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# taz.de -- Linke Wahlfälscher in Quakenbrück: Schwarzer Tag für Rote
> Urteil am Landgericht Osnabrück: Vier Quakenbrücker Kommunalpolitiker der
> Linken sind wegen Wahlfälschung zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Bild: 60 Prozent für die Linke? Da stimmte wohl etwas nicht bei der niedersäc…
Osnabrück taz | Der Schwurgerichtssal 272 ist ehrfurchtgebietend: die
mächtige Tür, die schiere Größe des Raums, die gewaltige Justitia an der
Stirnwand. Kein leichter Gang für die fünf Angeklagten hier hinein. Und
dann erwischt sie ein Schlag, den wohl keiner von ihnen hat kommen sehen:
Erst vor wenigen Minuten hat sie zur Urteilsverkündung im Landgericht
Osnabrück angesetzt, da rammt Richterin Dagmar Winkelsträter einen Satz
raus, nach dem es für Sekunden totenstill ist: „In dieser Hauptverhandlung
ist gelogen worden, dass sich die Balken biegen!“
Winkelsträter verkündet das Urteil in einem Prozess, der hohe Wellen
geschlagen hat, politisch wie medial. Es geht um den Vorwurf der
Wahlfälschung. Schauplatz: Quakenbrück, Landkreis Osnabrück, während der
niedersächsischen Kommunalwahl 2016.
Vier der Angeklagten hatten für Die Linke für den Stadt- und den
Samtgemeinderat kandidiert, zwei zusätzlich für den Kreistag. Und jetzt
rechnet ihnen Winkelsträter Fall um Fall vor, warum das Gericht der
Auffassung ist, dass es während Briefwahl damals nicht mit rechten Dingen
zuging. Auf ein so auffällig gutes Ergebnis kam „Die Linke“ in einzelnen
Wahlbezirken, bis rauf zu 60 Prozent, dass Wahlwidersprüche eingingen. Der
Wahlleiter prüfte. So kam die Sache ins Rollen.
Andreas Maurer, Fraktionsvorsitzender der Linken sowohl im Artländer
Samtgemeinde- als auch im Quakenbrücker Stadtrat, zudem
Kreistagsabgeordneter im Landkreis Osnabrück, wirkt betreten. Verschwunden
die aufgesetzte Zuversicht, die er im Flur noch zur Schau gestellt hat, im
Kreis der Anwälte. Während Winkelsträter die Abenteuerlichkeit der Vorgänge
im Vorfeld des 11. September 2016 schildert, greift er zwar wieder und
wieder zum Telefon, als gäbe es Wichtigeres. Aber man merkt, es arbeitet in
ihm.
Denn schnell ist klar: Nur von einer milden Geldstrafe, gar von Freispruch,
ist hier heute nicht die Rede. Andreas Maurer muss eine Bewährungsstrafe
von sieben Monaten und einer Woche einstecken, plus den Verlust des
passiven Wahlrechts für einen Zeitraum von vier Jahren. Das bedeutet auch
den Verlust seiner politischen Ämter – sobald das Urteil rechtskräftig ist.
Mauer, so das Gericht, habe Briefwahlunterlagen für einen Wahlberechtigten
ausgefüllt. Zudem habe er eine Wahlbenachrichtigungskarte an sich genommen
und unterschlagen, habe zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen
Erklärung verleitet. Auch die anderen Angeklagten haben dem Wahlerfolg
kräftig nachgeholfen. Aber es ist Fraktionschef Maurer, in dessen Richtung
Winkelsträter Sätze sagt wie: „Das erschüttert das politische Urvertrauen
der Bevölkerung tief!“
Auch die drei anderen Quakenbrücker Kommunalpolitiker trifft es hart:
Bairam Chasim muss eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe auf Bewährung verdauen
– wegen Wahlfälschungen in zehn Fällen, in acht Fällen davon in Tateinheit
mit Urkundenfälschung. Tourkai Ismail bekommt elf Monate, Amet Nouri zehn.
Sobald das Urteil rechtskräftig ist, müssen Chasim und Ismail ihre Mandate
im Quakenbrücker Stadtrat abgeben. Amet Nouri entgeht dieser Schmach – er
hatte schon bei der Wiederholung der Quakenbrücker Briefwahl sein Mandat
verloren.
## 50 Zeugen hatten ihre Aussagen geändert
Die Linken-Politiker, so das Gericht, haben in einem Stadtteil mit hohem
Migrantenanteil Wähler zur Briefwahl getrieben. Zum Teil sollen die
Angeklagten die Unterlagen ausgefüllt und die Kreuze gesetzt haben. Einen
gemeinsamen Tatentschluss konnte das Gericht zwar nicht erkennen. Aber „die
Masche“ habe jeder für sich gekannt.
Winkelsträter spricht von Lügen, weil 50 der 65 Zeugen des Verfahrens
Betroffene, deren Angehörige oder Freunde waren, die in der
Hauptverhandlung ganz anders aussagten als gegenüber der Polizei im
Ermittlungsverfahren. „Unserer Auffassung nach sind die Aussagen aus dem
Ermittlungsverfahren glaubwürdiger“, sagt Winkelsträter. Als sie erkannten,
welche Konsequenzen ihre Aussagen für die Angeklagten bargen, hätten die
Zeugen ihre Aussagen verändert.
Winkelsträter redet den Quakenbrücker Politikern in puncto freie und
geheime Wahlen ins Gewissen: „Als Volksvertreter tragen Sie eine
gesteigerte Verantwortung.“
Später, draußen vor dem Landgericht, spricht Maurer von einem „politischen
Urteil“. Er will Revision einlegen.
19 Jun 2018
## AUTOREN
Harff-Peter Schönherr
## TAGS
Niedersachsen
Wahl
Urteil
Kommunalwahl
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Die Partei
Kommunalwahl
AfD Niedersachsen
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