| # taz.de -- Irenäus Eibl-Eibesfeldt ist tot: Nachruf auf den Popbiologen | |
| > Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt war Vermittler zwischen den | |
| > Pflanzen-, Tier- und Menschenwelten. Am Samstag ist er verstorben. | |
| Bild: Eibl blieb immer im darwinistischen Bezugsrahmen | |
| Es gibt einen kurzen Film von 1975, an dem man exemplarisch Glanz und | |
| Problem des Verhaltensforschers Irenäus Eibl-Eibesfeldt zeigen kann. „Eipo | |
| (Westneuguinea, zentrales Hochland) – Umgang mit Schweinen“ heißt der Film | |
| etwas sperrig, der in schwarz-weiß gedreht, stumm und nur 13 Minuten lang | |
| ist. Im Film sieht man, wie die Eipo ihre Schweine in ihr Leben integriert | |
| haben, mit ihnen spazieren und schlafen gehen, die Ferkel während der | |
| Feldarbeit in Netzen auf dem Rücken tragen und sie irgendwann allerdings | |
| auch mit Pfeil und Bogen erlegen und essen. Der Film ist ein immer noch | |
| sehenswertes ethnografisches Meisterwerk, für Eibl-Eibesfeldt waren die | |
| Filmbilder aber mehr. | |
| Für ihn, der am vergangenen Samstag, dem 2. Juni, im Alter von 89 Jahren in | |
| Starnberg gestorben ist, waren sie – wie für seinen Lehrer Konrad Lorenz – | |
| die Wahrheit selbst. Lorenz wie Elbl-Eibesfeldt glaubten an die Filmbilder | |
| nicht als Dokumentation oder illustrierende Zugabe, sondern als | |
| Repräsentanten von Wirklichkeit und Wahrheit im 1:1-Modus. Wenn sich später | |
| Soziologen wie Pierre Bourdieu oder Anthropologen wie Eduardo Viveiros de | |
| Castro, die hervorragende Fotografen waren bzw. sind, heftig dagegen | |
| wehrten, ihre Fotos als Teil ihrer wissenschaftlichen Arbeit zu sehen, ist | |
| einer der Gründe dafür in Eibl-Eibesfeldts Fotogläubigkeit zu suchen. | |
| Dabei hat der Forscher unfassbare und bis heute ungehobene Schätze | |
| hinterlassen. Mehr als 350 Kilometer Filmmaterial hat er von seinen Reisen | |
| mitgebracht, das heute im Senckenberg-Museum in Frankfurt hoffentlich nicht | |
| nur lagert. Eibl, wie man ihn kurz nur nannte, war nicht nur bei den Eipo | |
| und Trobriandern in Neuguinea, er filmte auch die Yanomami Amazoniens und | |
| die Himba und Buschleute im westlichen Afrika. Forschen hieß für ihn auch | |
| immer Abenteuer und Reisen, und das machte ihn zu einem klassischen | |
| Forscher, wie es sie heute nicht mehr gibt. | |
| Angefangen hatte Eibl, der 1928 in Wien geboren worden war, nach dem II. | |
| Weltkrieg als klassischer Verhaltensforscher bei Konrad Lorenz. Dabei | |
| untersuchte Eibl von Kröten über Dachse, von denen er einen zu Hause auch | |
| mit der Hand aufzog, bis zu Eichhörnchen zuerst Tiere, die nicht zum | |
| klassischen Versuchstierbestand der Biologie zählten wie etwa die | |
| Fruchtfliege Drosophila. Sein Interesse war dabei insofern universell, weil | |
| ihn alles interessierte, was die Tier so taten, wenn man sie gerade nicht | |
| experimentell störte oder beeinflusste. | |
| ## Eine Figur in der Wissenschaftsgeschichte | |
| Eibl begriff sich als klassischer Verhaltensforscher, den gerade das | |
| Zusammenwirken verschiedener Spezies in buchstäbliche Begeisterung | |
| versetzte. So entdeckte er nicht nur die Symbiose zwischen den | |
| Galápagos-Meerechsen und Krebsen, die ihnen an Land die Zecken aus den | |
| Schuppen suchen, sondern beschrieb sie auch überhaupt nicht darwinistisch, | |
| sondern als freundliches Modell des Zusammenlebens über Artgrenzen hinweg. | |
| Wissenschaftlich bleiben wird von seinen zu Lebzeiten veröffentlichten | |
| Arbeiten vor allem die von ihm entdeckte Universalität des Augengrußes, bei | |
| dem beide Augenbrauen kurzzeitig angehoben werden. Eibl konnte ihn | |
| stichhaltig bei allen Menschen und Kulturen zeigen, die er untersucht | |
| hatte. Und weil der Augengruß nur wenig kulturell überformt worden war, | |
| hielt Eibl ihn für angeboren, für, wie er oft sagte, der Grundausstattung | |
| des Menschen zugehörig. Wenn man einmal kurz von den methodischen Problemen | |
| absieht, die seine Filme etwa dann haben, wenn er glaubt, das ein um die | |
| Ecke geschraubtes Objektiv verhindere, dass die Menschen merken, dass er | |
| sie filmt, dann liegt in seiner Form des verallgemeinernden Schlusses sein | |
| Problem. | |
| Eibl blieb immer im darwinistischen Bezugsrahmen. Auf dessen Hintergrund | |
| wird jedes Verhaltensmuster auf seinen aktuellen oder nur noch rudimentär | |
| vorhandenen Überlebenswert hin erklärt. Das ließ ihn bei Menschen dann auch | |
| eine generelle, evolutiv entstandene Fremdenfeindlichkeit beziehungsweise | |
| Fremdenfurcht entdecken oder auch so etwas Merkwürdiges wie einen | |
| Jagdinstinkt. Dafür wurde er dann allerdings auch heftig und ausdauernd | |
| kritisiert. | |
| Zu seiner Verteidigung kann man aber anführen, dass er in den | |
| Auseinandersetzungen nicht verhärtete und sich jeder Debatte stellte, wenn | |
| man ihn einlud und argumentierte, anstatt ihn zu beschimpfen. Als Figur in | |
| der Wissenschaftsgeschichte bleibt er aber vor allem als smarter Vermittler | |
| zwischen den Pflanzen-, Tier- und Menschenwelten interessant. Seit er über | |
| seine in den frühen 1950er Jahren begonnene Zusammenarbeit mit dem Filmer | |
| und Meeresforscher Hans Hass die Galapagosinsel bereist und verfilmt hatte, | |
| war er so etwas wie der erste Popbiologe, der im Unterschied zu Bernhard | |
| Grzimek Tiere und Pflanzen nicht sozialdemokratisieren wollte. | |
| 5 Jun 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Cord Riechelmann | |
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