# taz.de -- Kommentar zum Asylstreit in der Union: Die wehrlose Kanzlerin | |
> Jemanden wie Seehofer hätte Merkel früher einfach entlassen – tut sie | |
> aber nicht. Man kann zusehen, wie aus ihr die Kraft abfließt. | |
Bild: Kraft, neue Kraft! Nur woher? | |
Angela Merkel darf man [1][in der Union jetzt schlagen], ohne dass einem | |
etwas passiert. Jedenfalls wenn man [2][Horst Seehofer] heißt und – wie er | |
vielsagend betont – nicht nur Innenminister ist, sondern auch CSU-Chef: | |
Seehofer will Flüchtlinge, die schon in einem anderen EU-Staat registriert | |
sind, an Deutschlands Grenzen abweisen. Seehofer kündigt eine | |
Nebenaußenpolitik mit den rechten Innenministern in Wien und Rom an. | |
Seehofer sagt seine Teilnahme an Merkels Integrationsgipfel im Kanzleramt | |
ab. | |
Einen Minister, der so agiert, wäre die Regierungschefin früher schneller | |
losgeworden, als man das Wort [3][alternativlos buchstabieren] kann. Tut | |
sie aber nicht. Sie ist: wehrlos. Man kann zusehen, wie aus Merkel die | |
Kraft abfließt, und einem fällt nicht ein, wie ihr neue Kraft zufließen | |
könnte. | |
Derweil lanciert der putschlustige Jens Spahn Dramasitzungen von CDU und | |
CSU auf ihre Kosten. Je wackliger die Koalition, das scheint sein Kalkül, | |
desto schneller ist Merkel weg, desto schneller kommt er vorwärts in seiner | |
Karriere. | |
Durch die Sitzung der CDU-Abgeordneten am Donnerstag ist sie noch so | |
durchgerumpelt – weil die Mehrheit der CDU sich von den Bayern ihre | |
Kanzlerin nicht wegschießen lassen mag. Jedenfalls ist Merkels Versprechen | |
zweifelhaft, bis zum EU-Gipfel in Brüssel in zwei Wochen etwas zu | |
erreichen. | |
Erstens hat sich die EU in keinem Politikfeld dermaßen entsolidarisiert wie | |
in Migrationsfragen. Zweitens sehen Europas Staats- und Regierungschefs | |
genau, dass Merkels Macht verfliegt. Kaum jemand wird noch groß investieren | |
in eine Zukunft mit dieser deutschen Kanzlerin. | |
## Nicht zu früh freuen | |
Eine Regierung ohne Merkel – Linke, Liberale und Ökos sollten sich nicht zu | |
früh darüber freuen. Annegret Kramp-Karrenbauer steht | |
gesellschaftspolitisch rechts von Merkel. Jens Spahn agitiert | |
marktradikaler und in der Integrationspolitik auf der harten Linie der | |
CSU. Eine Kompromisskanzlerin Ursula von der Leyen würde sich womöglich | |
durch Schneidigkeit von Merkel abgrenzen. | |
Und die SPD? Quält sich gerade erst in eine Analyse ihrer Krise hinein. | |
Dass SPD-Chefin Andrea Nahles in Kürze einen dynamischen Wahlkampf starten | |
würde, scheint etwa so wahrscheinlich wie ein WM-Sieg von Panama. Die | |
Linkspartei zerlegt sich kunstvoll. Nur die Grünen unter Habeck und | |
Baerbock sind gut druff. Aber für Schwarz-Grün oder gar Jamaika mit der | |
CSU, wie wir sie jetzt erleben, braucht man ordentlich Fantasie. | |
Isch over? Merkel könnte einfach neben der Aggression von Seehofer stehen | |
bleiben. Aber falls der Innenminister der Bundespolizei gegen ihren Willen | |
befiehlt, Flüchtlinge abzuweisen, kostet sie das wieder Autorität. | |
Die Macht ist weg, nur Merkel ist noch da. | |
14 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Georg Löwisch | |
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