# taz.de -- Kultusministerkonferenz zu Abschlüssen: Kleinstaaterei ist sehr le… | |
> Die Bildungsminister der Länder wollen mit einem Staatsvertrag des | |
> Schulsystem vereinheitlichen. Aber können sie das überhaupt? | |
Bild: G8 oder G9? Eine von vielen Ungereimtheiten des deutschen Schulsystems | |
BERLIN taz | Das Abitur ist das Abitur. Jede deutsche Hochschule akzeptiert | |
es als Zugangsberechtigung – und siebt Bewerber für besonders beliebte | |
Studiengänge anhand der Abiturnote aus. Doch die Formel, nach der sich | |
diese Abiturnote berechnet, ist in jedem Bundesland eine andere. Die Kurse, | |
die die Schüler einbringen müssen, variieren und selbst die Dauer der | |
Oberstufe – zwei oder drei Jahre – ist von Land zu Land verschieden. | |
Die gleiche Unübersichtlichkeit herrscht auch in allen anderen Bereichen | |
des Schulsystems – seien es nun Lehrpläne oder Lehrerausbildung. Denn | |
Bildung ist nun mal Ländersache. Die Länder können sich nicht einmal auf | |
einen gemeinsamen Namen für die Schule nach der Grundschule einigen, die | |
mal Werkrealschule, mal Mittelschule und mal Integrierte Sekundarschule | |
heißt. | |
Unter dem Druck der öffentlichen Meinung und der Androhung des Bundes die | |
als Schwatzbude verschrieene Kultusministerkonferenz (KMK) durch einen | |
Nationalen Bildungsrat zu ersetzen, haben sich die Länder in der KMK im | |
März darauf verständigt, die Option eines Bildungsstaatsvertrags zu prüfen. | |
Den letzten, das „Hamburger Abkommen“, schlossen die Ministerpräsidenten im | |
Jahr 1964. Das Abkommen regelt Schulpflicht, Schuljahr und Ferien. Der | |
Entwurf für den neuen Staatsvertrag „Zu Transparenz, Qualität und | |
Vergleichbarkeit im Schulwesen“, der der taz vorliegt, sieht nun kaum | |
verbindliche, einheitliche Regelungen vor. Stattdessen liest er sich wie | |
eine Festschreibung des Status quo. | |
## Zahmer Entwurf | |
In der Präambel heißt es: „Der Staatsvertrag nimmt (…) maßgeblich Bezug … | |
bereits in der Ständigen Konferenz der Kultusminister (…) vereinbarte | |
Vorhaben.“ Und so bestätigen sich die Länder im Staatsvertragsentwurf im | |
Abschnitt „Transparenz“, dass sie regelmäßig einen Bericht „Bildung in | |
Deutschland“ geben. Der Bericht erscheint bereits. | |
Auch wollen sie ein deutschlandweites Informationsangebot zum Lehrerberuf | |
und Lehrerbedarf einrichten. Aber eine einheitliche Ausbildung oder gar | |
Bezahlung, wie sie angesichts des bundesweiten Lehrermangels angezeigt | |
wäre? Kein Wort davon. Höchstens über „Grundsätze“ und „Rahmenbedingu… | |
wollen sich die Länder abstimmen. | |
Bei der Vergleichbarkeit von Abschlüssen wollen sich die Länder laut | |
Entwurf ebenfalls auf nichts festlegen. Da heißt es nur: „Die Länder legen | |
im Rahmen der Kultusministerkonferenz gemeinsame Rahmenbedingungen für | |
Abschlussprüfungen (…) fest.“ Also zurück in die KMK – und damit zurüc… | |
den kleinsten gemeinsamen Nenner. Der Entwurf spiegelt den jetzigen Zustand | |
also weitgehend wider. Die Länder wollen zusammenarbeiten, etwa beim Thema | |
Inklusion. Aber sie müssen nicht. | |
Lediglich einen Vorschlag, der etwas über den Status quo hinausweist | |
enthält das Papier: Die Länder sollen sich auf einheitliche Bezeichnungen | |
für Schularten neben dem Gymnasium verständigen. Das Papier soll am | |
kommenden Donnerstag in der KMK diskutiert werden. Aus KMK-Kreisen heißt | |
es, man müsse da wohl noch mal ran. Der jetzige Vorschlag sei peinlich. | |
## „Gegengewicht zur KMK“ | |
Genauso zahm, wie der Entwurf für den Bildungsstaatsvertrag liest auch das | |
vorläufige Konzept der Kultusminister für den Nationalen Bildungsrat, das | |
der taz ebenfalls vorliegt. Die Kultusminister wollen ein Gremium mit zwei | |
Kammern, die jeweils 22 Mitglieder haben. In der einen, der | |
Bildungskommission sollen Wissenschaftler und Experten jeweils zur Hälfte | |
vertreten sein. Der anderen, der Verwaltungskommission, sollen 16 | |
Ländervertreter die Mehrheit über Vertreter von Bund und Kommunen behalten. | |
Da die Verwaltungskommission auch die Experten und Wissenschaftler | |
vorschlägt, wäre dieser Bildungsrat also ein Instrument der Länder. | |
Das jedoch ist weder im Sinne des CDU-geführten Bundesbildungsministeriums | |
noch der Union. „Unser Interesse ist es, mit dem Bildungsrat auch ein | |
Gegengewicht zur KMK zu schaffen“, sagte Tankred Schipanski, | |
CDU-Abgeordneter und Mitglied im Bildungssausschuss des Bundestages, der | |
taz. „Die KMK hat schließlich in den 70 Jahren ihrer Existenz nicht | |
geschafft für mehr Vergleichbarkeit im Bildungswesen zu sorgen.“ Er könne | |
sich sogar vorstellen, meint Schipanski, dass der Bildungsrat sogar mit der | |
Aufgabe betraut wird, einen Bildungsstaatsvertrag zu erarbeiten. „Die | |
Menschen sind die Kleinstaaterei im Bildungswesen leid, das ist nicht mehr | |
zu vermitteln.“ | |
10 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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