandene
Stärke verlassen. Bei einem erfolgreichen Team gebe es immer zwei, drei
neue Überraschungen. „Ich würde es Marco Reus gönnen, in diese Rolle zu
schlüpfen.“
Und Mertesacker vertraut insbesondere auf die Fähigkeiten von Bundestrainer
Joachim Löw. „Es beginnt schon mit der Ansprache am ersten Tag im
Trainingslager. Den Ton, den er da setzt, der ist ganz entscheidend. Man
darf nicht zu früh motivierend wirken, man muss auf den richtigen Zeitpunkt
warten.“ Löw, der als Taktikspezialist unter Jürgen Klinsmann begann, ist
ein Mann für das Große und Ganze geworden. Er habe mit der Zeit, so
Mertesacker, ein sehr großes Gespür für das richtige Timing entwickelt. Und
durch den WM-Titel sei er noch selbstsicherer geworden. Insbesondere hebt
Per Mertesacker seine Integrationskraft hervor. Die größte Schwierigkeit
vor einem Turnier bestünde darin, die verschiedenen Lager im Nationalteam,
die sich aus der Vereinzugehörigkeit ergeben, zusammenzubringen und auf das
eine Ziel einzuschwören und dabei die Ersatzspieler mitzunehmen. Während
der WM in Brasilien habe Löw immer wieder die Reservekräfte im Training
gelobt.
## Die Integrationskraft von Löw
Die Integrationskraft von Löw wird in diesen Tagen mehr denn je gefragt
sein. Nachdem Gündoğan und Özil sich so naiv [2][haben
instrumentalisieren lassen], haben auch die Kräfte in Deutschland, die es
auf Spaltung anlegen, Aufwind erfahren. Die Meinungen in der Gesellschaft,
wie das Handeln der beiden Nationalspieler zu bewerten ist, gehen weit
auseinander. Und die Möglichkeit ist nicht gering, dass dies auch im
deutschen Nationalteam so ist. Per Mertesacker selbst sagt: „Ich bin auch
gespannt, wie gehen die beiden damit um, und wie geht die
Nationalmannschaft damit um.“
Für den inneren Zusammenhalt des Teams ist diese Geschichte eine große
Herausforderung. Wenn etwa Gündoğan einen anderen Spieler aus der Stammelf
verdrängen sollte, vermengen sich möglicherweise diverse Ebenen. Löw hat in
einem ersten Statement auf die Integrationsleistung verwiesen, die Özil und
Gündoğan für die deutsche Gesellschaft erbracht haben. Mertesacker wiederum
urteilt in aller Strenge: „Als Repräsentant und Vorbild unseres Landes muss
man wissen, neben wen man sich stellen darf und neben wen nicht.“ Beides
ist richtig. Die Frage ist, wie man es gewichten mag. Im besten Falle
wächst da unbeeindruckt von den äußeren Druckverhältnissen etwas Neues
zusammen im deutschen Team.
15 Jun 2018
## LINKS
[1] http://www.spiegel.de/sport/fussball/per-mertesacker-kritsiert-unmenschlich…
[2] /Oezil-und-Guendoan-posieren-mit-Erdoan/!5502866
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Per Mertesacker
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