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# taz.de -- Manager über 30 Jahre Buback Records: „Eher ein Kraut-und-Rüben…
> Friederike Meyer und Thorsten Seif, die A-&-R-Manager des Hamburger
> Indielabels, freuen sich über ihr anhaltend gutes Verhältnis zu den
> Zitronen und den Beginnern.
Bild: Thorsten Seif und Friederike Meyer von Buback Records
taz: Thorsten Seif, Friederike Meyer, Sie leiten seit 12 Jahren gemeinsam
die Geschäfte von Buback. Das Motto Ihres Jubiläumsabends ist „Mehr als
eine Holding“. Was soll denn das heißen?
Seif: Nun, eine Holding ist das größte Geschäftsmodell in der Ökonomie.
Deshalb ist das vielleicht sogar eine kleine Kapitalismuskritik. Der Gag
stammt von DJ Koze, den ich einmal vor Jahren fragte, wie er einen Event
nennen würde. Seine prompte Antwort: „Mehr als eine Holding.“
Der Name Buback bezieht sich auf den 1977 von der RAF ermordeten
Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Wollten Ale Dumbsky und Ted Gaier von
den Goldenen Zitronen damit bei der Label-Gründung 1987 provozieren?
Seif: Die Zitronen waren, genau wie die Toten Hosen, eine Fun-Punk-Band,
aber es schwang immer ein politischer Kontext mit. Der Bassist nannte sich
Aldo Moro, nach dem ermordeten italienischen Ministerpräsidenten. Solche
lustig gemeinten Provokationen waren in den achtziger Jahren nicht
unüblich. Die Ambivalenz gegenüber der deutschen Geschichte war damals
groß, es gab selbst im bürgerlichen Lager ein gewisses Verständnis
gegenüber den Taten der RAF.
Friederike Meyer: Erst später befiel uns so etwas wie ein schlechtes
Gewissen, da gab es kurz sogar Überlegungen, sich umzubenennen.
Seif: Die Medien haben sich erst Jahre später auf das Thema gestürzt,
vielleicht wollten sie diese Ambivalenz auslöschen. Im Jahr 2018 stellt der
Name keine Wertung mehr dar, benennt lediglich einen historischen Vorgang.
Die erste Veröffentlichung von Buback war 1988 Jens Rachuts erste Band
Angeschissen mit ihrem gleichnamigen Album.
Seif: Leider ist das nicht mehr bei uns im Katalog. Ich habe damals noch
nicht für das Label gearbeitet, aber die Platte lief bei mir rauf und
runter. So eine Punk-Philosophie gab es später nie wieder! Das war eine
ganze neue Form von Lyrik, auf eine völlig zeitlose Art.
Meyer: Jens Rachut gründete später Bands wie Dackelblut, Oma Hans und
Kommando Sonne-nmilch. Er ist ein begnadeter Texter. Das Label wurde
gegründet, um seine Musik verfügbar zu machen, das hätte sonst kaum jemand
gemacht.
Seif: Damals erschien auch die erste Single von Knarf Rellöm, der ein
Roadie der Goldenen Zitronen war. Der musste sich auf der Bühne immer als
Biene Maja verkleiden.
Meyer: Da war es das Mindeste, ihn eine Single veröffentlichen zu lassen.
Thorsten Seif, Sie stiegen 1996 bei Buback ein. Die erste Band, die Sie
betreuten, waren gleich die Beginner um Jan Delay, richtig?
Seif: Ich lernte die Beginner kennen, noch bevor ich zu Buback kam. Die
waren damals 18 Jahre alt. Deren Debüt Flashnizm habe ich vermarktet, die
Promotion gemacht und die Konzerte gebucht. Ich ließ sie damals in
linksalternativen Läden spielen, die ich schon von den Touren meiner
eigenen Band kannte. Nach einem Konzert nahm mich Jan Delay einmal zur
Seite und meinte: „Ich schnall schon, wie du tickst, aber wir stehen auf
andere Läden.“
Vielleicht dachten die Rapper schon damals materialistischer?
Meyer: Ja, aber das ist nicht bloß negativ. Man ist da fokussierter, aber
auch offener. In der Szene der alternativen Gitarrenmusik wurde immer
darüber diskutiert, dass man sich öffnen müsste – wir waren ja alle weiße
Mittelstandskids. Im HipHop dagegen musste man gar nicht darüber reden. Es
war völlig normal, dass da viele Afrodeutsche mitmischten.
Seif: Wir wurden mit den Beginnern und Samy Deluxe Teil des
Deutschrap-Booms, während wir noch unsere Konzert-Booking-Agentur
aufbauten. Wir saßen also in unserer Klitsche, und der einzige gute
Medien-Kontakt, den wir hatten, war die Spex. Und plötzlich riefen RTL und
Sat1 an. Das war schon irre.
Die Beginner traten auf einmal bei der Arena-Show „The Dome“ und in der
Kai-Pflaume-Sendung „Nur die Liebe zählt“ auf.
Seif: Die drei waren immer kompromissbereit. Eigentlich hatten sie keinen
Bock auf Fernsehen, aber zu ihren Bedingungen machten sie es. Sie wollten
nur bei Pflaume auftreten, wenn während der Performance ihre Sprayer im
Hintergrund ein Tag machen konnten. Zu „The Dome“ wollten sie aber auf
keinen Fall. Der Chef der Plattenfirma Universal brachte sie dann darauf,
in Masken aufzutreten.
Neben HipHop hatten Sie bei Buback auch inhaltlich anspruchsvollen
Gitarrenpop im Programm, neben Schnipo Schranke etwa Die Heiterkeit oder
JaKönigJa. Ist diese Vielfalt nicht schwierig?
Meyer: Wir machen immer alles jenseits der Konventionen, was wir spannend
finden. Es wäre sicher einfacher gewesen, sich als reines Rap-Label
aufzustellen, so wie Yo Mama in den Neunzigern mit Fettes Brot und Fünf
Sterne deluxe. Mit unseren Künstlern fängst du in der Vermarktung immer
wieder bei null an. Buback ist eher ein Kraut-und-Rüben-Laden.
Tatsächlich haben Sie aktuell kaum HipHop-Acts auf dem Label.
Seif: Wir sind inhaltlich noch immer der alten Rap-Welt verhaftet. Die
Tabubrüche von Gangsta-Rap fanden wir stets uninteressant. Unser
unausgesprochener Anspruch ist, ein gewisses Unbehagen gesellschaftlichen
Verhältnissen gegenüber zu formulieren. So etwas in einem 3-Minuten-Song
auszudrücken, war schon zu Hamburger-Schule-Zeiten das Ziel.
Ohne die Bookingagentur Buback Konzerte mit Jan Delay, Deichkind und den
Beginnern wäre das Label nicht möglich, oder?
Seif: Die meisten unserer Angestellten arbeiten für die Konzertagentur. Als
solche kassiert man als Vermittler eine Provision dafür, Bands zu den
Veranstaltern zu bringen. Als Label musst du heute wirklich viel Geld
bieten können, um interessante Acts zu bekommen. Das ist uns zu riskant,
denn wenn man dann nicht mindestens 20.000 Platten verkauft, hat man
schnell viel Geld verloren. Das spielt neben dem Ästhetischen und
Inhaltlichen auch eine Rolle.
Zu Ihrer Jubiläumssause am 7. Juni kommen ja wirklich alle: die Beginner,
Zugezogen Maskulin, Die Heiterkeit, die Goldenen Zitronen, Drangsal …
Seif: Das ist sicher auch dem guten Verhältnis geschuldet, das wir zu den
Künstlern haben. 30 Jahre sind schon irre. Die Beginner haben wir 1992 bei
Buback unter Vertrag genommen! Da kann man schon mal sentimental werden.
5 Jun 2018
## AUTOREN
Jan Paersch
## TAGS
Musik
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